Ferien, die bleiben. Micky Molken
es war. Es war sein Gesicht. Genauer war es sein Lächeln und der Glanz in seinen Augen. Sie funkelten so - lüstern! Dann nahm er mich in den Arm und drückte mich an sich. Ich wollte es nicht. Doch gut erzogen beugte ich mich seinem Umarmungsdrang. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn, dabei atmete er schwer. Mit Missbehagen löste ich mich von ihm und suchte instinktiv die Nähe meines Dads.
»Passen Sie gut auf Ihre Tochter auf, die Jungs werden Schlange stehen.«
»Keine Sorge, Herr Sappert, solange sie die Füße unter unseren Tisch streckt, Sie wissen schon.«
Dad drückte mich an sich.
»Ja, ein hübsches Ding.«
Unbewusst fuhr Sappert mit seiner feuchten Zunge über seine spröden Lippen. Er lächelte und haftete seinen Blick wie ein Schatten an mich.
»So, hier haben Sie Ihren Schlüssel, für die Wohnung mit Hausnummer sieben.«
Erst jetzt löste er seinen Blick von mir, als er merkte, dass Dad ihm nicht den Schlüssel abgenommen hatte, den er ihn hinhielt. Der nämlich, hatte bereits alle Hände voll zu tun.
»Geben Sie den Schlüssel meiner Frau, ich trage inzwischen die Koffer zur Tür.«
»Oh ja, natürlich. Bitte, junge Dame.«
Sappert strich durch seine dünnen fettigen Haare und legte sie auf eine Seite.
Ich war verwirrt. Sappert reichte mir den Schlüssel. Hatte er irgendetwas nicht mitbekommen? Er sollte doch den Schlüsselbund Mom geben.
»Nein, Herr Sappert, ich bekomme den Schlüssel. Nicht meine Tochter«, fauchte Mom ihn kratzbürstig an. Vorbei war es mit Frieden, Freude, Eierkuchen. Jetzt übernahm sie wieder das Kommando.
»Entschuldigen Sie vielmals, wo bin ich nur mit meinen Gedanken. Ich wünsche Euch einen schönen Aufenthalt.«
Sappert schenkte mir ein gezieltes Lächeln, welches keinesfalls freundlich schien. Ganz im Gegenteil. Mir lief ein eiskalter Schauder über den Körper. Mom riss meinen Blick von ihm.
»Baby, du trägst bitte die kleinen, leichten Sachen ins Haus? Ich werde uns inzwischen aufschließen.«
So übergab Herr Sappert meiner Mom den Schlüssel. Kopfschüttelnd und ohne sich zu bedanken eilte sie voller Vorfreude über die kleinen Treppenstufen hin zur Eingangstür. Dad eilte ihr nach, konnte aber keinesfalls Schritt halten. Er schnaufte als er die Koffer zum Haus trug. Ich schaute Sappert noch nach. Seine Bewegung ähnelte denen eines Pinguins. Wahrscheinlich war es die Hüfte oder das Knie, die ihn so watscheln ließen. Er war alt. Vielleicht antike fünfundsechzig oder siebzig Jahre. Und in einem war ich mir sicher: Ich wollte so wenig wie möglich mit diesem alten Sack zu tun haben. Wild entschlossen schnappte ich mir den größten Koffer. Nicht, weil ich scharf darauf gewesen war, mir den Allerschwersten vorzunehmen. Nein, im Gegenteil. Leider versperrte der große grüne Koffer den Zugang zu den dahinterliegenden kleineren Taschen. Also kam ich nicht umher, mich dieses Schwergewichts anzunehmen. Dad trug zwei Koffer in jeder Hand und eine Tasche unter dem Arm. Ich eilte ihm voll beladen hinterher. Wie ein Packesel schleppte ich mit beiden Händen, den Holzgriff des Koffers fest umklammert. Verdammt war das Ding schwer. Ich hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten. Und fast wäre ich nach vorne übergeschlagen, konnte es aber mit letzter Kraft verhindern. Die Folge wäre eine gehörige Schürfwunde mitten im Gesicht gewesen. Na, das wäre was geworden. Dad schaute sich um.
»Geht es?«
Ich nickte ihm zu.
»Ich komme klar«, schnaufte ich.
Endlich an der Haustür angekommen, stellte ich den Koffer auf der Treppe ab. Im Gegensatz zu Dad. Er hielt an allem fest was er in den Händen trug. Wie ein Gewichtheber stöhnte er auf.
»Die Koffer sind aber verdammt schwer«, versuchte er sich zu erklären.
Mom experimentierte sich an der Tür. Es schien, als hätte sie Probleme. Irgendwie klemmte das beknackte Schloss.
»Anna Maria, lange halte ich nicht mehr stand. Wenn es noch länger dauern sollte, fällt mir alles aus den Händen.« Dad war puterrot und stemmte sich ins Hohlkreuz.
»Erhardt, ich bin schon dabei, wie du siehst. Wenn du es besser kannst, dann bitte«, fauchte Mom ihn an.
Dad zuckte mit schmerzverzerrtem Gesicht und beiden Schultern. Er kämpfte wie ein Löwe. Mit ständigem Nachfassen versuchte er zu verhindern, dass die Koffer ungebremst auf der Erde aufschlugen. Endlich hatte Mom das Rätsel des Türöffnens gelöst. Mit letzter Kraft schaffte es Dad ins Innere des Hauses. Mit einem lauten Aufschrei ließ er die Koffer zu Boden. Darauf griff er sich in die Hosentasche, zog ein Stofftaschentuch heraus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Mom atmete tief durch.
»Urlaub!«
Sie war beschwingt.
»Riechst du das, Erhardt.«
Mom breitete die Arme aus, so als würde sie jemanden umarmen wollen. Abermals atmete sie tief ein.
»Es duftet nach Urlaub.«
Ich fand, es roch nach Gartenlaube. Dad war völlig außer Atem. Er hatte kaum die Kraft, um zu reden. Mom hingegen schon. Sie war voller Tatendrang. Schnell riss sie alle Fenster und Türen zum Durchlüften auf. Der einsetzende Luftzug ließ die Eingangstür zufallen. »Knall!« Ich erschrak und war aber anscheinend die Einzige, die vom lauten Bums der zuschlagenden Tür überrascht war. Ich kniff für eine Sekunde die Augen zu, hielt den Atem an und blieb wie angewurzelt stehen.
»Mom!«, schrie ich sie erschrocken an.
»Ja, Baby?«
»Nichts!«, schwindelte ich und legte die Stirn in Falten.
»Wo ist die Waschtasche? Ich möchte jetzt duschen.«
»Baby, zuerst müssen alle Koffer ausgepackt werden. Und erst danach kannst du gerne duschen gehen.«
»Mom, aber ich stinke!«
Meine Mutter kam zu mir herüber und schnupperte an meinem Oberteil.
»Nein, du riechst nicht.«
»Ich stinke. Ich würde aber jetzt gerne duschen wollen und nicht erst später. Ich fühle mich dreckig.«
Plötzlich klingelte jemand an der Tür.
»Baby, es läutet. Machst du bitte deinem Vater die Tür auf?«
Ach ja, da war ja noch jemand. Erst jetzt bemerkte ich, dass Dad fehlte.
»Ja mache ich, aber danach gehe ich duschen.«
»Danke Schatz!«
Wow! Was war los. Mom bedankte sich bei mir?! Es waren wohl ihre positivgeladenen Urlaubshormone. Mit schnellem Schritt eilte ich zur Tür, um sie zu öffnen.
»Dad, du auch hier und nicht im …« Wollte ich tatsächlich Zoo sagen? Na, das wäre was geworden. Dad hätte es bestimmt nicht lustig gefunden, ich hingegen schon. Tatsächlich sah er wie ein vollgepackter Esel aus. Anstatt das Wort »Zoo« laut auszusprechen, räusperte ich mich und bekam so noch einmal die Kurve.
»Wer macht ständig die Tür zu?«, wieherte Dad wie ein Esel.
»Kommen Sie doch herein!«, sagte ich lächelnd.
»Vielen Dank, junge Dame. Du lächelst, gefällt es dir hier?«
»Absolut! Wie jedes Jahr, Dad«, log ich, damit die Stimmung nicht kippte.
Er trabte an mir vorbei und stellte die Reisekoffer ab.
»So, ihr Lieben. Das Auto ist leergeräumt und sämtliche Koffer befinden sich im Haus. Meine Damen, der Urlaub kann nun beginnen.«
»Und was ist jetzt mit den Koffern? Glaubt ihr etwa, die packen sich von selbst aus?«, warf Mom ein.
Mein amüsantes Lächeln verschwand. Warum musste sie immer so einen Stress verbreiten? Sie sollte sich lieber entspannen.