BESESSENHEIT. Kiki Abers

BESESSENHEIT - Kiki Abers


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Willen! Wohin willst du? – flüsterte sie erschrocken.

      - Mama, hier hast du einen Brief, den ich an dich geschrieben habe, aber gut, dass ich mich von dir verabschieden kann. Ich werde nie mehr wieder zurück kommen. Für mich hat der Vater aufgehört zu existieren. Aber dich liebe ich sehr.-

      - Mein liebes Kind, was sagst du? Was hast du vor?-

      - Mama, mache dir um mich keine Sorgen, ich werde es schaffen, und wenn ich Fuß gefasst habe, gebe ich dir sofort Bescheid.-

      Sie standen noch einen Moment und umarmten einander, bevor die Tür hinter ihm zufiel.

      -Ich muss Maja anrufen. – Mario hatte Schwierigkeiten mit dem Sprechen. Sein Gesicht, die Augen, die Lippen waren geschwollen.

      Waldemar machte ihm sehr delikat die Umschläge, weinte und verfluchte im Inneren den Vater von Marian.

      -Ein Bauer, primitiv! – dachte er, und alles kochte in ihm vor Empörung.

      -Marian, o Gott! Was ist passiert? Weißt du, wie spät es ist? – hörte er im Telefon die beunruhigte Stimme seiner Freundin.

      - Maja, zieh dich an, Waldemar holt dich gleich ab, ich bin bei ihm. Ich erkläre dir dann alles.-

      Sie saßen zu dritt bis zum Morgen, Marian hat sie schließlich überzeugt von seinem Vorhaben, Polen zu verlassen. Sie schliefen nur wenige Stunden. Maja wollte schnell nach Hause um für ihn ihre Ersparnisse zu holen, aber Waldemar hat ihm schon Geld angeboten, und es war eine große Summe.

      - Irgendwann gibst du es mir zurück.- sagte er mit einem traurigen Lächeln.

      Am selben Tag fuhr Marian Kwiatek mit dem Zug Warschau-Paris.

      8.Kapitel

      Dank dem Darlehen von Waldemar mietete Mario in Paris ein kleines Zimmerchen und fing an durch die Stadt zu laufen, auf der Suche nach einem Friseursalon, in dem er nach Arbeit fragen konnte. In dem ersten, in den er hinein ging, bekam er sofort eine Absage. In den zwei Nächsten wollten sie mit ihm nicht mal reden. Vielleicht sprach er schlecht französisch, aber er konnte sich doch ganz gut verständigen, lernte fleißig diese Sprache, denn seit Jahren war Paris sein Traum.

      -Eigentlich, wozu versuche ich es in irgendwelchen unbedeutenden Geschäften. Das ist nur verlorene Zeit. Hier wird niemand mein Talent erkennen. – dachte er und ging zu einem der luxuriösesten Salons im Zentrum der Stadt.

      - Bon jour, junger Mann, womit kann ich ihnen dienen? – fragte ihn höfflich mit einem Lächeln ein schöner Jüngling, der gleich bei dem Eingang hinter einer eleganten Theke stand.

      - Ich möchte gern mit dem Chef sprechen. – antwortete Marian und lächelte so schön er nur konnte.

      - Einen Moment. – Der Schöne hob den Telefonhörer. – Mon cher ami, jemand für dich. Ein junger Mann.-

      Er legte den Hörer wieder ab und sagte:

      -Kommen sie bitte mit.-

      Er führte Marian durch den Salon, der so riesig groß und so wunderschön war, dass Marian von diesem Luxus schwindelig wurde.

      -O Mann, ein Gay!- dachte er, als der Schöne ihn dem Chef vorstellte.

      Dazu hat sich noch herausgestellt, dass der Chef polnische Vorfahren hatte, also mochte er Marian auf Anhieb. Er war ein guter Menschenkenner, er schätzte sie auch nach der Kleidung, Frisur, und vor allem nach persönlichem Style ein, bat Marian irgendetwas zu zeichnen, und der Atem stockte ihm, als er einen bunten Vogel mit menschlichem Gesicht erblickte. Er hatte einst dasselbe gezeichnet, bevor er in die Lehre bei einem großen Meister aufgenommen wurde. Lange schüttelte er vor Verwunderung den Kopf, und Marian konnte lange nicht an sein Glück glauben.

      Er sollte morgen schon anfangen.

      Und so verbrachte er in diesem Salon einige Jahre. Er lernte sehr gewissenhaft von Grund auf den Beruf. Der Chef war mit ihm sehr zufrieden, sah ihn ihm von Anfang an ein großes Talent.

      Mario telefonierte oft mit seiner Mutter, schickte ihr Geld. Zuerst sparte er vom Trinkgeld und später von dem Verdienten, und es war ziemlich viel. Er lebte bescheiden, sparte und dachte an die Zukunft, in der er nach Polen zurückkehren würde.

      Nur die Klamotten hat er sich gegönnt. Er war eitel und kleidete sich mit größter Sorgfalt, war immer sehr höflich und mit einem Lächeln. Er gefiel allen, Männern und Frauen.

      Einst hat er sich sogar von einer Frau verführen lassen. Er tanzte lange mit ihr auf einer Party bei seinem Kollegen, und danach war er mit ihr in ihrem Bett gelandet. Er fand jedoch keinen Spaß dabei, und beschloss bei dem männlichen Geschlecht zu bleiben.

      Eines Tages erschien in dem Salon ein Kunde, dem Marian die Haare schneiden sollte. Es war ein Mann um die vierzig, hatte lange, leicht ergraute Haare, ungewöhnlich hellblaue Augen, die bei seiner gebräunten Haut sehr großen Eindruck machten.

      Die beiden schauten einander wie verzaubert an.

      Jean war ein bekannter Pariser Marchand, reich, charmant und sehr beliebt in der Gesellschaft. Er hat sich bis zum Wahnsinn in den schönen Polen verliebt, verwöhnte ihn, überschüttete ihn großzügig mit Geschenken, und schon bald wohnten sie zusammen in einer eleganten Villa. Er hat ihm gute Bücher zum Lesen empfohlen, machte ihn mit der Kunst bekannt, lehrte ihn die Malerei zu betrachten, ging mit ihm ins Theater, in die Konzerte. Marian nahm alles an und lernte bei ihm die Gesellschaftselite kennen. Er beobachtete alle sehr aufmerksam, lernte von ihnen vornehme Manieren. Am Anfang fühlte er sich unter ihnen unwohl, aber schon nach kurzer Zeit wurde er mehr selbstsicher. Er schenkte Jean große Liebe und bewunderte ihn in allem. Jean war geschieden und hatte zwei erwachsene Kinder, die nichts von ihm wissen wollten, aber nicht wegen seiner Homosexualität. Sie nahmen ihm übel, er wäre zu ihrer Mutter sehr schlecht und hätte sie in den Alkoholismus getrieben. Es war jedoch nicht wahr. Er bemühte sich sogar, ihr zu helfen von der Sucht wegzukommen, besorgte ihr die Aufenthalte in der besten Klinik. Alles war umsonst, sie wollte ihn!

      Als er sie heiratete, wusste er nicht, dass es ein großer Fehler war. Erst nach Jahren wurde es ihm bewusst, wer er wirklich war, wollte nicht mehr mit der Lüge leben und bat sie um die Scheidung.

      Marian blühte in seinem Beruf auf, hatte schon seine Stammkundschaft, einen großartigen Partner, die Liebe, das Geld und die Anerkennung. Aber langsam begann er etwas zu vermissen, Polen. Er hatte immer größeres Heimweh nach Warschau. Es waren sieben Jahre vergangen seit dem Tag, als er aus dem Zug auf dem Bahnhof in Paris ausgestiegen war. Zwar besuchten ihn oft Maja und Waldemar und einmal sogar seine Mutter mit Janna, aber das reichte ihm nicht. Er beschloss zurückzukehren.

      -Willst du mich verlassen? Hast du es hier schlecht? Hier fehlt es dir doch an nichts. - fragte Jean mit besorgter Miene und streichelte dabei zärtlich seine Wange.

      - Doch, es fehlt mir das Eine, meine Heimatstadt.-

      Zusammen haben sie die Rückkehr besprochen. Sie gaben eine Abschiedsparty für alle Kollegen aus dem Salon. Der Chef war untröstlich, einen so talentierten Mitarbeiter zu verlieren.

      Danach packten sie das Auto und fuhren los.

      In Warschau hat Jean eine wunderschöne Wohnung für seinen Liebsten gekauft und beschloss, so oft wie möglich hierher zu fliegen.

      Marian hat sehr schnell Arbeit in einem der besten Salons in der Stadt gefunden. Seine Mutter sah er sehr oft, sie kam zu ihm nach Hause zusammen mit Janna, die jetzt schon erwachsen war und Tiermedizin studierte. Als die Mutter versuchte mit ihm über den Vater zu sprechen, veränderte sich sofort sein Gesichtsausdruck, und er unterbrach das Gespräch. Er gab das Geld nur für das Nötigste aus, und den Rest legte er an die Seite. Er brachte aus Frankreich eine ziemlich große Summe mit, aber um seinen Traum zu realisieren und einen eigenen Salon zu eröffnen, brauchte er mehr.

      Jean wollte ihm das Geld dafür geben, aber er lehnte ab. Er wollte lieber mit eigener Arbeit sein Ziel erreichen, das er sich schon damals, als er im Salönchen seines Vaters die Haare fegte,


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