Nela Vanadis. Nina Lührs

Nela Vanadis - Nina Lührs


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in der ersten Zeit der Kenning seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenken, damit aus ihnen schnellstmöglich gute Alvaren werden. Es wäre eine Schmähung, wenn das Bündnis Forsetis nur eine unzureichende Stellung innerhalb der Alvarengemeinschaft einnehmen würde.“

      Dankbar für die Möglichkeit, die Syn ihm bot, diesen Ausritt rasch zu beenden, beteiligte er sich an dem Gespräch. „Ihr habt Recht, Syn. Wie konnte ich meinen Schüler nur vergessen. Ich sollte möglichst bald zurückkehren und ihn unterweisen.“

      „Das muss doch nicht sofort sein. Gönnt Tristan doch eine kurze Pause von der kräfteraubenden Kenning. Außerdem wird er Lunela voraus sein“, gab Gersimi betulich zu bedenken. Als ob sie es wirklich interessierte, wie es den Elhazen während ihrer Kenning erging! Das Einzige, was Gersimi in diesem Moment beabsichtigte, war, diesen Ausritt nicht abzubrechen, der ihr überaus zusagte. Sie genoss die Möglichkeit, Syn fortwährend vor ihm bloßzustellen, machte seiner Verlobten überaus deutlich, dass sie ihren Verlobten nicht kannte, nicht die richtige, zukünftige Gemahlin an seiner Seite war. Was Jarick betraf, wollte er weder Syn noch Gersimi als seine Gemahlin, denn ihm widerstrebte nicht nur der Gedanke an eine vertraglich geregelte Muntehe, sondern auch die Tatsache, einer Fremden die Rechte der Gemahlin innerhalb seiner Sebjo einzuräumen. Es würde das Leben seiner Lidam, seiner Minamia und auch seines drastisch ändern.

      „Kein Kenninger lernt gleich schnell, Gersimi. Eure Sorge um Lunelas möglichen Rückstand ist daher unbegründet“, klärte Jarick sie ungehalten auf.

      „Gewiss, Meister“, spottete Gersimi erheitert, bevor sie ihre Hand beschwichtigend auf seinen Oberschenkel legte.

      „Gersimi, Euer Gebaren ist überaus ungehörig“, entfuhr es Syn erbost. Daraufhin lachte die Vanin erheitert.

      Flink ergriff Jarick ihre Hand, hielt damit Gersimi Einhalt, sich weiter zu seiner intimen Stelle vorzutasten, die nur noch eine einzige Frau berühren durfte. Die Erkenntnis überraschte ihn nicht, aber brachte zugleich auch Schwierigkeiten mit sich. Wenn Odin ihn zwang, sich mit Syn zu vermählen, würde er seiner Pflicht als Gemahl nachkommen können. In der lysanischen Gesellschaft war es üblich, nicht monogam zu leben. Denn Liebe galt als ein lästiges, schwächendes Leiden, von dem sich jeder Vorderer hüten sollte. Jedoch verspürte er den übermächtigen Drang, seiner Minamia treu zu sein, auch wenn sie sich nicht mehr näher kommen durften.

      „Gersimi, Ihr vergesst Euch!“, ermahnte Jarick seine einstige Mätresse kühl.

      „Seit wann seid Ihr so zurückhaltend?“, stichelte Gersimi mit einem anzüglichen Grinsen. „Ich erinnere mich an Situationen mit Euch, die Syn gewiss die Schamesröte ins Gesicht triebe, wenn sie davon erführe. Allerdings sollte ich sie vielleicht vorwarnen, damit sie weiß, was auf sie zukommt, sobald sie Eure Gemahlin wird.“

      „Gersimi“, fuhr Jarick sie an, „mäßigt Eure Zunge!“ Er besaß augenblicklich keine Geduld für Gersimis intrigantes Benehmen. Zudem wollte er sich auch nicht wortgewandt auf einen Schlagabtausch einlassen.

      „Fürchtet Ihr Euch etwa, dass Eure Zukünftige schockiert sein könnte?“, bemerkte Gersimi spitz.

      „Nein, eher über Eure Unverfrorenheit, Euch in Angelegenheiten einzumischen, die Euch nichts angehen“, erwiderte Jarick aufgebracht.

      Ein selbstgefälliger Zug kräuselte ihre Lippen. „Ihr wisst doch, ich mische mich überaus gern in fremde Angelegenheiten ein.“

      Ihr herausfordernder Blick schürte in ihm den Verdacht, dass Gersimi nicht mehr über ihre Affäre sprach, sondern etwas im Schilde führte. Aber was führte sie im Schilde? Wollte sie mit einer perfiden Intrige Syn bei Odin in Ungnade fallen lassen, damit der Allvater die Asin nicht länger seinem Enkel zur Gemahlin geben wollte? Gersimi war eine Meisterin in Ränkespielen. Er musste auf der Hut sein, denn Gersimi gaukelte wieder einmal. Nur welches Spiel spielte sie? Wen hatte sie zu ihren Spielsteinen auserkoren?

      „Gersimi, Ihr seid ein liederliches Fräulein. Niemals hätte ich erwartet, dass Ihr Euch derart vergesst“, entfuhr es Syn erzürnt.

      „Liederlich?“, funkelte Gersimi die Asin pikiert an.

      Nun brach ein Wortgefecht zwischen den beiden Lysaninnen aus, die sich auf seiner Burg selbst eingeladen hatten und seine Gastfreundschaft und ihn uneingeschränkt in Anspruch nahmen. Schnellstmöglich sollte sein unerwünschter Besuch wieder abreisen. Er musste sich uneingeschränkt um Nela kümmern, stattdessen gab er den charmanten Gastgeber und ließ sich von Gersimi für ihre Intrige gegen Syn benutzen.

      Mit einem kurzen Befehl beendete Jarick vorerst das unbedeutende Gezanke. Beide Lysaninnen sahen ihn an, allerdings schaute nur Syn betreten drein. „Wir kehren zur Burg zurück. Zudem halte ich es für ratsam, dass Ihr Euch bis zu Eurem baldigen Aufbruch aus dem Weg geht.“

      Ohne auf eine Zustimmung zu warten, trieb Jarick Samru an. Während er rasch über die Wiesen zur Burg galoppierte, machte er sich nicht die Mühe, nach hinten zu blicken. Es war ihm einerlei, welche weiteren Hässlichkeiten sich die beiden Frauen an den Kopf warfen oder welche Verletzungen sie sich gegenseitig zufügten.

      Als er den Burghof erreichte, drosselte er Samrus Tempo. Noch bevor der Hengst zum Stillstand kam, schwang er sich aus dem Sattel. Eilig rannte er die wenigen Stufen zum Wohnturm hoch. An der Treppe zu den Gemächern traf er auf Tristan. „Schon zurück? Ich bin auf den Weg zu Nela“, begrüßte ihn sein Schüler.

      „Ich begleite dich.“

      Als er die erste Stufe betrat, berührte ihn zaghaft eine kühle Hand. „Verzeiht! Ich wollte Euch nicht verärgern“, sagte Syn niedergeschlagen.

      „Euch trifft keine Schuld, Syn. Allerdings ersuche ich Euch, meine Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch zu nehmen. Wie Ihr bereits erwähntet, muss ich mich um mein Bündnis kümmern.“

      „Selbstverständlich“, verneigte sich Syn pflichtgemäß. „Ich werde noch in dieser Stunde nach Asenheim zurückkehren. Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft.“

      „Möge das Schicksal Euch wohlgesonnen sein“, verabschiedete Jarick sie höflich.

      Der Ase sah seiner aufgezwungenen Verlobten hinterher, als sie sich langsam entfernte. Sein Blick flog durch das Foyer der Burg. Gersimi war nirgends zu sehen, jedoch spürte er ihre Aura auf dem Burghof. Sie tat ganz gut daran, ihn nach ihrem ungebührenden Benehmen zu meiden.

      Gemeinsam mit Tristan erklomm er die Stufen und ging den Korridor entlang, der zu Nelas Kemenate führte. Die Unruhe, die er bereits am Morgen gespürt hatte, kehrte zurück. Ein drohendes Unheil lag in der Luft. Ganz konnte er diese Bedrohung nicht benennen, es war nur ein Gefühl, das sich in seinem Innern mit jedem Schritt verstärkte. Doch als er vor Nelas Tür stand, bemerkten seine lysanischen Instinkte, dass sie sich nicht in ihrer Kemenate befand.

      Unbeherrscht stieß er die Tür auf. Entsetzt starrte er in das Gemach. Hedda lag bewusstlos neben dem gedeckten Frühstückstisch. Von Nela fehlte jede Spur.

      „Hedda!“, kniete Tristan sich neben die Magd und berührte sie sanft an der Schulter. Doch das Mädchen reagierte nicht. Jarick trat an den Tisch heran, nahm einen Becher in die Hand und roch daran. Seine Hand ballte sich zur Faust, als er den schwach süßlich-bitteren Geruch des Giftes wahrnahm.

      „Dämmerschlaf“, benannte Jarick den geschmacklosen Trunk.

      „Nela antwortet nicht“, entfuhr es Tristan entsetzt.

      „Sie kann nicht. Der Dämmerschlaf hüllt ihren Geist ein. Wir müssen warten, bis die Wirkung nachlässt.“ Es fiel Jarick schwer, die Worte auszusprechen und sich selbst zu einem kühlen Vorgehen zu zwingen. Unüberlegte Handlungen würden Nela nicht retten, sondern ihre Lage noch verschlechtern. Zwanghaft kämpfte Jarick gegen sein rachedurstiges Lysanen-Ich. Keineswegs durfte er die Kontrolle über sich verlieren und jedem, dem er auf der Suche nach seiner Minamia begegnete, seinen Zorn spüren lassen.

      „Sie muss noch auf der Burg sein.“

      „Nein“, enttäuschte Jarick seinen Schüler. Er konnte Nelas Aura nicht spüren. Jarick sah


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