Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe. T.D. Amrein

Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe - T.D. Amrein


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      Hartmut hatte stets betont, dass ihm nichts passieren würde. Er behauptete, nach dem Krieg auch einige Zeit für die Besatzer gearbeitet zu haben.

      Dornbach hielt das für Unfug. Aber egal. Hauptsache, er erhielt von ihm die Dokumente, die er brauchte.

      Sie waren natürlich längst nicht die Einzigen gewesen, die im Land geblieben waren. Jedoch hatte die Zeit, langsam aber stetig, die Mitglieder ihrer verschworenen Gemeinschaft reduziert.

      Im direkten Auftrag des Reichssicherheitshauptamtes beaufsichtigten sie, sogenannte Lagertransporte. Getarnt als normale Reichsbahnangestellte.

      Im Umkreis von Novak und Eichmann, ihren Vorgesetzten, wurde niemals in der Öffentlichkeit über die Arbeit gesprochen. Und die ständige Geheimhaltung hatte es mit sich gebracht, dass ihre Klarnamen, Dornbach und Schulz, nirgends auftauchten.

      Auf jeden Fall hatte sich bis dahin, niemand um ihre Vergangenheit gekümmert. Dornbach blieb jedoch, im Gegensatz zu Schulz, wachsam. Denn es gab immer noch Zeugen, die ihn verraten konnten. Juden, die die Lager überlebt hatten.

      Dornbach bekleidete keine öffentlichen Ämter oder übernahm irgendeinen Vorsitz in Vereinen. Selbst wenn er eingeladen wurde, ging er nur selten hin. Zu groß die Angst, er könnte von jemandem erkannt werden.

      Von den vielen, die er in die Hölle begleitet hatte, dürften die meisten bereits nach kurzer Zeit tot gewesen sein. Aber zu Ende des Krieges wurden doch einige befreit. Vor denen musste er sich zeitlebens in Acht nehmen. Er wollte gerne in der Heimat bleiben und nahm es in Kauf, sich nie ganz frei bewegen zu können.

      Außerdem hatte er stets sorgfältig darauf geachtet, dass keine Fotos von ihm existierten.

      ***

      Für diese Reise hatte er eine doppelte Postkarte vorbereitet, wie sie unter Kameraden immer noch üblich war. Mit einem unverfänglichen Gruß auf der Rückseite. Dazwischen, im verklebten Teil, die eigentliche Nachricht. „Hartmut, ich sitze heute um zwölf auf der Bank im Park. Triff mich, wenn du kannst.“

      Um welchen Park es sich handelte, wusste der Adressat natürlich. Dornbach würde sich an mehreren Tagen um diese Zeit dort aufhalten, falls Schulz nicht kommen konnte.

      Wenn die Nachricht in falsche Hände geraten sollte, konnte man mit den Zeitangaben wenig anfangen. Auch gestern war einmal heute gewesen.

      Dornbach würde die Karte selbst in den Briefkasten werfen, ohne Briefmarke. Damit wusste der Empfänger, dass er bereits vor Ort war.

      Alles funktionierte seit vielen Jahren genauso, wie sie es einmal gelernt hatten. Dornbach suchte sich ein kleines Hotel in der Stadt. Gleich am nächsten Morgen wollte er die Karte einwerfen. Er reiste natürlich jetzt unter seinem neuen Namen, Jens Müller. Aber in Deutschland musste er seinen Pass nirgends zeigen. Die Hotels zahlte er immer im Voraus. Bisher hatte er keinerlei Schwierigkeiten gehabt.

      In aller Frühe spazierte er am Haus von Schulz vorbei. Niemand zu sehen, wie er das erhofft hatte. Beruhigt las er den vertrauten Namen, als er die Karte in den Kasten legte.

      Gutgelaunt kehrte er in sein Zimmer zurück. Als er später zum Frühstück erschien, deutete nichts darauf hin, dass er schon einen Spaziergang hinter sich gebracht hatte.

      Gegen Mittag schlenderte er in den kleinen Park, wo er sich wie angekündigt, auf einer Bank niederließ.

      Genau um zwölf erhielt er Gesellschaft. „Gehen wir ein Stück?“, fragte Hartmut Schulz leise.

      Wortlos stand Dornbach auf. Langsam schlenderten sie auf den nahegelegenen Wald zu. „Wie geht’s dir?“, fragte er schließlich.

      Hartmut nickte. „Ich bin ganz zufrieden. Seit acht Jahren bin ich jetzt in Rente. Meine Frau ist auch noch gesund, was will ich mehr?“

      „Das höre ich gern!“, gab Dornbach zurück.

      „Und du? Bist du in Schwierigkeiten?“

      „Hast du nichts davon gehört? Man hat mir Kokain untergeschoben. Ich glaube, der Mossad ist hinter mir her. Ich musste meinen Abgang inszenieren.“

      „Davon weiß ich nichts. Ich lese schon lange keine Zeitungen mehr, die schreiben ja doch nur Mist“, brummte Schulz.

      „Ich brauche eine neue Identität“, sagte Dornbach. „Hast du die Verbindung noch?“

      „Ja, natürlich. Aber ich habe dir doch Pässe besorgt? Hast du die nicht mehr?“

      „Die sind fürs Ausland gedacht. Aber wenn mich der Mossad sucht, muss ich in Deutschland bleiben. Nur, hier hilft mir ein Pass allein wenig. Ich brauche auch einen Führerschein und eine Geburtsurkunde. Kannst du das besorgen?“

      „Hm, dann brauchst du eine komplette Geschichte. Das wird teuer. Hast du Geld?“

      Dornbach drückte ihm ein Kuvert in die Hand. „Da hast du zwanzigtausend Mark. Wenn es nicht reicht, zahle ich den Rest nach. Geld habe ich genug. Ich brauche absolut saubere Papiere. Egal, wenn sie noch mehr kosten. Im Umschlag findest du übrigens auch aktuelle Passbilder von mir.“

      Schulz steckte das Kuvert in seinen Mantel. „Wie erreiche ich dich, wenn alles fertig ist?“

      „In genau zwei Wochen bin ich wieder hier im Park. Dann sehen wir uns“, antwortete Dornbach.

      „In Ordnung. Mach’s gut, Willhelm.

      „Du auch“, gab Dornbach zurück. Er war sehr zufrieden. Nicht auszudenken, wenn der Fälscher inzwischen gestorben gewesen wäre. Wie hätte er einen Neuen zu finden sollen? Jetzt konnte er sicher sein, an beste Dokumente zu kommen, mit denen er in Deutschland leben konnte.

      Das Schwierigste ist schon geschafft. Jetzt kann ich mir einen Alterssitz suchen, dachte er gutgelaunt.

      Er hatte eine Gegend im Schwarzwald im Visier. Dort kannte er einsam gelegene Ferienhäuser. Darunter auch solche, die man im Winter bewohnen konnte. Im Schwarzwald war man vor Neugierigen schon allein durch die abgelegene Gegend ziemlich sicher. Er dachte auch daran, sich wieder Hunde zuzulegen. Dann wäre er nicht ganz allein, und außerdem würden ihm die Viecher das Pack vom Leibe halten.

      Nach ein oder zwei Jahren würde ohnehin keiner mehr nach ihm suchen. Die Leute vergessen schnell. Der Wirbel, den sein „Tod“ verursacht hatte, würde schon bald niemanden mehr interessieren. Dann konnte er wieder reisen. Auch ins Ausland. Vielleicht kaufe ich mir ein kleineres Schiff, das ich allein führen kann, überlegte er weiter. Damit könnte er auch wieder zum Angeln fahren, wenn er wollte, oder ganz einfach auf Flüssen und Kanälen in ganz Europa unterwegs sein.

      ***

      Wie ausgemacht, saß Dornbach zwei Wochen später wieder auf der gleichen Bank im Park.

      Hartmut Schulz gesellte sich zu ihm.

      „Hast du etwas Brauchbares bekommen?“, fragte Dornbach.

      „Ja, du hast Glück. Ein Mann etwa in deinem Alter. Er lebt in Südamerika mit einer Tochter. Mit zwanzig ist er ausgewandert. Aber seit ein paar Jahren ist er durch einen Unfall schwerbehindert. Er wird von seiner Tochter gepflegt. Sie ist damit einverstanden, seine Identität zu verkaufen.

      Er kann ohnehin nicht mehr sprechen, lebt nur noch in seiner eigenen Welt. Sobald er stirbt, wird er still und leise begraben. Die Behörden werden nichts davon erfahren. Solange er lebt, verlangt sie zehntausend Mark im Jahr. Seine Medikamente kosten viel Geld. Danach, reichen ihr zweitausend zum Leben.

      Das Konto findest du in den Unterlagen. Solange du zahlst, wird sie schweigen. Sie ist arm.

      Du bekommst seinen letzten Pass mit deinem Foto. Ein Ausreisestempel ist auch drin.

      Die Geburtsurkunde und sogar seinen echten Führerschein habe ich dir dazugelegt. Natürlich mit deinem Foto. Den argentinischen Lappen kannst du ganz einfach gegen einen deutschen umtauschen.

      Beim Pass musst du anders vorgehen. Kurz bevor er abläuft, musst du ihn als verloren melden. Mit der Geburtsurkunde kannst du dann


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