Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe. T.D. Amrein
sah ihn erstaunt an. „Sie haben das gefunden? Wie schrecklich, können Sie überhaupt noch schlafen. Das muss ja furchtbar sein.“
Mitleidig sah sie ihn an.
Merz freute sich über das Mitgefühl, das sie zeigte. Seine Hemmung zu sprechen schwand. „Ja, das war grausig. Ich finde keine Ruhe mehr. Deshalb bin ich auch schon draußen. Sonst schlafe ich gerne etwas länger.“
Sie sah in an. „Das sollten doch Ihre Ferien sein? Die sind jetzt verdorben?“
„Ich will mich nur noch ein wenig erholen. Dann fliege ich nach Hause“, bestätigte er.
„Eigentlich wollte ich hier einen Mann finden.“ Er kramte das Foto von Dornbach aus seiner Jackentasche und legte es vor ihr auf den Tisch.
Sie musterte das Bild. Dann nahm sie es in die Hand, betrachtete es genauer. „Der hat vor einigen Tagen bei uns gewohnt. Er spricht auch deutsch, ich erinnere mich genau. Moment“, sagte sie und verschwand hinter einer Tür.
Merz blieb zurück, wie vom Donner gerührt. Dornbach hatte hier gewohnt. Wieder fand er ohne Mühe etwas heraus, nachdem er die Suche bereits aufgegeben hatte.
Sie kehrte zurück, schwenkte ein Papier in der Hand. „Wir machen von ausländischen Gästen immer eine Kopie vom Ausweis. Sehen Sie?“
Merz blieb für einen Moment sprachlos. Der Reisepass von Dornbach. Zwar stand Jens Müller als Name drin, aber das Foto zeigte eindeutig seinen Mann.
Merz stotterte leicht: „Können Sie mir das überlassen?“
„Ich kann Ihnen eine Kopie davon machen, wenn Sie wollen, das ist kein Problem“, sagte sie und verschwand wieder.
Kurz darauf legte sie ihm das Papier hin. „Sind Sie vielleicht ein Detektiv oder sogar von der Polizei?“
Merz wehrte ab: „Aber nein. Ich möchte ihn aus persönlichen Gründen sprechen. Ich habe zufällig erfahren, dass er hier in der Nähe Urlaub macht.“
Sie gab sich damit zufrieden, und Merz zog sich zurück auf sein Zimmer. Viel länger hätte er sich nicht mehr beherrschen können. Er wollte ihr aber nicht zeigen, wie sehr sie ihm geholfen hatte. Er trommelte mit den Fäusten auf sein Bett. Am liebsten hätte er laut gebrüllt. Das kam jedoch, um bei den anderen Gästen nicht aufzufallen, nicht in Frage.
„Jetzt habe ich dich!“, murmelte er vor sich hin. „Dornbach oder Müller hat ausgespielt.“
Damit lag der Beweis, den Reuter brauchte, vor ihm. Etwas Besseres hätte er gar nicht finden können.
Dornbach war am Leben. Er reiste unter falschem Namen. Er konnte nicht mehr behaupten, dass er nur zufällig überlebt hatte. Mit diesem Papier hatte Merz sein Ziel mehr als erreicht.
Eine Euphorie überkam ihn. Für einen Moment dachte er nicht mehr an die Leiche, sondern fühlte sich rundum zufrieden.
Er legte sich auf sein Bett. Das Papier behielt er dabei in der Hand, und überlegte sich, wie er weiter vorgehen wollte.
Ich muss sofort nach Frankfurt. Der Kommissar wird Augen machen. Das Mädchen vom Hotel kann mir einen Flug buchen. Das reicht vielleicht sogar noch für heute, überlegte er.
Andererseits wollte er jedoch nicht auffallen. Sie könnte Fragen stellen, wenn er derart Hals über Kopf abreiste.
Also fliege ich morgen, entschloss er sich. Ich muss ja auch noch das Boot zurückgeben. Und außerdem kann ich mich auch noch ein wenig erholen. Merz entspannte sich zusehends. Wie schön, einfach ein wenig zu liegen und seinen Erfolg zu genießen.
Kurz vor Mittag suchte er erneut den Empfang auf. Er hatte sich Notizen gemacht, was die junge Dame für ihn organisieren sollte. Einen Flug nach Frankfurt buchen. Nachfragen, wann er die Fähre nach Kristiansand besteigen konnte. Diesen Krag anrufen, damit der sein Boot abholte.
Sie versprach, alles zu erledigen.
Merz genoss danach ein üppiges Mittagessen, das ihn für die letzten Tage entschädigte. Den Nachmittag verbrachte er damit, das Boot von dem schwarzen Pulver zu befreien, das er für die Suche nach Abdrücken verwendet hatte. Seine Vorräte und das Angelzeug verschenkte er an die Dame vom Hotel. Er mochte es nicht diesem Krag überlassen.
Sie hatte ihm inzwischen einen kompletten Fahrplan für den nächsten Tag erstellt. Um neun Uhr legte die Fähre ab. Noch am Nachmittag würde er in Frankfurt landen.
Er brach an diesem Abend zu einem ausgedehnten Spaziergang auf. In einem schönen Restaurant am Meer gönnte er sich eine halbe Flasche Wein. Er trank äußerst bedächtig. Flirtete dazwischen kurz mit der Bedienung. Danach beobachtete er lange das Spiel der Wellen. Die gute Stimmung hielt noch an.
Nach seiner Rückkehr ins Hotel konnte er sogar in Ruhe schlafen.
Um halb acht wurde er geweckt, wie er es gewünscht hatte.
Zum Frühstück erhielt er frischen Kaffee, die Empfangsdame leistete ihm Gesellschaft. Endlich verriet sie ihm auch ihren Namen: „Ich heiße Lara.“
Merz bat sie, ihn Erich zu nennen. Inzwischen fühlte er sich sehr zu ihr hingezogen. Aber er hatte ja schon eine Frau zuhause.
Lara war sehr nett zu ihm gewesen. Vielleicht ist es besser, dass ich jetzt gehe, spürte er.
Er erhielt zum Abschied Küsse auf die Wangen, die er erwiderte.
Sie roch gut. Und fühlte sich noch besser an. Merz musste sich zusammenreißen, sie nicht auch noch auf den Mund zu küssen.
Endlich legte die Fähre an. Merz ging an Bord und die frische Luft, die ihm um die Nase wehte, vertrieb die Erinnerung an Lara ein Stück weit. Es lag an der Euphorie, dachte er. Aber nicht nur. Dass er bei einem so jungen Kätzchen noch Chancen zu haben schien, fand er beruhigend.
Bald darauf saß er im Flugzeug, ohne Probleme erreichte er Oslo, wo er nur eine Stunde warten musste, um in die Maschine nach Frankfurt umzusteigen.
Die ganze Zeit malte er sich aus, was der Kommissar sagen würde, wenn er mit seinem Papier ankam.
Dazwischen schlich sich ab und zu auch ein Gedanke an diese Lara ein. Merz versuchte, sie aus seinem Kopf zu verscheuchen. Er würde kaum noch einmal nach Norwegen fahren. Auch nicht für Lara. Leicht fiel ihm das jedoch nicht.
***
Schließlich landete Merz in Frankfurt. Er holte seinen Koffer vom Fließband, um gleich danach Kommissar Reuter anzurufen. „Guten Abend Herr Kommissar. Wie geht’s?“, sagte er in den Hörer, nachdem man ihn verbunden hatte. Merz platzte fast, vor Stolz. „Sind Sie in Ihrem Büro, heute? Ich bin am Flughafen, kann ich Sie kurz besuchen?“
Reuter gab sich, wie erwartet, erstaunt über seinen Anruf aus Frankfurt. „Sie sind schon zurück? Haben Sie etwas herausgefunden?“
„Ja, Herr Kommissar. Aber ich möchte Ihnen das gerne zeigen. Am Telefon kann ich das nicht erklären.“
„Na gut, dann kommen Sie. Ich bin da“, antwortete Reuter.
Merz schnappte sich in ein Taxi. „Bringen Sie mich zum Polizeipräsidium!“, wies er den Fahrer an. Die Art, wie Merz auftrat, ließ kaum Zweifel aufkommen, dass er eine wichtige Person darstellte.
„Danke, ich kenne den Weg und ich werde von Kommissar Reuter erwartet“, ließ er am Empfang fallen. Ungehindert eilte er zum Büro des Kommissars.
Beschwingt trat er ein, ein Siegerlächeln im Gesicht. Reuter gab ihm die Hand. „Hallo Erich. Sie scheinen ja sehr erholt zu sein. Wie waren die Ferien in Norwegen?“
Für einen Moment verschwand die Freude aus dem Gesicht von Merz. „Die Ferien verliefen nicht so besonders. Aber davon erzähle ich Ihnen später, Alois. Zuerst sehen Sie sich bitte das hier an!“
Er legte ihm die Kopie des Passes auf den Schreibtisch. Reuter nahm das Papier in die Hand, um es sich genauer anzusehen „Wie sind Sie daran gekommen? Das könnte ja Dornbach sein.“
„Das