Eternumity. Stephan Schöneberg

Eternumity - Stephan Schöneberg


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Tatsache starben viele Menschen, gerichtet durch die Kirche oder im Namen von ihr. Der Entdecker des heliozentrischen Weltbildes, Galileo Galilei, wurde erst im Jahre 1992, 351 Jahre nach seinem Tod, von dem Vorwurf der Ketzerei offiziell freigesprochen. Im Jahre 2008 erklärte sich die Kirche erneut, indem sie behauptete, dass das Urteil gegen Galileo Galilei nicht vom damaligen Papst unterzeichnet wurde und er daher nicht von höchster Instanz der Ketzerei für schuldig befunden wurde, weswegen auch kein Freispruch erfolgen musste. Galilei hatte noch Glück, seine Kerkerhaft wurde nach wenigen Wochen beendet und in Hausarrest umgewandelt. Dies ist nur eines der vielen negativen Beispiele aus tausenden von Jahren Zeitgeschichte, in denen die Kirche aktiver als heute die Geschicke der Menschen zu steuern versuchte. Pastor Lammerz musste zugeben, dass hierbei nicht immer ein glückliches Händchen vorhanden war. Viele, viele Menschen sind durch die Vertretung des himmlischen Glaubens auf der Erde, namentlich der Kirche, gestorben, oder schlimmer noch, einfach hingerichtet worden. Viel Wissen ist verloren gegangen, um den Status Quo der Kirche zu erhalten. Das war nicht richtig. Man kann die Zukunft nicht aufhalten. Aber … man konnte sie verlangsamen. Dieses Konzept hat Jahrhunderte, Jahrtausende funktioniert. Und wer weiß, vielleicht wird die Kirche auch überdauern. Rudolf glaubte fest daran, genau wie er auch weiterhin an die Existenz von Gott glaubte. Die Kirche war das Haus Gottes. Bei allem Übel, den sie geduldet und auch hervorgerufen hat, war sie auch die Heimat und der Träger vieler Dinge, die es sonst in dieser Form auf der Welt nicht geben würde: Unter anderem Barmherzigkeit, Schutz, Glaube und auch Liebe.

      Er konnte es nicht rational erklären, Glauben ist nicht rational. Entweder man glaubt, oder man glaubt nicht. Aber, würde er auch der Versuchung widerstehen, in das irdische Leben nach dem Tod einzutreten, oder würde er den Mut finden zu sterben? Für ihn gab' es keine Zweifel, es gibt ein Leben nach dem Tod. Nicht hier auf der Erde, sondern … … irgendwo. Die Seele bleibt unsterblich.

      Wie auch immer, er benötigte Hilfe. Nicht für sich, sondern für das Gespräch mit Sylvia Limbach. Rudolf war schließlich ein durch und durch weltlicher Mensch, der Computer oder Ähnliches nur selten benutzte. Er konnte gar nicht mit diesen ... Dingern umgehen. Aber ... er war ein Mensch, der seine Versprechen hielt. Zum Glück hatte er nicht versprochen, dass er nicht mit anderen Menschen über die gestrige Begegnung sprechen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass sein junger Freund Max den Sohn von Sylvia Limbach kannte, war sehr, sehr gering. Er konnte ihn also gefahrlos einweihen, nachdem er kurz mit seinem Vater gesprochen hatte. Max war 15 Jahre alt. Sie spielten gelegentlich zusammen Tennis und verstanden sich recht gut. Und … Max war der Computerfreak in seiner Familie. Er sprach und traf öfters Menschen aus der zweiten Welt. Viele seiner Omas, Opas, Uromas und was-weiß-sonst-noch-wer-für-Urahnen trafen sich mehrfach in der Woche mit ihm. Fast passierte dies schon zu häufig, dachte Rudolf gelegentlich. Aber sein Vater Peter meinte, sie hätten das unter Kontrolle. Peter war ein fantastischer Vater. Es gab keinen Grund sich Sorgen zu machen, wenn er sich auch keine machte.

      „Rudi, sprich einfach hier hinein, das ist das Mikro!“,

      Max wirkte leicht amüsiert.

      „Ähm, also … einfach so? Wie denn genau?“,

      Rudolf wirkte leicht verunsichert.

      „Es tut mir leid, Rudi. Wir haben hier noch nicht in jedem Zimmer Richtmikrofone … ach ja, der Computer reagiert auf den Namen 'Vanessa'.“

      „Vanessa?!?“, Pastor Lammerz dachte fast, er hätte sich verhört. Er blickte dabei verwundert in Max' Richtung.

      „Öhm … ja. Es ist einfach nur ein Name ...“, sagte Max etwas verstohlen.

      Gleichzeitig antwortete auch der Computer mit einer weiblichen Stimme: „Ja, wie kann ich dir helfen?“

      Zum Glück hatte Max noch kurz vorher die Stimmerkennung angepasst. Wenn er das nicht getan hätte und ER den Namen 'Vanessa' einfach ausgesprochen hätte, würde sie wahlweise mit 'Ja, mein Meister' oder noch schlimmer mit 'Ja, Liebling' antworten. DAS hätte mit Sicherheit ein paar unangenehme Fragen aufgeworfen. So war zunächst einmal alles in Butter. Der Computer wusste, nachdem Rudolf gesprochen hatte, dass jetzt ein 'Fremder' dabei war und so konnte ab jetzt auch Max übernehmen.

      „Vanessa, bitte überprüfe die folgende Adresse in der zweiten Welt: Rosenweg Sieben, München.“

      Vanessa antwortete: „Dort wohnen Sylvia und Ludwig Limbach, mit ihrem Sohn Niklas.“

      Rudolf nickte bestätigend.

      „Vanessa, seit wann wohnen sie dort?“, fragte Max weiter.

      „Seit vier Wochen“, bekamen Max und Rudolf als Antwort.

      „Nicht länger?“, versuchte Rudolf sein Glück und war verwundert, dass keine Antwort kam.

      „Du musst sie direkt ansprechen“, bemerkte Max.

      „Oh, Okay“, murmelte Rudolf, „Also dann … Vanessa, noch nicht länger?“

      „Nein“, kam die prompte Antwort.

      „Du hast das noch nicht oft gemacht, oder?“, wunderte sich Max.

      „Nein, das ist das erste Mal“, sprach Rudolf etwas verlegen aus. Das dachte sich Max schon, obwohl er es nicht so richtig glauben wollte.

      „Ah ja ...“, witzelte Max, „Soll ich mal übernehmen?“

      „Ja, bitte!“, Rudolf hörte sich an, als ob er darüber mehr als glücklich war.

      „Vanessa, warum wohnen sie erst seit vier Wochen dort? Was kannst du sonst noch so über die Limbachs herausfinden.“

      „Es gibt einen Unfallbericht nur wenige Tage vor dem Einzug. Sie haben vorher, noch als Menschen, in Unterhaching, einem Stadtteil von München gewohnt. Möchtet ihr den Bericht hören?“, fragte Vanessa.

      „Woher weiß sie, dass wir zu zweit sind?“ fragte Rudolf.

      „Das weiß sie nicht“ antwortete Max. „Aber sie hat erkannt, dass wir zwei Personen sind, da sowohl du wie auch ich bisher Fragen gestellt haben. Daher hat sie die Antwort allgemein formuliert. Es könnten noch mehr Personen im Raum sein und trotzdem wäre die Anrede mit 'ihr' richtig.“

      „Unheimlich!“, dachte Rudolf laut nach.

      „Aber nein, nicht wirklich“, bemerkte Max ruhig und gelassen. „Nur ein bisschen annähernd künstliche Intelligenz. Unerfahrenen Computerbenutzern ist das manchmal ein wenig unheimlich, stimmt schon. Aber wenn man genau darüber nachdenkt, ist das eigentlich halb so intelligent, wie man zuerst dachte.“

      Nach einer kurzen Pause fuhr er fort:

      „Ihr Name“, er sprach leiser weiter, damit er nicht als Anrede interpretiert wurde, „Vanessa ist eigentlich nur der Platzhaltername für 'Computer'. Er oder sie ist weder weiblich noch wirklich selbständig. Es ist nichts anderes als eine Art Spiel, wenn man so möchte.“

      „Aha!“, bemerkte Rudolf.

      „Früher hat man die Computer und Programme noch mehr unterteilt. Damals hättest du noch im sogenannten Internet nach einer Adresse gesucht, indem du sie über eine Tastatur eingegeben hast. Heute steuert der Computer vieles im Haus und erkennt zudem, ob du nur zum Beispiel das Licht einschalten möchtest, oder etwas bestimmtes Wissen möchtest. Aber ... mal Spaß beiseite ... du hast noch nie eine Adresse über einen Computer rausgesucht?“

      „Nein, wieso sollte ich? Ich weiß wo welcher Mensch in meiner Gemeinde wohnt“, antwortete Rudolf.

      „Gehören die Bewohner der zweiten Welt nicht auch zur Gemeinde?“, fragte Max neugierig.

      „Das ist eine interessante Frage“, bemerkte Rudolf. „Bisher hat sich noch niemand wirklich bei mir gemeldet - vielleicht haben sie ja in der zweiten Welt auch so etwas wie kirchlichen Beistand?“

      „Nun, darüber reden wir ein andermal - lass uns mal hören, was sie, also der Computer, so über die Limbachs herausgefunden hat, okay?“

      „Ja, gut“, pflichtete Rudolf ihm bei. Er war froh, nicht noch weiter in die Defensive gedrängt


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