Mein ist die Rache. Hannes Wildecker

Mein ist die Rache - Hannes Wildecker


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Tote Clemens entgegenstreckt.

      Clemens torkelt von der Stelle des Grauens weg, will zu seinen Wanderkollegen, will sie vorbereiten auf den Anblick, doch er kommt nicht weit. Er kann sich gerade noch an dem Ast einer Tanne festhalten, um dann seinen Mageninhalt der freien Natur des Hunsrücks zu übergeben.

      2. Kapitel

      „Na, wie gefällt dir dieses Haus, Lisa? Klein aber fein und vor allem vielleicht bald mein. Das würde ich mir zumindest wünschen. Und was am allerwichtigsten ist: Ein Preis, für den sich ein armer Polizist nicht ein Leben lang krummlegen muss.“

      Lisa sagte erst einmal gar nichts. Obwohl es bereits das dritte Haus war, das wir uns in Forstenau ansahen, hatte sie sich nicht einmal richtig dazu geäußert.

      Seit Wochen war ich nun schon auf der Suche nach einem neuen Heim. Das kleine Anwesen, das ich bislang auf Mietbasis bewohnte, hatte inzwischen so viele Macken und Blessuren, dass es auch trotzt der ständigen, provisorischen Reparaturen durch den Eigentümer keine Freude mehr machte, dort noch längere Zeit auszuharren. So hatte ich mir überlegt, mir etwas Eigenes anzuschaffen. Etwas Gebrauchtes, nicht zu teuer, aber mein Eigentum, in dem ich tun und lassen konnte, was mir gefiel, das ich umbauen und einrichten konnte, wie es mir gerade in den Sinn kam.

      Lisa ließ sich nicht so leicht in ein Gespräch über einen geplanten Hauskauf einbeziehen. „Es wird dein Haus, du musst wissen, was du tust!“, sagte sie, wenn ich sie um ihre Vorschläge bat. Auch heute verhielt sie sich nicht anders als sonst. So wagte ich einen Vorstoß.

      „Hallo, mein Schatz, ich möchte doch auch, dass es dir gefällt. Also wäre ich für eine klitzekleine Meinung deinerseits aufrichtig dankbar.“

      Lisa sah mich an. „Heiner Spürmann, was soll ich denn dazu sagen? Es soll doch dein Haus werden und das muss dir ganz alleine gefallen! Du verlangst von mir Entscheidungen wie von einer Ehefrau. Aber ein solches Paar sind wir nicht.“

      „Noch nicht!“

      „Was meinst du mit ‚noch nicht’?“

      „Ich meine … oder anders herum: Würdest du etwa mit mir in dieses Haus einziehen, mit einem weißen Schleier auf dem Kopf, an der Schleppe zupfende Kinder, die auch noch Blumen streuen, begleitet von einem Schwarm von Kollegen, der uns mit Reis bewirft, von dem wir das erste Jahr mühelos leben könnten? Würdest du deine Jugend wegwerfen, nur um mit einem alten Herrn wie mir in diesem Haus wohnen zu können?“

      „Ich verstehe nicht ganz…?“

      „Kannst du auch nicht. Es ist für mich auch das erste Mal, dass ich mich auf dieser Ebene, Fragen zu stellen, bewege.“

      „Kann es sein, dass du mich erpressen willst? Ja genau, jetzt sehe ich klar: Du willst mir einen Antrag machen. Du willst mich in dein neues Haus schleppen, nur, weil es für dich alleine zu groß ist. Du würdest…!“

      „Willst du mich heiraten?“

      Lisa verstummt auf der Stelle. Ich hatte das Gefühl, dass wir beide für einen Moment ganz alleine auf der Welt waren. Ich war selbst überrascht, dass mir diese Worte, die ich schon längere Zeit auf den Lippen hatte, gerade jetzt so unkontrolliert entfuhren. Nicht, dass ich es nicht ernsthaft wollte, aber eigentlich hatte ich dafür einen gänzlich anderen Rahmen schaffen wollen. Und jetzt standen wir vor einem Altbau in Forstenau, von dem ich nicht wusste, ob er für mich geeignet ist, und dann war da, von einem Moment auf den anderen, eine viel größere Entscheidung, der ich, eigentlich ungewollt, den Vorzug gab.

      „Du meinst das ehrlich, oder?“ Lisa sah mich an und ich glaubte zu sehen, dass sie feuchte Augen hatte. „Du meinst das tatsächlich ehrlich!“

      „Ja, ich möchte das wirklich. Was sagst du dazu?“

      Lisa sah mich nachdenklich an. „Wir sollten nichts überstürzen, Heiner. Ich glaube, du bist noch nicht so weit. Noch bist du mit deinem Dienst verheiratet. Weißt du, es ist etwas Anderes für mich, auf dich zu warten und zu wissen, dass ich das eigentlich gar nicht müsste. Diese innerliche Freiheit, verstehst du? Als deine Ehefrau muss ich auf dich warten, da gibt es kein Ausbrechen mehr, auch nicht die Freiheit, die man in Gedanken haben kann. Lass uns noch etwas warten, ja?“

      „Ich bin dir zu alt, stimmt`s? Ich meine, für immer, dafür bin ich dir zu alt?“

      “Nein, Spürnase, du alter Spinner. Alt oder jung ist man im Herzen. Du bist nicht alt. Lass` uns einfach noch eine Zeitlang so zusammenleben. Wir werden schon alles richtigmachen. Und jetzt schauen wir uns das Haus an, komm!“

      Für den Moment resignierte ich. Aber heute, am Abend, würde ich das Thema noch einmal aufgreifen. So leicht sollte Lisa mir nicht davonkommen!

      Lisa hing sich in meinen Arm ein, lehnte ihren Kopf an meine Schulter und drängte mich in die Einfahrt des Hauses.

      Wir hatten uns in den letzten Tagen bereits mehrere Altbauten in Forstenau angesehen. Immobilienkauf in der heutigen Zeit, insbesondere, wenn man ein sanierungsbedürftiges Haus suchte, war kein Problem. Man hatte die freie Auswahl. Alleine in Forstenau standen zu dieser Zeit über zehn alte Häuser zum Verkauf.

      „Das ist der Lauf der heutigen Zeit“, pflegte Dieter Lauheim stets zu sagen. „Die Leute werden immer älter, aber in vielen Fällen ist der Kopf für dieses Alter nicht gedacht. So landet mancher im Pflegeheim und das Haus, in dem er sich alleine eine Zeitlang durchgeschlagen hat, steht zum Verkauf an. Oder aber die alten Leute sterben und die Erben wollen das Anwesen sofort verkaufen. Das Angebot der alten Häuser wird weiter steigen. Wenn diese Häuser keine Käufer finden, werden viele Ortsmittelpunkte nicht mehr das sein, was sie einmal waren. Sie werden aussterben.“

      Lauheim, Kulturbeauftragter der Kreisverwaltung und Mitglied in zahlreichen Gremien, hatte Recht, wie so viele, die das Problem erkannten und mit seinen einundsiebzig Jahren hoffte er insgeheim, dass seine Person von dieser Entwicklung verschont bliebe.

      Die Häuser, die wir uns bereits angesehen hatten, waren entweder zu groß oder bereits zu verfallen. Dieses Haus hier in der Birkengasse würde mir zusagen, das musste ich zugeben. Es machte einen richtig gemütlichen Eindruck, hatte einen kleinen Vorgarten und hinter dem Haus hatte ich einen Rasen gesehen, von dem ich hoffte, dass er zu dem Anwesen gehörte.

      Ich hatte mir heute speziell für die Suche nach meinem neuen Zuhause einen Tag frei genommen und es schien sich auszuzahlen. Noch ehe wir das Haus betraten, fühlte ich mich hier schon irgendwie geborgen.

      Auf mein Läuten öffnete Marlies Berwanger, eine junge Frau. Wir kannten uns. Die Birkengasse lag nur einen Steinwurf von meiner noch aktuellen Wohnung entfernt. Es war die Tochter der ehemaligen Eigentümerin, die vor einigen Monaten an den Folgen ihrer Demenz gestorben war.

      Marlies Berwanger, der man ansah, dass sie in letzter Zeit nicht allzu viel Möglichkeiten hatte, sich richtig auszuruhen, führte uns durch das Haus und ich musste feststellen, dass ich mich hier wohl fühlen könnte.

      „Dort würde ich ein Kinderzimmer einrichten“, bemerkte ich, als wir ein kleines Zimmer mit Blick in die freie Natur, betraten. Ich sah Lisa aus den Augenwinkeln an.

      „Glaubst du nicht, dass das Haus ein wenig zu groß für dich ist?“, überging Lisa meine Bemerkung.

      „Für mich alleine, ja, da hast du sicher Recht. Aber ich will ja nicht alleine hier wohnen.“

      Doch auch Lisa schien das Anwesen zu gefallen, hatte ich den Eindruck.

      „Kuschelig und heimelig“, war ihr Kommentar.

      „Sie müssen allerdings schon einige Euro reinhängen“, meinte Marlies Berwanger. „Das Dach, die Heizung und eventuell auch die Fenster. Aber hier ist alles gepflegt, nicht vergammelt wie in vielen anderen Häusern.“

      Da musste ich ihr Recht geben. Und auch Lisa nickte. Irgendwie stand auch sie jetzt mittendrin und hatte offensichtlich unser Gespräch von eben vergessen, oder aber zumindest in Gedanken beiseite gerückt.

      „Und


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