Mozart. Karl Storck

Mozart - Karl Storck


Скачать книгу
Bach teilten, fiel diesem lebenslustigen Manne das leichteste und gefälligste Gebiet zu: er ist ein bedeutender Vertreter der italienischen Oper und verdienter Förderer des leichten, gefälligen Klavierspiels geworden. Dem kleinen Mozart ist er mit väterlichem Wohlwollen entgegengekommen und hat viel mit ihm gemeinsam musiziert. Fleischer (Moz.-Biogr. S. 27) weist mit Recht auf eine gewisse Wesensverwandtschaft zwischen Bach und Mozart hin. Sicher ist, daß der letztere den Londoner Musiker auch als Komponisten sehr hochstellte. »Wer mir den Bach verachtet, der ist ein Narr«, heißt es vierzehn Jahre später in einem Briefe. Die Neigung zum modernen, »galanten« Klavierstil ist freilich noch mehr durch Philipp Emanuel Bach gefördert worden, dessen 1753 erschienenen »Versuch über die wahre Art, das Klavier zu spielen«, der Vater Mozart nicht ohne Nutzen studiert hatte, wie auch seine Violinschule beweist.

      Am 5. Juni, einen Tag nach dem Geburtstag des Königs, gaben die Mozarts ihr erstes öffentliches Konzert, das nicht nur einen künstlerischen Triumph, sondern auch eine glänzende Einnahme von über 100 Guineen brachte. Bald darauf erkrankte der Vater an einer heftigen Halsentzündung, und so zog die Familie aufs Land. In der erzwungenen Muße komponierte der Knabe seine erste Sinfonie. Noch drei weitere hat er in London komponiert, so daß in den folgenden Konzerten die Instrumentalmusik fast immer von der Komposition des Knaben war. Sechs Sonaten für Klavier und Violine kamen auch im Stich heraus und trugen eine vom 18. Januar 1765 datierte Widmung an die Königin. Musikgeschichtlich wichtiger ist, daß der neunjährige Knabe eine neue Gattung in die Klaviermusik einführte: die Klaviersonate für vier Hände. Bislang hatte man vielfach auf zwei Flügeln oder auf den zwei – zuweilen an verschiedenen Seiten des Flügels angebrachten – Klaviaturen gespielt. Wolfgang empfing durch das Zusammenspiel mit der Schwester die Anregung, beide Spieler an dieselbe Klaviatur zu setzen. Die so entstandene Kompositionsart gewann rasch Beliebtheit und Verbreitung.

      Hier in London bekam Wolfgang auch zum erstenmal die italienische Oper in ihrem Glanze zu hören. Freilich die alte Herrlichkeit, wie sie der gewaltige Händel geschaffen hatte, war längst vorbei. Um so mehr bemühte man sich durch Hinzuziehung einzelner glänzender Virtuosen die Teilnahme zu heben. In diesem Jahre war es der treffliche Sopranist und glänzende Schauspieler Giovanni Manzuoli, der durch Stimme und Vortrag den höchsten Enthusiasmus entfesselte. Bald befreundete er sich mit den Mozarts und gab dem Knaben Unterricht im Gesang. Unter seiner Anweisung und durch das Beispiel anderer hervorragender Sänger wurde das Kind vollendeter Gesangskünstler, wenn natürlich auch die Stimme die eines Knaben war. Das ist von hoher Bedeutung. Wir sehen auch hier wieder, wie ihm alles musikalische Material gleichsam natürlich zu eigen wurde, wie ihm die verschiedensten Formen und Stile aus dem Leben heraus zugingen, und das alles in einem Alter, in dem man noch gar nicht mit einem Erlernten als von außen Überkommenen zu kämpfen hat, sondern wo alles, was man gewinnt, zum natürlichen Eigentum wird.

      Die Teilnahme der breiten Öffentlichkeit hielt natürlich auch in London nur so lange vor, wie die beiden Kinder als Sensation wirkten. Man macht sich heute, wo Konzertagenten, Journalisten, Interviewer usw. übereifrig für stets neue Reklame sorgen, nur schwer einen Begriff von der Arbeit, die der Vater Mozart zu leisten hatte, um der Öffentlichkeit immer neue Teilnahme abzugewinnen. So wirkt auch die Anzeige, die er im » Public advertiser« vom 11. Juli 1765 erließ, als kleines Kulturbildchen: »Allen Freunden der Künste! Das größte Wunder, dessen sich Europa, ja die ganze Menschenwelt zu rühmen hat, ist ohne Widerspruch der kleine deutsche Knabe Wolfgang Mozart; ein achtjähriger Junge, der – und wahrhaftig mit größtem Recht – die Bewunderung nicht allein der hervorragendsten Männer Europas, sondern auch der größten Musiker erregt. Es ist schwer zu sagen, was uns in größeres Staunen versetzen muß: sein Spiel auf dem Harpsichord oder sein Vom-Blatt-lesen und -singen, oder seine Capriccios und Phantasien, oder seine Kompositionen für jeder Art Instrumente! Der Vater dieses Wunderknaben, der durch den Wunsch verschiedener vornehmer Damen und Herren genötigt ist, seine Abreise von London noch eine kurze Zeit zu verschieben, will eine Gelegenheit geben, daß man den kleinen Komponisten und seine Schwester, deren musikalisches Wissen auch über jedes Lob erhaben ist, noch hören kann. – Vorstellung jeden Tag der Woche von 12-3 Uhr in dem großen Saal des ›Swan and Hoop Hotels‹ in Cornhill. Eintrittsgeld 2 sh. 6 p. pro Person. – (Die beiden Kinder spielen auch vierhändig zusammen auf dem gleichen Harpsichord, und zwar auf von einem Taschentuch bedeckter Klaviatur, so daß sie die Tasten nicht sehen können.)« Der englische Veröffentlicher hat nicht ganz unrecht, wenn er diese Anzeige als »barnumartig« bezeichnet.

      Standhafter war die Teilnahme der Fachleute, die vielfach vor allem Wolfgang einer genauen Prüfung unterzogen. Am gewissenhaftesten tat es der Rechtsgelehrte und Naturforscher Daines Barrington, der besonders Wolfgangs Fähigkeit der Improvisation untersuchte. Aus dem ausführlichen Bericht, den Barrington in wissenschaftlicher Form erstattete, ist besonders auffällig, daß diese improvisierten Kompositionen, wenn auch an sich nicht staunenswert, weit über das Gewöhnliche erhaben waren, auch ohne Rücksicht auf das Alter des Knaben; und für die künstlerische Veranlagung des Kindes bezeichnend ist, daß es sein Augenmerk vor allem auf die Charakteristik des Ausdrucks verlegte, wobei natürlich diese Charakteristik mehr von den Worten her als etwa aus den Charakteren der sie singenden Personen genommen war.

      Am 24. Juli 1765 verließen Mozarts London, am 1. August England. Wolfgang hat dem Lande und dem Volke, das ihn so gastlich aufgenommen, dauernd die wärmste Sympathie bewahrt. Noch 1782 nennt er sich einen Erz-Engelländer und freut sich des britischen Sieges bei Gibraltar. Als später die Not so schwer auf seinem Hause lastete, dachte er wiederholt an eine neue Kunstreise nach England, die ihm die pekuniäre Erlösung wohl eben so sicher gebracht hätte, wie Haydn und Weber. Aber der als Knabe so leicht die Welt durchzog, hat es als Mann nicht gekonnt. Da fehlte eben für den zeitlebens Kind gebliebenen die so sorgsame und geschickte Hand, mit der der Vater alle Schwierigkeiten des äußeren Lebens aus dem Weg geräumt hatte.

      Das Reiseziel war der Haag, wohin der holländische Hof sie dringend eingeladen. Nach einem unliebsamen, durch Erkrankung von Vater und Sohn veranlaßten Aufenthalt in Lille kamen sie über Gent und Antwerpen gegen Mitte September im Haag an, wo sie in der Ville de Paris, einem geringen Gasthofe, Quartier nahmen. Sie sind über sieben Monate in Holland geblieben, wo sie bei Hof und Volk eine sehr warme Aufnahme fanden, die auch dauerhafter war als anderswo. Leider wurde der Aufenthalt durch die lebensgefährliche Erkrankung erst Mariannens, dann Wolfgangs, zeitweise zu einer sehr schweren Prüfung. Schon am 30. September hatten sie am Hofe des Statthalters gespielt, zehn Tage später war das erste öffentliche Konzert. » De Liefhebbers kunnen na hun plaisir hem Muzick vorleggen, hy zal het zelve voor de vuyst speelen.« Mit diesen Worten rühmt die Anzeige des Knaben Fähigkeit im Vomblattspiel. (Nach Scheuerleer » M.s Verblyf in Nederland« 1883.) Erst am 22. Januar 1766 kam es zum zweiten Konzert; so lange währte die böse Krankheitsperiode. Bemerkenswert ist vor allem, daß der Knabe hier in Holland bereits als vollgültiger Komponist genommen wurde, wie seine Beteiligung an den Feierlichkeiten zur Volljährigkeit des Prinzen von Oranien beweisen.

      Erst Mitte April reisten sie ab und kamen über Antwerpen, Utrecht und Mecheln Ende des Monats in Paris an. Es ist sehr bezeichnend, daß sich die Teilnahme des Publikums, trotzdem der Knabe gerade in geistig musikalischer Hinsicht so außerordentlich gewachsen war, nicht wieder in dem Maße einstellen wollte, wie vorher. Man hatte eben die Sensation gehabt, und das auffällig und äußerlich Wunderbare nahm ja mit jedem Tage ab, den der Knabe älter wurde. Einzelne natürlich bezeugten auch jetzt ihre hohe Teilnahme. So fanden zahlreiche Wettkämpfe mit den ausgezeichnetsten Künstlern auf der Orgel, dem Klavier und in der Improvisation statt, bei denen der Knabe zum wenigstens mit großer Ehre bestand. Der Prinz Ferdinand von Braunschweig sprach nur die allgemeine Meinung aus, »daß viele Kapellmeister stürben, ohne das gelernt zu haben, was der Knabe jetzt schon konnte«.

      Von der Rückreise, die über Lyon, Genf, Bern, Zürich, Schaffhausen, Donaueschingen führte, ist nichts Besonderes mehr hervorzuheben. Wo sich der Knabe hören ließ, fand er auch die regste Bewunderung. Mitteilenswert ist noch, daß er in Biberach auf der Orgel einen Wettkampf mit Sixtus Bachmann (geb. am 18. Juli 1754 zu Kettershausen, gest. 1818), einem zwei Jahre älteren Wunderkinde, unternahm, der für beide ehrenvoll ausfiel. Ich erwähne das nur, weil Sixtus Bachmann trotz seiner bewundernswerten Wunderkindschaft, später kein über


Скачать книгу