Auf Bali geht um Vier die Sonne unter. Maik Zehrfeld
einem Verkäufer nachfragen, ob es noch andere im Lager gibt. Das bleibt meins.“
Das muss doch irgendwie zu regeln sein, du verdammtes Miststück.
„Das muss doch irgendwie zu regeln sein. Sie scheinen doch eine freundliche und zuvorkommende Frau zu...“
„Tut mir leid, da ist nichts machbar. Und mit Geschleime kommen Sie erst recht nicht weiter. So, mehr Zeit kann ich mit Ihnen nicht verplempern. Schönen Tag noch.“
Argh. Keine Zeit? Lachhaft. Die schlurft doch sicherlich schon seit Tagesanbruch durch die Läden auf der Suche nach Beute. Und überhaupt, für wen holt die denn das Hemd? Für ihren Freund? Woher will sie denn dann überhaupt wissen, ob das passt? Oder ob es dem gefällt? Klar, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er einer dieser Kleidungshörigen ist, die aus Faulheit und Argumentationsschwäche im kleidungsbezogenen Terrain gleich die gesamte Kompetenz an das Frauchen weiter geben. Aber von so einem lass ich mir doch nicht mein Hemd wegnehmen! Langsam schleiche ich der Frau hinterher. Mit einem kleinen Sicherheitsabstand schlendere ich durch die Regale und lasse sie nicht aus den Augen. Ich streiche semi-interessiert an Jacken und Hosen vorbei, fasse hier und da prüfend das Material an, mein Blick bleibt aber steif auf mein Hemd gerichtet. Mein Gott, die Frau nimmt und nimmt und nimmt. Die muss mehrere Liebhaber haben, so viele Hemden und Hosen kann doch kein normaler Mann tragen. Dass ihre dünnen Ärmchen überhaupt diesen Neukleiderberg halten können. Mittlerweile hat mein Hemd mitsamt seiner Entführerin den Männerbereich verlassen. Ich folge den beiden unauffällig und bleibe bei meiner Taktik, hin und wieder obligatorisch das ein oder andere Kleidungsstück anzufassen, um nicht allzu auffällig zu wirken. Mein Handy fängt auf einmal an zu Klingeln. Ich schrecke kurz zusammen und ducke mich hinter einen Ständer voller Jacken. Irritiert schaue ich auf mein Display:
„Sorry, aber kann heute Abend nicht kommen. Erzähl Dir später warum. Gruß, Chris“
Na klasse, wenn das mal kein Timing ist. Und dann hat es sich noch nicht einmal gelohnt. Ich bin froh, meine Diebin nicht aus den Augen verloren zu haben. Sie scheint mich nicht gehört zu haben und shoppt unbelastet weiter, ohne jegliches Gefühl der Paranoia. Wenn sie geht, gehe ich auch. Bleibt sie stehen und schaut sich etwas an, bleibe ich stehen und schaue sie an.
„Sie haben aber einen guten Geschmack. Unsere neue Büstenhalter-Kollektion für diesen Sommer“ höre ich auf einmal eine Stimme in meinem hinteren Kopf. Ich drehe mich erschrocken um und sehe eine ältere Verkäuferin. Mein Blick schnellt zu meiner rechten Hand, die ein teures Stück BH-Spitze streichelt.
„Ähm, ja. Ich dachte… das könnte etwas für meine Freundin sein. Habe mich aber verirrt... äh, geirrt“ will ich mich aus der misslichen Lage befreien und nehme die Hand vom BH. So schnell wie möglich versuche ich der Unterwäscheabteilungsoma und den Bildern, die sie in meinen Kopf gepflanzt hat, zu entkommen. Warum müssen auch immer die alten, verfallenen Frauen in den Dessous-Abteilungen arbeiten? Können einem da nicht mal ein paar Laufstegmodels beratend zur Seite stehen? Die können mit Dessous wenigstens noch etwas anfangen. Das zum Thema Verbesserungen im Bereich verkaufsfördernder Maßnahmen. Aber wo ist meine Hemdnapperin nur hin? Vor lauter Brüsten in meinem Kopf habe ich die vollkommen aus den Augen verloren. Ich schaue hastig umher und suche verzweifelt den Laden ab. Der alte Mann spielt immer noch mit seinem Korthut. Wahnsinn, mit welch simplen Sachen man im Alter doch unterhalten werden kann. Aber ich muss mich konzentrieren! Wo ist diese Frau mit meinem Hemd? Langsam verlässt mich jeglicher Optimismus, Tom noch einmal wieder zu sehen. So habe ich mein neues Lieblingshemd in der Zwischenzeit getauft. Tom hat Klasse, passt perfekt zu mir und steht für Coolness. Wie Tom Hanks. Nur jünger! Auf einmal öffnet sich neben mir eine der Ankleidekabinen und heraus tritt die blöde Kuh, Arm in Arm mit meinem Tom. Erneut tapse ich ihr möglichst unauffällig hinterher und warte auf den richtigen Moment. Oh nein, sie begibt sich langsam Richtung Kasse. Wenn sie erst bezahlt hat, habe ich verloren. Doch was macht sie nun? Kurz vor der Kasse bleibt sie an einem der Wühltische voller Handschuhe stehen. Da man sowohl für Wühltische, als auch für Handschuhe möglichst viele Hände zur freien Verfügung braucht, beschließt Madame Hemddiebin einen folgenschweren Fehler zu begehen: Sie legt ihre anvisierten Beinahe-Einkäufe auf dem Nebentisch ab. Meine Chance! Ich renne geschwind auf leisen Sohlen hinüber, greife gekonnt nach dem Kleiderhaken mit meinem Hemd und renne weg. Einfach weg. Dabei lache ich hämisch in mich hinein. So ein lauter werdendes, lechzendes, versautes Bösewicht-Lachen. Anscheinend habe ich doch lauter gedacht, als ich dachte, denn ein kleiner Junge in der Kinderabteilung in der ich mittlerweile bin schaut etwas verstört aus seinem Buggi hoch zu mir.
„Hey, was soll denn das?“ höre ich eine Frauenstimme schreien. Tja, Lady, wie du mir, so ich Dir. Mit den eigenen Waffen geschlagen. Schachmatt. Tom hat sich für mich entschieden. Auch wenn ich nun Gefahr laufe, eine homoerotische Beziehung mit einem Hemd einzugehen, freue ich mich enorm. Ich beschließe, den Einkauf von T-Shirts auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen und begebe mich direkt zur nächstgelegenen Kasse. Wenn ich das Ding jetzt kaufe, habe ich tatsächlich und unwiderruflich im Einkaufskampf der Geschlechter gesiegt. Taktik, Charme und Intellekt siegen nun doch immer über den haptischen Kaufzwang einer Frau. Während ich in der Schlange stehe, schaue ich bangend um mich in den Laden und wippe ungeduldig mit dem Bein. Die Diebin ist weit und breit nicht zu sehen. Endlich bin ich an der Reihe:
„Das macht dann 24,95 Euro, bitte.“
„Stimmt so.“
5. Die Miesepetrigkeit-Konzentrations-Matrix
Ich bin mal wieder viel zu spät dran. In 30 Minuten wollen Jonas, Linda, Matze und ich bereits im Stars die ersten Kugeln einlochen und ich sitze immer noch am Rechner. Jetzt wird es aber Zeit für den Feinschliff. Nochmal aufs Klo, Zähne geputzt, Haare gecheckt. Alles pikobello. Nur die Birne flackert wieder. Erinnerung an mich: Austauschen! Jetzt noch das neue Hemd aus dem Schrank geholt. Ich freue mich schon, Tom den anderen vorzustellen. Sie werden ihn sicherlich genauso lieben, wie ich. Letzteres aufgrund homoerotischen Touches bitte aus dem Protokoll streichen. Aber was ist das? Das kann nicht sein. Ich schaue noch einmal vergewissernd auf den Pappzettel, den ich gerade abgeschnitten habe. „24,95 Euro, Größe M“ steht da drauf. Okay, für Italiener und Franzosen ist das bereits L, aber hinter dem D steht eindeutig ein großes, fettes M. Aber mir ist das Hemd zu klein! Tom ist eindeutig zu eng für mich. Das homoerotische Protokoll bitte anzünden und aus dem Fenster werfen.
Ich kann es kaum fassen und befreie mich wieder aus dem Stück Stoff, welches einmal mein bester Freund werden sollte. Gut, dass Gott das Umtauschrecht erfunden hat. Bereits jetzt hasse ich mich dafür, dass ich dank meiner Faulheit bezüglich innergeschäftlicher Anproben nun noch einmal in das Innenstadtgetümmel rennen darf. Egal, jetzt stehen erst einmal andere Sachen an. Ich ziehe ein namenloses schwarzes Hemd über und hetze aus der Tür, um noch die angepeilte Bahn zu erwischen.
Als ich am Stars ankomme, warten Jonas und Linda bereits vor dem Eingang.
„Na, kommst du auch noch?“ ruft Jonas hämisch zu mir herüber.
„Jaja. Sind doch nur fünf Minuten. Und Matze ist doch auch noch nicht da...“
„Ach der. Der zählt als Referenzpunkt doch schon lange nicht mehr“ sagt Linda und begibt sich Richtung Eingang. Wir gehen runter in die Billardhalle und bestellen einen Tisch, zwei Weizen und eine Cola. Kaum sind die ersten Jacken auf den Stühlen abgelegt, fängt auch schon die entspannende Billard-Atmosphäre zu wirken an, was sich in einer erhöhten Anekdotendichte bemerkbar macht.
„Ich werde nie verstehen, warum Frauen Katzen lieben...“ fängt Jonas mit einem leicht grimmigen Blick an, während er die Kugeln im Holzdreieck positioniert.
„Hä? Wie kommst du denn da drauf?“
„Katzen sind unabhängig, gehorchen nicht, kommen nicht herein, wenn man sie ruft, bleiben gern die ganze Nacht weg und wollen, wenn sie zu Hause sind, am liebsten in Ruhe gelassen werden und den ganzen Tag lang schlafen.“ Er legt das Dreieck zur Seite, legt die weiße Kugel auf den Anstoßpunkt und fängt an die Spitze seines Queues mit blauer Kreide zu beschmieren.
„Ja und?“
„Mit anderen