Sternenfrau Eve. Edda-Virginia Hiecke

Sternenfrau Eve - Edda-Virginia Hiecke


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und geröstete Kastanien, an graues Haar, streng zu einem Dutt gebunden und an zärtlich geschwungene Kochlöffel, die auf ihre Hände sausten, wenn er und seine Geschwister die Finger mal wieder zu tief zum naschen in die Schüsseln gesteckt hatten, verbunden mit der leicht strengen, aber immer auch lächelnd hervorgebrachten Mahnung, dass sie sich durch zu häufiges naschen den Magen verderben würden. Es war eindeutig Großmutters Schürze. Wo hatte er die denn ausgegraben? David sah den leicht irritiert dreinblickenden Bruder mit fragenden Augen an.

       „Na, soll ich dir eine Schüssel zum naschen hinstellen?“ Jonas ging nicht auf das verlockende Angebot ein.

       „Du willst dich doch damit nicht etwa bei deinen Gästen sehen lassen? Die werden an deiner geistigen Gesundheit zweifeln, wenn sie dich in Großmutters Schürze erblicken!“

       „Ich habe Annie versprochen, bei unserem nächsten Treffen für sie in dieser Schürze zu kochen!“

       „Ach so, ich dachte schon, du seist jetzt völlig verrückt geworden!“

       „Ja, mein Bruder, ich bin völlig verrückt nach Annie!“

       „Dann sag ich dir jetzt was David: wenn du es dir mit diesem Mädel verdirbst, lasse ich dich mitsamt dieser verrückten Schürze einweisen!“

       Er musste grinsen, als er aus den Augenwinkeln das verdutzte Gesicht seines Bruders sah während er die Küche verließ. Als David seine Überraschung überwunden hatte, freute er sich über die brüderliche, wenn auch ungewöhnliche Bestätigung, die richtige Frau getroffen zu haben. Jetzt musste er nur noch diesen Kochschürzenauftritt überleben. Jonas ging direkt zu Annie.

       „Hallo, Sie müssen die Wunderfrau sein, die meinen Bruder dazu bringt, Großmutters Schürze zu tragen. Er hat sogar die Spitzen bügeln lassen!“

       „Ich hab ihm nur gesagt, dass ich nicht glaube, dass er so etwas hat. Nun bin ich aber gespannt!“

       „Sie wollen ihn doch damit nicht im Ernst aus der Küche kommen lassen?“

       „Aber ich habe doch noch nie eine taubengraue Schürze mit einem Kochtopf drauf und Spitzen dran gesehen. Das wollen Sie mir doch nicht etwa vorenthalten?“

       Dem spitzbübischen Lächeln in Annies Gesicht konnte nun auch Jonas nicht widerstehen und lachte herzhaft.

       „Sie haben recht, diese Schürze hat Seltenheitswert und sollte unbedingt allen gezeigt werden!“

       „Ah, die Schürze! Da kommt sie schon mit meinem Bruder zur Tür herein!“

       David betrat das Zimmer mit einer Platte hors d'oeuvre, über dem schwarzen Anzug eine taubengraue Schürze, auf der ein riesiger Kochtopf mit leicht geöffnetem Deckel prangte. Eine Languste streckte ihre Fühler aus dem Topf, als ob sie entkommen wollte. Doch die beiden Kochlöffel rechts und links neben dem Topf sahen gnadenlos aus. Als Annie und Jonas die angesichts dieser recht ungewöhnlichen darstellenden Kunst erstaunten Gesichter der übrigen Besucher sahen, prusteten sie los. Davids empörtes Gesicht gab ihnen den Rest. Sie konnten sich kaum noch halten vor Lachen. Einige der Besucher schmunzelten und es war nicht eindeutig zu erkennen, ob über die Schürze oder die beiden, die so hemmungslos lachten. Ungerührt stellte David die Platte ab und wandte sich seinen Besuchern zu.

       „Wie Sie sehen, trage ich heute zu Ehren meiner Großmutter ihre Lieblingsschürze. In Gedenken an sie und weil mich eine gewisse Person dazu herausgefordert hat, serviere ich Ihnen heute eine Auswahl kleiner Leckereien, deren Zubereitung ich einst von Großmutter gelernt habe. Guten Appetit!“

       Er drehte sich nonchalant um und verschwand wieder in die Küche. Noch bevor der Applaus seiner Gäste verebbte, ertönte schallendes Gelächter aus der Küche.

       „Also Schürze hin oder her, ich habe Hunger!“, rief Cornell Belt und füllte sich einen kleinen Teller mit verlockend duftenden Speisen. Garreth Britt sah noch etwas irritiert aus, griff aber ebenfalls entschlossen zu.

       „Ich hoffe, die Languste hat es inzwischen in die Freiheit geschafft“, witzelte Iris, „und liegt nicht hier auf der Platte.“

       „Ich fände es nicht schlimm“, meinte Esther, „ich liebe Langusten, aber den Kochlöffeln möchte ich nicht begegnen!“

       Sie drehte sich zu David um, der gerade mit der nächsten Platte reinkam.

       „Oh David, ich muss schon sagen, dieses grau steht Ihnen wirklich gut. Sie sollten sich einen Anzug in dieser Farbe machen lassen. Allerdings ohne die Spitzen!“

       Als Annie sich vorstellte, wie David wohl darin aussehen würde, musste sie wieder lachen.

       „Gute Idee Esther Darling, ich habe nächste Woche einen Termin bei meinem Schneider, dann werde ich so einen Anzug in Auftrag geben!“ David amüsierte sich königlich.

       Es war ein wundervoller Abend und Annie wurde bewusst, dass sie sich schon lange nicht mehr so gut unterhalten hatte. Trotzdem konnte sie das Ende der Party kaum erwarten. Immer wieder fühlte sie Davids heiße Blicke im Gesicht und hatte ständig Angst, zu erröten.

      Als endlich der letzte Gast gegangen und auch Ristorn schon längst zu Hause war, setzte Annie sich in einen der gemütlichen Sessel auf der Terrasse und bestaunte die Lichter der Stadt.

       „Und ich habe immer gedacht, dass mir Spitzen besonders gut stehen würden.“

       David war leise neben sie getreten und betrachtete andächtig die Schürze, die er in den Händen hielt. Annie nahm die Schürze nochmal in Augenschein.

       „Aber nicht mit dieser Schürze. Ich stelle mir eher eine Spitzenkrawatte auf grauseidenem Hemd vor.“

       „Warum habe ich nur das dumme Gefühl, du willst mich vor dieser Welt lächerlich machen?“

       „Nein, will ich nicht,“ beteuerte Annie. „im Gegenteil, ich will dich in einem besseren Licht zeigen. Stell dir mal vor, das würde der große Moderenner werden, dann wärest du doch ein Vorreiter. Das ist doch etwas, oder?“

       „Eher der große Vorspinner.“ David legte seine Hände auf Annies Schulter und massierte sie sanft.

       „Vorreiter, Vorspinner, egal, Hauptsache vor.“

       Annie legte ihren Kopf in den Nacken und lächelte David an. Langsam senkte er seinen Kopf und küsste sie sanft. Immer fordernder erforschte er mit seiner Zunge ihren aufreizenden Mund. Annie zitterte, sie konnte nicht sagen, ob mehr vor Kälte oder vor Lust. Als David ihre Erregung bemerkte, unterbrach er den Kuss und zog sie vorsichtig aus dem Stuhl.

       „Komm Annie, hier draußen ist es kalt geworden.“

       Willig ließ sie sich in das warme Zimmer ziehen.

      Audon war schon lange vor den anderen ins Hinterland gezogen. Immer mehr von ihnen siedelten sich in dem kleinen Tal an, weit entfernt von den großen Städten. Sie alle flüchteten, obwohl sie nie verfolgt wurden. Doch die anderen Fenrys fühlten sich in ihrer Gegenwart unwohl. Nicht nur ihre Fellfarbe war anders, sondern auch die Dinge, die sie konnten. Da die Fenrys von Natur aus friedliebende Wesen waren, wollten sie Problemen lieber aus dem Weg gehen. Audon sah, wie immer mehr von ihnen ihm folgten und er wusste nicht, was er davon halten sollte. Er gehörte nach wie vor dem Hohen Rat an. Als er bei der letzten Sitzung erschienen war, hatte er ein ehrfürchtiges Staunen bei seinen Ratskollegen bemerkt und ihr Flüstern gehört. Er war sich nicht sicher, wie er damit umgehen sollte und bemühte sich daher, es zu ignorieren. Trotzdem war ihm nicht wohl bei der Sache.

       „Warum sind wir so anders, Großvater?“ riss ihn die Stimme seines Enkels Beldin aus den Gedanken. Sorgenvoll betrachtete er das blaue Fell des Jungen.

       „Das kann ich dir nicht sagen. Niemand kann sagen, warum wir so sind, wie wir sind. Unsere Fähigkeiten machen anderen Angst, aber sie würden uns nie etwas antun. Wir sind hierher gezogen, um herauszufinden, wie wir unsere ungewöhnlichen Fähigkeiten in den Griff bekommen können. Niemand macht es Spaß, wenn du ihm plötzlich in den Gedanken herumschnüffelst oder Gegenstände vor seiner Nase herumfliegen. Sandron kann ein Schutzschild um sich herum aufbauen und alle stoßen sich daran. Bolgen umflattern ständig kleine Feuerblitze. Zu mir kommen die anderen, wenn sie verletzt sind. Ja und du,


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