Auf Bali geht um Vier die Sonne unter. Maik Zehrfeld

Auf Bali geht um Vier die Sonne unter - Maik Zehrfeld


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Leine, Spinner“ sagt die Rudelsführerin und fängt genau wie ihre Freundinnen lauthals an zu lachen. Das war wohl nichts. Waren wohl doch keine Studentinnen. Da hätte ich nicht mit so einem Niveau ankommen dürfen. Es hätte plumper sein müssen. Ich setze mich wieder an unseren Tisch und bereite mich darauf vor, mich für meinen schnellen Fehlschlag rechtfertigen zu müssen. Doch das muss ich gar nicht, denn Matze und Tina sind verschwunden. Ich nippe gelangweilt an meinem Bierchen weiter und schaue umher. Bar, was für eine scheiß Idee.

      „Bar, was für eine geile Idee!“ sagt Chris, der gerade rein kommt. Während er seinen Mantel auszieht und sich an den Tisch setzt, bestellt er mit einer gekonnten Handbewegung noch zwei Bier bei der Bedienung.

      „Danke, ich hab‘ noch“ sage ich, mit einem Blick auf das halbvolle Pint verweisend.

      „Jaja, mir doch egal, die sind beide für mich“ sagt Chris etwas gehetzt wirkend. „Ich brauch das jetzt.“ Die Bedienung kommt, stellt Chris ein Pint vor die Nase und will das andere zu mir stellen. Ich winke ab und deute auf Chris, der bereits das erste leere Pint wieder auf das Tablett der Kellnerin stellt.

      „Aaaaah, das tut gut. Genau das habe ich jetzt gebraucht“ schmatzt er in sich selbst hinein, während er entspannt im Stuhl versinkt. „Danke Schätzchen“ sagt er mit einem Augenzwinkern zur Kellnerin und nimmt einen Schluck vom zweiten Pint.

      „What the fuck ist denn mit Dir los, Chris? Mal ganz davon abgesehen, dass man einer Britin kein Augenzwinkern schenkt, scheint doch irgendwas mit Dir nicht so ganz zu stimmen, oder?“

      „Hatte halt noch was zu tun“ antwortet er leicht benebelt grinsend.

      „Was denn?“

      „Ist doch egal... Die Hauptsache ist, dass wir da sind. Und jetzt heißt es, eine Perle für Dich klar zu machen.“

      „Jaja. Am besten gleich eine ganze Perlenkette.“

      Chris hat es gut. Er hat eine wirklich süße Freundin zuhause sitzen, mit der er bereits so lange zusammen ist, wie Guns N‘ Roses für ein neues Studioalbum brauchen. Wenigstens konzentriert er sich als Wingman so voll und ganz auf meinen möglichen Erfolg. Er durchsucht den Raum und bleibt mit dem Blick am Tisch der jungen Nicht-Studentinnen hängen.

      „Hatte ich schon. Zu humorlos“ sage ich verzweifelt drein blickend.

      „Nur weil andere nicht Deinen Humor teilen, heißt es nicht, dass sie humorlos sind“ erwidert Chris, weiter Ausschau haltend. Sein Kopf bleibt still stehen und sein Lächeln wird größer und größer.

      „Was?“ frage ich ihn, in dieselbe Richtung schauend. An der Bar steht eine junge Frau, leider nur von hinten sichtbar. Sie sieht sexy aus in ihrem rückenfreien, dunkelgrünen Top. Doch, hat was. Aber nur von hinten sehen und dann anquatschen, ist wie eine Wohnung zu kaufen, bei der man bislang nur den Flur gesehen hat. Aber noch ehe ich meine Erwägung, abwarten zu wollen in Worte fassen kann, fasst Chris mich am Arm und schleift mich rüber.

      „Ähm, Entschuldigung, kennst du Sven?“ sagt er, die junge Dame an der Schulter antippend, und dreht sich weg. Diesen Spruch hat er dreist aus einer Fernsehserie geklaut, aber es funktioniert. Sie dreht sich um und sieht mich. Ich bin baff. Nicht nur, weil ich so plötzlich hier stehe und unvorbereitet improvisieren muss, nein, sie sieht auch noch richtig klasse aus. Der Flur war gut, aber der Rest ist großartig. Das Wohnzimmer hat einen Kamin und das Badezimmer einen Whirlpool! Eine absolut nehmenswerte Wohnung.

      „Hi“ sagt das Zauberwesen mit einem breiten Lächeln auf den schönen Lippen. Was für ein Lächeln. Und diese Zähne. So weiß, wie eine chemisch hergestellte Wandfarbe. Ich muss etwas sagen. Ich kann nicht einfach so hier stehen, sie angaffen und nichts erwidern. Sie hat immerhin schon etwas zur Konversation beigetragen, da darf ich nicht hinten anstehen. Nur, was sage ich, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen? Außerdem darf ich nicht zu schüchtern wirken. Oh nein, ihre Augen zeigen eine gewisse Erwartungshaltung an. Sie denkt sich sicherlich, warum der Typ da nur rumsteht und nichts sagt. Nun muss es aber auch überzeugend werden, wenn ich mir schon eine derart lange Bedenkzeit erlaube. Aber was? Aber wie? Aber wer?

      „Hi, ich bin Sven.“

      „Das weiß ich doch schon... Hallo, ich bin Nathalie.“

      „Hallo Nathalie.“

      Sag was! Das kann doch nicht alles gewesen sein, da muss mehr kommen.

      „Du hast eine schöne Einrichtung.“

      Bitte was? Ihre Einrichtung? Was soll der Quatsch denn nur?

      „Wie bitte?“

      „Also... äh, das ist natürlich nicht Deine Bar hier. Ich meine das im übertragenen... also.“

      Hör auf mit dieser dämlichen Wohnungs-Metapher...

      „Ich würd‘ Dich nehmen.“

      Batz.

      Ich setze mich wieder hin und nutze mein Pint zum Kühlen des roten Handabdrucks auf meiner Wange. Chris rutscht auf seinem Stuhl umher und kann sich das Lachen kaum verkneifen.

      „Was war das denn für ´ne Show?“ bricht es aus ihm heraus.

      „Ach, halt’s Maul.“

      „Heute wird das irgendwie nichts. Lass uns einfach noch in Ruhe einen trinken.“

      Gesagt, getan. Wir trinken noch ein paar Pints, reden über alte und neue Zeiten und haben einen angenehmen Abend. Gegen halb Zwei zahlen wir und verlassen den Pub, von Matze noch immer keine Spur. Ich verabschiede mich von Chris und mache mich auf zu meiner Bahnhaltestelle. Gerade fummle ich an meiner Jackentasche herum, um meine Kopfhörer heraus zu kramen, als ich eine junge Frau sehe, der eine Tüte voller Karnevalsutensilien auf den Boden gefallen ist. Tröten, Partyhüte, Konfetti und son Zeug. Ich gehe zu ihr rüber und helfe dabei, die Sachen in die Tüte zu packen.

      „Na das sind aber dicke Hupen“ sage ich auf die Tröten deutend. Verdammter Alkohol, so kann man ja gar nicht aus seinen Fehlern vom Abend lernen, wenn nach fünf Pints wirklich jeder noch so dumme erste Gedanke aus dem Kopf direkt den Weg zum Sprachzentrum findet. Mein Gesicht ziehe ich reflexartig zurück, um einer weiteren Ohrfeige aus dem Weg zu gehen.

      „Pardon?“

      Ha, sie hat mich nicht verstanden! Glück gehabt.

      „I’m from England and it is my first time in Germany. Mine Deutsch is nickt good.“

      Eine Engländerin? Ach, was soll’s. Leider fällt mir spontan kein guter Witz auf englisch ein...

      „Oh, okay. No problem. Let me help you with your stuff.”

      “That’s very sweet of you” sagt die überraschend gut aussehende Britin mit einem international anerkannten Lächeln. Wir schlendern gemeinsam durch die Innenstadt in Richtung Bahnhaltestelle. Sie müsse mit der gleichen Bahn wie ich fahren, sagt sie. In die selbe Richtung fahren. Eine Station vor meiner aussteigen. Das trifft sich gut. Während wir auf die Bahn warten, unterhalten wir uns. Sie ist in Hannover, um eine Freundin zu besuchen, die sie bei einem Studentenaustausch kennengelernt hat. Heute Mittag haben sie Sachen für eine Party nächste Woche eingekauft und abends noch einen Cocktail getrunken, ehe ihre Freundin sie wegen eines Typen alleine gelassen hat.

      „A great friend of yours“ sage ich ihr, möglichst viel Sarkasmus in meine Stimme legend.

      „Ah, she’s a bitch, when it comes to men. But she’s nice. And so are you” sagt sie mir lächelnd ins Gesicht.

      „You could help me taking this stuff up the stairs, if you like?“

      „I’d like to” sage ich und erwider das Lächeln. Für eine Britin sieht sie ja wirklich süß aus.

      Am nächsten Morgen mache ich mich auf zu meiner Wohnung. Zunächst vergewissere ich mich, dass das Mädchen, neben dem ich aufgewacht bin, auch im tendenziell nüchternen Zustand vertretbar ist. Der Alkohol hat sicherlich etwas die Konturen verschönt, aber dennoch bin ich zufrieden. Ich schleiche


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