Das Magische Universum. Christian Sternenfeuer
Nun gut, er hatte nichts Verbotenes getan, geschweige
denn im Sinn gehabt. Doch war sein Vorhaben nicht ungefährlich
und konnte durchaus dunkle Mächte auf den Plan rufen, die nicht
nur ihm, sondern allen, die mit ihm in Kontakt waren, gefährlich
werden mochten. Er suchte die Zutaten für einen Findezauber, den
er unbedingt ausüben musste, um das gestohlene Auge ausfindig
zu machen. Der Schlüssel zu dem ganzen Geheimnis war diese magische
Kristallkugel, die ihm hier auf unbekannte Weise abhanden
gekommen war. Um einen solch außergewöhnlichen Gegenstand
zu orten, benötigte er einen Findezauber der allerhöchsten Klasse.
Unter Umständen reichten seine eigenen magischen Fähigkeiten
nicht aus, um einen geeigneten Spruch auszuüben. Daher war er
auf eine speziell geschaffene Zauberrolle angewiesen, um den Findezauber
zu bewirken. Leider beherrschten nur wenige Adepten
diese spezielle Art von Magie. Er wurde selten verlangt, denn er
war nicht nur außergewöhnlich aufwändig sondern auch unwahrscheinlich
teuer. Der Alchemist Chemicus, ein alter Bekannter, besaß
vermutlich diese Fähigkeit, jedoch weigerte er sich beharrlich, diesen
Zauber anzuwenden. Er besaß sogar die Frechheit, zu behaupten,
dieses Können überhaupt nicht zu beherrschen.
Ärgerlicherweise verliefen alle Bemühungen im Augenblick relativ
fruchtlos, um so mehr schöpfte Stern neue Hoffnung als die
Pangäerin ihm von dieser Beobachtung berichtete. Ja, es stimmte.
Uralte Kräfte ruhten in dem Auge. Es wartete darauf, von Suchenden und
Wissenden eingesetzt zu werden, denn dieses Artefakt existierte
bereits als das jetzige Universum gerade erst geboren wurde.
Hieronymus Sterns wenigen Informationen zufolge, gelangte es
durch eine Raum-Zeit-Verschiebung aus einer anders gearteten Existenz
in die Realität des Magischen Universums. Alle Geschehnisse,
die sich im hiesigen Kosmos zugetragen hatten, wurden vom
Auge seit Anbeginn der Zeit festgehalten. Sie waren auf immer
und ewig in seinem Inneren gespeichert.
Wer die magische Zauberformel kannte, vermochte Bilder aus
jeder Zeit oder von jedem zu Ort betrachten, um sie für sich zu
nutzen. Stern beabsichtigte mit Hilfe der Kugel, die Geschehnisse
der damaligen Entführung zu überprüfen. Er wollte herauszufinden,
wer die Übeltäter waren und wo sich das kleine Mädchen von
damals jetzt aufhielt. Das war die wichtigste Aufgabe, für die er
das Auge brauchte, alle anderen Fragen waren von nachrangiger
Bedeutung. Er hatte Aurelia sein Wort gegeben und würde alles
tun, um es einzuhalten. Die notwendige Zauberformel hatte er
auf einer weiten Reise von den Hütern der Weisheit erlangt. Diese
Welt lag weit entfernt, daher würde es eine große Menge an Sternenstaub
kosten, sollte er diese Welt erneut aufsuchen müssen.
Sein eigener Ehrenkodex verpflichtete ihn jedoch, sein gegebenes
Versprechen einzuhalten. Daher würde er unter allen Umständen
und mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, versuchen,
das Verschwinden von Aurelias geliebter Tochter aufzuklären. Warum
sie soviel Wert darauf legte, war Hieronymus Stern nach ihrer
ersten gemeinsamen Nacht klar geworden. Im leichten Schlaf, nach
einer leidenschaftlichen und erfüllten Liebesnacht hatte sie unruhig
geträumt. Dabei murmelte sie unentwegt immer wieder einen
Namen: »Mylinda, Mylinda – wo bist du? Ich suche dich, mein
Kind. Ich suche dich schon so lange. Wo, wo bist du nur …«
Es war herzergreifend für ihn gewesen. Da war eine Mutter, die
sich aufmachte und keinerlei abenteuerliche Wege scheute, um ihre
einzige Tochter zu suchen und zu finden, koste es, was es wolle.
Auf eine unbekannte, ja geradezu magische Art hatte sie Gewissheit,
dass ihr Kind noch lebte. Um den unbekannten Mächten,
die hinter der Entführung standen, nicht aufzufallen, wählte sie
klugerweise den Weg als Schiffsführerin der Heiligen Kuh. Unglücklicherweise
oder sollte Stern besser von einer glücklichen Fügung
des Schicksals sprechen, kreuzte die Heilige Kuh den Weg
des Sternenteufel. Unbekannte Informanten verrieten ihm den
Kurs und die Ladung des Schiffes. Damit war Aurelia schlussendlich
schneller in Alurien gelandet als sie es sich vorstellen konnte.
Hieronymus Stern schüttelte den Kopf, es schien ihm alles
etwas sehr merkwürdig. Zu einfach wollten sich Puzzleteile ineinander
fügen, zu leicht schien das Ziel erkennbar. Wie von den
Gedanken eines unsichtbaren Spielers gelenkt, fühlte sich Stern
fast wie eine Schachfigur, die auf einem imaginären Spielbrett hin
und her geschoben wurde ohne dass die Hand zu sehen war, die
sie führte. Es mussten noch einige Fragen geklärt werden, bevor
Licht in dieses Dunkel fallen würde, dessen war sich der Kapitän
des Sternenteufel bewusst.
Welche Mächte steckten dahinter und was bezweckten sie?
Was war so wichtig an der Wirtstochter Jolande, die in Wahrheit
die Tochter von Aurelia sein mochte?
Die Fee Mondlicht sowie ihr Begleiter, der Barde Bentus Clovis,
gaben dem Kapitän weitere Rätsel auf. Nicht, dass er glaubte, sie
würden ein unredliches Spiel treiben, nein, das keineswegs. Dennoch
fragte er sich, was die Angehörigen dieses uralten Volkes mit
ihren unbekannten magischen Fähigkeiten in Fuxina wollten?
Hatten sie einen Auftrag für ihr Volk zu erfüllen oder kamen sie
aus eigennützigen Gründen hierher? Nur um das Spiel zu spielen
oder der Welt ihre Existenz vor Augen zu führen?
Wenn er doch nur dieses verdammte Sehende Auge in seinen Händen
hätte, dann würde er auf viele dieser Fragen eine Antwort
erhalten. Nun, wenn er mit dem Alchemisten nicht weiter kam,
musste er es mit jemand anderen versuchen. Irgendein Magier in
Alurien