Der magische Adventskalender & Das Licht der Weihnacht. Manuel Neff
auf ihre Jeans. Große und kleine Kreise immer mehr bis ein kleines Kunstwerk entsteht.
»Glaubst du, Mama findet das toll, wenn du deine Jeans bemalst?«, kritisiert Paolo seine Schwester während er von der Kommode heruntersteigt und sich auf sein eigenes Bett setzt. Nachdem in Laras Zimmer die Heizung ausgefallen ist, muss sie nach der Meinung ihres Vaters wohl die nächsten Tage in Paolos Zimmer übernachten. Paolo und Lara verstehen sich eigentlich prima, aber im gleichen Zimmer zu schlafen ist in ihrem Alter doch eine kleine Herausforderung. Vor allem Lara nervt das gewaltig.
»Mama braucht das ja nicht zu erfahren«, motzt sie. »Und du verpetzt mich nicht! Sonst ...« Sie macht eine Pause und zeigt mit der ausgestreckten Hand auf Thomas, der schnarchend auf dem Boden liegt. »... bekommt Thomas nichts von meinem selbstgebrauten Beinmachtrank!«
»Das wagst du nicht. Thomas hat genauso ein Recht zu leben wie Lanzelot. Wenn du das machst ..., dann ..., dann ...«, beginnt Paolo.
»Ja? Was ist dann? Was willst du dann machen? Willst du mir drohen?«, fragt Lara wütend.
»Warum bist so gemein?«, jammert Paolo.
»Halt einfach den Mund und sag Mama nichts von der Jeans, dann brauchst du auch keine Angst um Thomas zu haben«, poltert Lara.
Die beiden schauen sich verwirrt und verwundert an. Noch nie haben sie so heftig und böse miteinander gestritten und sogar gegenseitige Drohungen ausgesprochen. Lara würde nie im Leben auf den Gedanken kommen, Thomas etwas anzutun.
»Tut mir leid«, flüstert sie leise. »Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.«
»Das war ziemlich krass. Aber es ist schon gut. Ich nehme deine Entschuldigung an.«
»Der Beinmachtrank soll ein Weihnachtsgeschenk für die beiden sein. Damit sie weiterleben können«, sagt Lara mit gedämpfter Stimme. »Ich habe fast ein halbes Jahr gebraucht, um ihn mit der Hilfe von Omas Krafttränkebuch herzustellen.«
»Thomas und Lanzelot werden sich riesig freuen. Ich finde, im Grunde geht es an Weihnachten gar nicht darum, selbst Geschenke aufzumachen, sondern darum, anderen eine Freude zu machen. Das macht viel glücklicher«, murmelt Paolo.
»Das hast du schön gesagt.«
»Ich muss immer wieder an Kasimirs Nachricht denken. Was passiert mit den Menschen, falls die Magie der Weihnacht in den Herzen erlischt? Und was geschieht dann mit Weihnachten?«
»Vielleicht streiten sie sich? So wie wir eben«, flüstert Lara.
»Dann sollten wir das unter allen Umständen verhindern!«
»Wenn wir nur wüssten wie!«
»Hast du schon etwas in Omas Tagebuch über die Schneekugel, die magische Laterne oder die kleine Feder gefunden?«
»Fehlanzeige. Oma schreibt über echt viele Sachen. Andere Planeten, Kraftgegenstände, Elfen und so weiter aber sie erwähnt mit keinem einzigen Wort eine kleine Feder oder eine magische Laterne und sie schreibt auch nichts über das Schneechaos oder die Schneekugel. Ich tappe völlig im Dunkeln.«
»Ganesha und unsere Stadt versinken im Schnee. Das kann kein Zufall sein«, rätselt Paolo.
»Schneestadt«, steuert Thomas bei, der gähnt und gerade aufgewacht ist.
»Gibt es denn gar keinen Hinweis oder ein Hilfsmittel, das uns weiterhelfen könnte? Vielleicht einen Krafttrank, den wir selbst brauen können, um den Tresor von Papa aufzubrechen? Oder vielleicht Kraftnagellack?«, fragt Paolo.
»Um so etwas herzustellen, bräuchte ich viel zu lange«, antwortet Lara. Sie sitzt da und schaut Thomas an.
»Was hast du?«, erkundigt sich Paolo.
»Ach nichts, ich überlege nur gerade, ob uns Thomas etwas mitteilen will.«
»Schneestadt«, grunzt Thomas wieder.
»Du bist schuld!«, hören sie plötzlich ihre Eltern in der Küche streiten. Die beiden sind sehr laut. Tatsächlich haben Lara und Paolo noch nie erlebt, dass sich ihre Eltern so laut anschreien.
»Was ist denn da unten los?«
»Lass uns nachsehen«, schlägt Lara vor.
Sie schleichen die Treppe hinunter, bis sie in dem Gang vor der Küche ankommen. Im nächsten Moment bekommen sie mit, wie ihre Mutter einen Teller nach ihrem Mann wirft. Vater Maring duckt sich jedoch geschickt und der Teller fliegt an seinem Kopf vorbei und kracht scheppernd gegen die Wand.
»Für dich bedeutet die Adventszeit und Weihnachten doch nur, Plätzchen zu backen, die Wohnung zu schmücken, den perfekten Tannenbaum auszuwählen und an Heilig Abend zu kochen!«, brüllt ihr Vater.
»Und du bist immer noch dem Stress, der Hektik und dem Konsumzwang verfallen! Der wahre Sinn von Weihnachten liegt sicherlich ganz woanders! Wer den Sinn von Weihnachten nicht im Herzen hat, der wird ihn wohl auch garantiert nicht bei der Arbeit finden!«
»Jemand hier im Haus muss ja wohl das Geld verdienen!«, herrscht ihr Vater wütend.
»Das ist unfair. Ich arbeite halbtags und kümmere mich um die Kinder. Du nimmst dir hingegen gar keine Zeit mehr für uns!«
»Das ist nicht wahr!«, erwidert ihr Vater.
»Die Magie der Weihnacht«, flüstert Paolo. Ich glaube, sie erlischt.«
Ihre Mutter hilft dem Vater, die Scherben vom Boden aufzuheben.
»Tut mir leid«, flüstert ihr Vater.
»Mir auch«, gesteht ihre Mutter.
»Sie haben sich auch gestritten und versöhnen sich wieder. Genauso wie wir beide«, stellt Paolo fest. Lara nickt zustimmend.
»Magie der Weihnacht«, grunzt Thomas.
»Die Magie der Weihnacht erlischt und die Menschen fangen an zu streiten, das ist es, was Kasimir vorausgesagt hat«, flüstert Lara. »Wir müssen ganz dringend etwas dagegen unternehmen.«
»Die Frage ist nur, was wir ohne Kraftgegenstände tun können«, sagt Paolo.
Plötzlich bemerken ihre Eltern die Kinder, die vor der Küche stehen.
»Hallo ihr beiden«, begrüßt sie ihre Mutter verschämt. »Ich geh mal die Zeitung holen.«
»Was ist denn passiert? Warum habt ihr euch gestritten?«, erkundigt sich Paolo vorsichtig.
»Der neue Schraubendreher und das Besteck sind wieder verschwunden. Vielleicht sind das ja die Pauwdies von den Nachbarn«, spekuliert ihr Vater.
»Wenn bei uns keine Pauwdies sind, dann bei den Nachbarn auch nicht«, erklärt Paolo seinem Vater.
»Es stimmt, was Paolo sagt. Lest selbst!«, wirft ihre Mutter ein, die in diesem Moment zurückkommt und allen das Titelblatt der Zeitung vorliest.
Schneechaos und zugefrorene Spiegel in der ganzen Stadt führen zu Streit und Zwietracht!
Wie Paolo und Lara schon vermutet haben, hat das Schneechaos noch einmal zugelegt. Aber das Erstaunliche ist, dass sich das Wetterphänomen nur auf ihre Stadt zu begrenzen scheint. Hinter den Stadtgrenzen, den umliegenden Feldern, den Hügeln und hinter dem Wald ist die Welt scheinbar noch in Ordnung. Die Nachbarstädte sind bis jetzt von dem Wetterspektakel verschont geblieben. Dass viele Spiegel in der Stadt zugefroren sind, ist noch ein viel größeres Rätsel, welches sich die Medien nicht erklären können. Die Menschen streiten sich in den Supermärkten um die Lebensmittel und im Rathaus hat es sogar eine kleine Schlägerei gegeben.
»Die Liebe scheint aus den Herzen der Menschen zu verschwinden«, sagt Mutter Maring nachdenklich.
»Allerdings wird mit keinem einzigen Wort in den Nachrichten erwähnt, dass jemand sein Werkzeug oder das Besteck vermisst«, fügt der Vater hinzu und geht in der Küche auf und ab. »Vielleicht ist da