Totengesicht. Eberhard Weidner

Totengesicht - Eberhard Weidner


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mich, dass ich sie im Flur vor dem Badezimmer fallen gelassen hatte. Aber als ich vorhin an der Stelle vorbeigekommen war, war sie nicht mehr da gewesen. Ebenso wenig wie der kaputte Föhn, mit dem Alessia Carlo niedergeschlagen hatte. Und der Haken an der Wand, an dem die Maske aufgehängt gewesen war, war immer noch leer gewesen. Es hätte mich auch gewundert, wenn der Killer sie wieder dort hingehängt hätte, nachdem ich ihn damit geschlagen hatte. So ordnungsliebend hätte ich ihn auch gar nicht eingeschätzt.

      Ich schüttelte den Kopf, während ich, ohne dass es mir richtig bewusst war, den Badewannenrand abwischte, obwohl ich ihn gar nicht berührt hatte. »Sie ist nicht mehr da, wo ich sie fallenließ!«

      Alessia nickte mit unheilvollem Gesichtsausdruck. »Ich hab sie ebenfalls nirgendwo gesehen. Und auch mein Föhn ist spurlos verschwunden.«

      »Das heißt …« Ich verstummte und schluckte schwer, als mir klar wurde, was das bedeutete.

      »Ja. Das heißt, dass der Mann, der ihn erschossen hat, sowohl deine Arbeitsmappe als auch die afrikanische Maske mit deinen Fingerabdrücken und den Föhn mit meinen Abdrücken mitgenommen haben muss.«

      »Aber wieso sollte er das getan haben?« Ich erinnerte mich, dass ich den Duschvorhang angefasst hatte, um ihn zurückzuziehen, und wischte hektisch über den Bereich, in dem sich vermutlich meine Fingerabdrücke befanden.

      »Vielleicht will er sich die Möglichkeit offenhalten, dir und mir diesen Mord in die Schuhe zu schieben. Wenn die Polizei nachweisen kann, dass der Killer vor seinem Tod mit der Maske und dem Föhn geschlagen wurde, und diese Gegenstände mit unseren Abdrücken anschließend zugespielt bekommt, nützt uns auch der beste Strafverteidiger nichts mehr. Zusammen mit deinen Abdrücken in der restlichen Wohnung reicht das vermutlich schon für einen Schuldspruch. Und vielleicht hat dich sogar jemand gesehen, als du mir von der U-Bahnstation bis hierher gefolgt bist. Dann wäre sogar bewiesen, dass wir zum Zeitpunkt seines Todes hier waren. Willst du also wirklich, dass wir in einer derartig beschissenen Lage die Polizei rufen?«

      Ich schüttelte den Kopf. Natürlich wollte ich das nicht! Sie hatte ja auch vollkommen recht. Für die ermittelnden Beamten der Mordkommission würden wir sofort zu den Mordverdächtigen Nummer eins und zwei avancieren, sobald die Elefantenmaske und der Föhn auftauchten, mit denen der tote Killer geschlagen worden war und auf denen sich zahlreiche Fingerabdrücke von uns befanden. Vermutlich konnten die Experten von der Spurensicherung anhand der Position der Abdrücke sogar feststellen, wie ich die blöde Maske gehalten und wie ich damit zugeschlagen hatte. Verdammter Mist!

      Alessia nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. Sie richtete ihren Blick wieder auf den Leichnam und erschauderte sichtlich. »Wir sollten nachsehen, ob er etwas bei sich hat, das uns einen Hinweis auf seine Identität oder seinen Auftraggeber gibt.«

      Ich erschauderte bei der Vorstellung, den Toten nun auch noch berühren zu müssen. »Wieso das denn?«

      Alessia sah wieder zu mir und runzelte die Stirn, als fragte sie sich, was sie nur mit diesem Blödmann an ihrer Seite anstellen sollte. »Willst du denn nicht wissen, wer das getan hat?«

      Ich hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Eigentlich nicht. Was hab ich denn schon mit dieser Geschichte zu tun. Ich bin schließlich nur zufällig hier hineingeraten. Und je weniger ich darüber weiß, desto besser.«

      Sie schüttelte den Kopf. »Du steckst doch schon viel tiefer drin, als du denkst, Rex! Wer auch immer diesen Mann ermordet hat, hat die Mappe mit deinen Zeichnungen und kennt daher deinen Namen und deine Anschrift. Nachdem er – aus welchen Gründen auch immer – mich erledigt hat, wird er auch alle anderen losen Enden abtrennen, um sämtliche Spuren, die möglicherweise zu ihm führen können, zu beseitigen. Was glaubst du wohl, was er mit dir tun wird?«

      Ich zuckte erneut mit den Schultern, obwohl mir, wenn ich es nur versucht hätte, sicherlich genügend geeignete Antworten eingefallen wären, eine furchtbarer als die andere, denn in meinem Job brauchte man viel Fantasie. Ich versagte es mir jedoch, genauer darüber nachzudenken, um mich damit nicht weiter zu quälen.

      Diese Aufgabe übernahm Alessia. »Ich könnte mir zwei Möglichkeiten vorstellen. Vielleicht schickt er den Killer, den er sicherlich anheuern wird, um den Auftrag abzuschließen und mich zu erledigen, anschließend einfach zu deiner Adresse. Schließlich kannst du dich nicht ewig irgendwo verkriechen und musst irgendwann nach Hause zurück. Oder er hängt dir, falls du die Polizei einschaltest, diesen Mord und unter Umständen auch noch den Mord an mir in die Schuhe und sieht anschließend genüsslich zu, wie du in den Knast wanderst, wo dir ein paar angeheuerte Insassen dann den Rest geben.«

      Ich seufzte bei diesen alles andere als erfreulichen Zukunftsaussichten und sah erneut zu dem toten Killer, der zu all diesen Dingen allerdings nichts mehr zu sagen hatte.

      »Ich für meinen Teil würde schon gern erfahren, wer es auf mich abgesehen hat und mich tot sehen will«, sagte Alessia. »Vielleicht finden wir einen Hinweis. Und sobald wir seine Identität kennen und wissen, wer diesen Mann beauftragt und anschließend erschossen hat, können wir damit auch zur Polizei gehen.«

      Was sie sagte, klang vernünftiger als alles, was mir durch den Kopf gegangen war. Vor allem das letzte Argument gab den Ausschlag. Denn ich wollte nichts lieber, als die Polizei einzuschalten und diese Geschichte in die professionellen Hände von Leuten zu legen, die sich damit weitaus besser auskannten. Da ich momentan aber zum sehr überschaubaren Kreis der beiden Hauptverdächtigen gehörte und derjenige, der die Elefantenmaske in seinem Besitz hatte, diese Trumpfkarte nach Einschalten der Behörden sicherlich sofort ausspielen würde, war es tatsächlich vernünftiger, noch etwas zu warten. Auch wenn wir dadurch noch immer in großer Gefahr schwebten. Aber vielleicht brachte die Durchsuchung der Leiche uns einen Hinweis auf den Mörder, auch wenn ich ernsthaft befürchtete, dass dieser sein Opfer bereits gefilzt hatte, bevor oder nachdem er den Brauseschlauch um seinen Hals geknotet hatte, und alles mitgenommen hatte, was ihn belastete. Dennoch nickte ich. »Du hast recht. Wir sollten ihn unbedingt durchsuchen. Aber wie … ähm, wie machen wir das?« Ich empfand noch immer eine gehörige Portion Widerwillen bei der Vorstellung, den toten Mann berühren zu müssen.

      »Ich schlage Arbeitsteilung vor.«

      Ich nickte begeistert. Arbeitsteilung klang in meinen Ohren wunderbar, denn es hieß, dass ich mich nicht allein daran machen musste, Carlos Kleidung zu durchsuchen, während dieser sie noch am minütlich kälter werdenden Leib trug. Arbeitsteilung hieß geteiltes Leid. Außerdem wären wir dann auch in der Hälfte der Zeit damit fertig.

      Doch Alessia hatte eine völlig andere Vorstellung, wie unsere Arbeitsteilung aussah. »Ich muss noch ein paar Sachen zusammenpacken. Während ich das tue, durchsuchst du unseren toten Freund.«

      Ich erschauderte und warf erneut einen Blick auf den toten Killer, als wollte ich mich davon überzeugen, was er von dem Vorschlag hielt. Und ehrlich gesagt sah auch er nicht unbedingt begeistert aus.

      Alessia musste meinen Widerwillen erkannt haben. Vermutlich war mein Abscheu deutlich auf meinem Gesicht abzulesen. »Ich würde dir ja helfen, Rex. Aber wir sollten nicht länger als nötig hierbleiben. Denn vielleicht kehrt der Mörder ja zurück.«

      Der Gedanke war mir noch gar nicht gekommen. Ich wandte erschrocken den Kopf und sah sie entsetzt an. »Du meinst …«

      Sie nickte. »Vielleicht war er in der Zwischenzeit in deiner Wohnung, um zu überprüfen, ob wir dorthin gegangen sind. Und als er uns dort nicht fand, dachte er sich, dass wir vielleicht hierher zurückgekommen sind. Wir sollten uns daher wirklich beeilen und nicht länger als unbedingt nötig hier sein.«

      »Du hast recht.« Ich wusste nicht, wie oft ich diesen Satz in den letzten Minuten gesagt hatte. Aber es stimmte nun einmal. Ich musste immer mehr einsehen, dass ich, wäre ich auf mich allein gestellt gewesen, in einer derartigen Situation überfordert und aufgeschmissen gewesen wäre. Gut, dass ich Alessia an meiner Seite hatte, die im Gegensatz zu mir in der Lage war, alle Eventualitäten zu berücksichtigen und vernünftige Entscheidungen zu treffen. Andererseits wäre ich ohne sie erst gar nicht in diese Situation geraten, sondern würde jetzt gemütlich im Büro eines Mitarbeiters der Werbeagentur sitzen und mein


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