Sternenfrau Eve. Edda-Virginia Hiecke

Sternenfrau Eve - Edda-Virginia Hiecke


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wie man sie nur bei besonderen Individuen vorfindet. Das Paar entsprach den ihnen vorgegebenen Normen, auch wenn sie nicht mehr wussten, wer ihnen diese Normen gegeben hatte, das war lange her und nicht mehr wichtig. Sie hatten eine Aufgabe und dieser gingen die Alten akribisch nach. Sie besaßen Scanner, mit denen sie aus großer Entfernung das Entwicklungspotenzial eines Individuums ermitteln konnten. Die Analyse des Erbguts versetzte sie dann in die Lage, mit erstaunlicher Genauigkeit einzuschätzen, wie sich Nachkommen eines Paares entwickeln und welche Richtung ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten nehmen würden. Bei einem guten Fund sollten sie die Entwicklung entscheidend vorantreiben. Das taten sie. Zuverlässig und unbeirrbar. Während sich das Polarlicht über der Wolkendecke im Norden ausbreitete, begannen sie mit ihrer Arbeit. Das Menschenpaar merkte in diesem Moment nichts, da es gerade voller Hingabe mit Fortpflanzungsritualen beschäftigt war, eine gute Gelegenheit für die Alten, ihre Arbeit unbemerkt zu verrichten. Das Leuchten des Strahls zur Veränderung der beiden Wesen am Strand vermischte sich mit dem Leuchten in der hohen Magnetosphäre des Planeten. Zurück blieben nur die blau-grün schimmernde Aurora Borealis und das schlafende Paar, während das Schiff der Alten unbeirrbar schon das nächste bewohnte Sternensystem ansteuerte.

      Die Verwandlung

      Die Verwandlung

      Als Annie aufwachte, fühlte sie sich jung und stark. Leise verließ sie den Schlafplatz, weil sie plötzlich ein starkes Bedürfnis spürte, zu rennen. Sie rannte einfach los und berauschte sich an dem befreienden Gefühl, ihren Körper bis an die Grenzen des machbaren zu belasten und sie wurde immer schneller. Jeder Schritt wurde vom Trommeln ihres Herzschlags begleitet. Sie hatte Grindöya bereits mehrmals umrundet, als sie im Augenwinkel einen Schatten wahrnahm. David wurde wach, als er ihre unbewusst jauchzenden Rufe vernahm. So frisch wie heute hatte er sich seit seiner Jugendzeit nicht mehr gefühlt und als er Annie herumrennen sah, sprang er spontan auf, um in diesem wilden Ausbruch an Bewegungsfreude mit ihr zusammen zu sein. Ein leichter Schneefall hatte begonnen. Als er sich Annie näherte, traute er seinen Augen nicht. Sie sah aus, als sei sie gerade mal Anfang zwanzig. Ihre Augen strahlten und ihr Haar glänzte im trüben Zwielicht der Polarnacht. Das konnte sie unmöglich sein, dachte er für einen Moment. Auch Annie blickte ungläubig auf den jungen Mann, der neben ihr rannte. Wild hingen ihm die rotblonden Haare in die Stirn. Seine grünen Augen aber strahlten die Vertrautheit aus, die ihr jeden Zweifel an seiner Identität nahm. Er sah so jung und stark aus, wie sie sich fühlte. Sein ganzes Gesicht strahlte dieses gewinnende Lächeln aus. Ein unglaubliches Glücksgefühl ließ die beiden immer weiter rennen, übermütig und unendlich stark.

      Gegen Mittag bekamen sie langsam Hunger und ließen sich auf ihre Decken fallen, um gleich darauf die Reste vom Vortag zu verspeisen.

       „Du siehst zwanzig Jahre jünger aus!“, rief Annie mit vollem Mund.

       „Das selbe wollte ich auch gerade sagen“, grinste David. „Ich bin schon lange nicht mehr so gerannt und wenn der Hunger nicht wäre, könnte ich ich noch ewig weiter rennen!“

       Einträchtig aßen sie und blickten auf das stille Meer. Als sie fertig waren, packten sie ihre Sachen zusammen, stiegen ins Boot und fuhren nach Tromsö zurück. Sie bemerkten nicht, dass der Bootsbesitzer sie sehr genau ansah, da er sich nicht sicher war, mit wem er es hier zu tun hatte. Hatte er doch das Boot an ein viel älteres Ehepaar vermietet. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der die beiden ihre Rechnung bezahlten und davon gingen, als wäre alles normal, ließ ihn annehmen, dass er sich irrte. Im Hotel reagierte der Portier ähnlich leicht verwirrt, verkniff sich aber jede Nachfrage. In den folgenden Tagen unternahmen Annie und David noch einige weitere Ausflüge zu den umliegenden Inseln. dass für sie der Partner jünger als früher aussah, führten sie auf ihre Verliebtheit zurück. Dann, am siebten Februar, war die lange Polarnacht endlich zu Ende und sie konnten, erleichtert wie die Einheimischen, den ersten wunderschönen Sonnenaufgang bestaunen. Tags darauf packten sie wehmütig und in Gedanken verloren ihre Koffer und flogen zurück nach Hause.

      Ristorn staunte nicht schlecht, als er seinem Arbeitgeber und dessen Frau die Tür zum Appartement öffnete. Beide sahen um so vieles jünger aus, dass er sie fast nicht erkannt hätte. Gerade noch rechtzeitig bevor er ihnen die Tür wieder vor der Nase zuschlagen wollte, entdeckte er die kleine Narbe über Davids linker Augenbraue, die er sich von einem sehr heißen Fettspritzer beim Crêpes machen zugezogen hatte. Also begrüßte er die beiden freudig und ließ sie ein. Er ging in die Küche, um Mrs. Truder die frohe Botschaft zu überbringen. Sie wollte die beiden natürlich auch begrüßen und eilte stracks ins Wohnzimmer, wo sie ihre Stimmen hörte. Als sie Annie und David erblickte, stutzte sie und rief:

       „Du meine Güte, Sie haben wohl eine Verjüngungskur gemacht! Also ich muss schon sagen, wenn eine Hochzeitsreise so viel jünger macht, sollte ich das auch noch mal versuchen!“

       Zum Glück für Ristorn sah sie nicht, wie eine leichte Röte in sein Gesicht stieg. Annie hatte das sehr wohl bemerkt, und war aber so rücksichtsvoll, Ristorn nicht anzublicken.

       „Nun, dann sollten wir uns mal auf die Suche nach einem passenden Ehemann für Sie machen“, feixte David und erntete dafür einen schiefen Blick seiner Frau. Ristorn wurde nun noch ein wenig röter und beeilte sich, das Wohnzimmer und die für ihn gefährliche Zone zu verlassen. Nun merkte auch David, dass er zumindest bei Ristorn in ein Fettnäpfchen getreten war. Während Annies und Davids Hochzeitsreise waren sich nämlich Ristorn und Mrs. Truder schon recht nahe gekommen. Stundenlang plauderten sie über ihre 'Herrschaften' und eines Tages gab sich Ristorn einen Ruck, nahm seinen ganzen Mut zusammen und lud Mrs. Truder zu einem Essen ein. Es wurde ein voller Erfolg. Mrs. Truder himmelte Ristorn an und er fühlte sich geschmeichelt und verliebte sich prompt. Sie behandelte ihn weiterhin mit dem Respekt, den er verdiente und benahm sich auch sonst, was die Arbeit betraf, sehr professionell. Nach Arbeitsschluss gingen sie gelegentlich miteinander aus und genossen die Gesellschaft des anderen. In ihrer Freizeit nannten sie sich bei ihren Vornamen, Clara und Thomas, wahrten aber während der Arbeit gebührenden Abstand. Nicht, dass Ristorn schon ans Heiraten gedacht hätte, doch Davids flapsige Bemerkung erschreckte ihn und er konnte sich nicht gegen die vertiefende Röte in seinem Gesicht wehren, zumal ihn Claras Ausruf schon etwas verlegen machte. In den auf Davids und Annies Rückkehr folgenden Tagen verhielten sich Ristorn und Mrs. Truder vorbildlich und schnell wurde die kleine Verlegenheit von Ristorn vergessen.

      Irgendwann geht auch der schönste Urlaub zu Ende und der Alltag muss weitergehen. Annie wollte unbedingt weiter arbeiten und David hatte damit kein Problem, da er ja wegen seiner Arbeit oft nicht zu Hause war. Als Annie am ersten Schultag die Treppe zum Schulgebäude hochging, traf sie auf ihre Freundin Margaret.

       „Oha! Du siehst aus wie das blühende Leben. Verrätst du mir den Namen der Schönheitsfarm? Ich will auch wieder jung aussehen!“

       Annie lachte und umarmte ihre Freundin zur Begrüßung.

       „Du kannst mir aber auch gerne helfen, so einen tollen Mann wie David zu finden, das würde schon einiges zum Besseren verändern.“

       „Ich befürchte, einen Mann wie David gibt’s nur einmal, aber ich helfe dir gerne, einen ebenso besonderen wie meinen David für dich zu finden“, versprach Annie und lachend gingen sie in das Gebäude. In der Pause erzählte sie Margaret von den amourösen Verflechtungen ihres Personals zu Hause.

       „Ihr scheint ansteckend zu sein“, maulte Margaret schmunzelnd, „könntest du mich bitte auch anstecken?“

       „Pass bloß auf Süße, für diese Krankheit gibt es keine Heilung, die hast du lebenslänglich!“

       „Das nehme ich gerne in Kauf.“

       „Sei lieber vorsichtig“, meldete sich nun Andrew zu Wort, „du weißt nie, welchen Verlauf diese Krankheit nimmt. Am Ende hast du drei Kinder, die auf das College wollen und dein Ehepartner hat sich eine jüngere gesucht.“

       Andrews Frau hatte ihn und seine Kinder letztes Jahr wegen eines jüngeren Mannes sitzengelassen. Seitdem verging kein Tag, an dem er nicht darüber jammerte.

       „Ach Andrew, irgendwo findet sich auch für dich noch jemand“, tröstete Annie ihn und wurde durch die Schulklingel von weiteren Diskussionen erlöst.

      Im


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