Ferien, die bleiben. Micky Molken
um sich dann im Nachhinein über die neugierigen Fragen zu beschweren. So war meine Mutter.
»Wo ist Denise eigentlich?«, fragte Mom schnell.
»Hier, direkt neben dir im Auto«, sagte ich leise.
»Sie sitzt bereits im Auto«, sagte Dad laut, sodass Mom es aufschnappte.
»Ach so!«
Dad war schon etwas ungehalten. Ihn packte das Reisefieber, war aber zu höflich, um die Verabschiedung zu beschleunigen, und ließ Mom ihren Spaß.
»Hier ist der Schlüssel Henriette, gut darauf aufpassen. In zehn Tagen sind wir wieder hier.«
»Acht Tage, Mom«, versuchte ich sie zu verbessern. Natürlich hörte Mom mir nicht zu. Tante Henriette nickte.
»Ach, hätte ich das gewusst, dass Sie verreisen, hätte ich auch Ihre Blumen gießen können, Frau Nachbarin.«
Das war zu viel. Entsetzt schaute Mom zur schaulustigen Nachbarin herüber. Es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre in Ohnmacht gefallen. Sie war empört. Was nahm sich dieser ungebetene Zaungast heraus?
»Um Gottes willen nein«, schrie Mom ein Stoßgebet in den Himmel und stieg ins Auto.
»Erhardt, lass uns losfahren«, zischte sie Dad zu, der einen letzten prüfenden Blick zum Haus und zum Grundstück nahm, »Du weißt, wir haben eine lange Fahrt vor uns. Los, nun komm, steig endlich ein.«
Mom knallte die Beifahrertür zu. Dad wuchtete seinen Körper ins Auto, steckte den Schlüssel in das Zündschloss und startete den Wagen.
»Diese Person macht mich wahnsinnig«, fauchte Mom.
Dads Körpersprache sagte, dass nicht er es war, der hier den ganzen Verkehr aufgehalten hatte, sondern sie. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wären wir schon vor einer Viertelstunde losgefahren.
»Haben wir auch an alles gedacht? Hast du noch einmal nachgeschaut, Erhardt?«
»Ja, habe ich.«
»Den Mülleimer. Hast du ihn geleert?«
»Ja, Anna Maria.«
»Das Wasser abgestellt und alle Netzstecker gezogen?«
»Ja habe ich. Alle Elektrogeräte sind aus. Heizung, Herd, Kühlschrank. Fenster und Türen sind verschlossen. Und alle Lichter sind ebenfalls aus. Ich habe an alles gedacht.«
Dann nickte Mom zufrieden und schnallte sich an.
»Nun fahr endlich los, ich kann die Alte nicht mehr ertragen.«
»Wenn irgendetwas sein sollte, geben Sie mir Bescheid, Frau Nachbarin. Meine Telefonnummer haben Sie ja«, rief uns die Schnepfe von nebenan zum Abschied zu. Sie wusste ganz genau, wie sie Mom zur Weißglut bringen konnte. Und nur deshalb lächelte sie Mom so freundlich zu.
»Nein danke. Frau Henriette wird sich um alles kümmern«, schrie Mom aus der geöffneten Fensterscheibe heraus, als Dad endlich losfuhr.
Das war also der traumhafte Start in den Urlaub. Na, das kann ja was werden!
Kapitel 2
Unsere vorlaute Nachbarin beschäftigte Mom noch die ganze Autofahrt. Beide waren wie zwei Kampfhähne mit ihren aufgesetzten lächelnden Gesichtern. Ständig auf Konfrontation aus und jederzeit bereit der anderen ein Auge auszuhacken. Mom zog fast immer den Kürzeren. Sie könnte platzen vor Wut, wenn sie ein Ballon wäre.
Kauften wir uns neue Gartenstühle, gab es sofort neugierige Blicke der Nachbarin, mit den Worten: »Die sind aber schön, wo haben Sie die denn her? Über Quelle bestellt?«
Fünf Tage später standen die gleichen Gartenstühle im Nachbarsgarten.
Drei Wochen, nachdem wir unsere Küche renoviert hatten, stand vor ihrer Auffahrt ein Firmenwagen mit der Aufschrift, »Malermeister Pünktchen. Wir renovieren ihre Wohnung«.
Dad bestellte Außenjalousien für unsere Fenster und die blöde Schnepfe von nebenan hatte zwei Wochen später ebenfalls neue Jalousien. Mom könnte jedes Mal dabei eskalieren. Dazu stets diese dummen Kommentare unserer Nachbarin.
»Ach, Sie haben sich für die günstige Variante entschieden. Bei der Beratung hatten sie uns davon abgeraten. Wir haben uns für die Luxusvariante der Außenjalousien entschlossen. Na ja, es kann halt nicht jeder einen Mercedes fahren«, waren ihre Worte gewesen.
Ich könnte wetten, dass unsere und ihre Wohnungseinrichtung fast identisch waren. Und genau das machte es in Moms Augen so schrecklich, so dass sie sich tagelang darüber aufregen musste. Besser gesagt, sie regte sich tagelang darüber auf und wetterte Dad damit zu.
»Kannst du dir das vorstellen Erhardt, diese unmögliche Person bei uns im Haus. Sie soll unsere Blumen gießen? Oh mein Gott!« Ich hörte ein klatschendes Geräusch. Mom schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Das ist undenkbar. Lieber schmeiß ich alle Blumen weg und kauf mir nach dem Urlaub Neue.« Das war die Ruhe, was nun folgte, war der Sturm.
»Sie würde in jedem Zimmer, in jeder Ecke, in jedem Schrank, in jeder Schublade herumschnüffeln. Nein, nur über meine Leiche kommt diese Person in mein Haus.«
Moms stark gestikulierende Arme sausten haarscharf an Dads Kopf vorbei. Fast hätte sie ihn getroffen.
»Nun ist aber gut, Anna Maria. Beruhige dich bitte.«
Dad ließ die Straße zu keiner Zeit aus den Augen. Er schaute stur geradeaus, ohne Mom eines Blickes zu würdigen.
»Ich soll mich beruhigen? Nicht bei dieser Person.«
»Ich glaube, sie würde sich in unserer Wohnung sehr gut zurechtfinden«, gab ich meinen Senf ungefragt dazu und streute ein wenig Salz in Moms Wunde. Ihr Gesichtsausdruck hätte man aufnehmen sollen – sie war nun der Teufel in Person.
Daraufhin redete sie sich noch mehr in Rage. Dad schaltete nach einer Weile ab. Nur sein Kopf nickte wie ein Wackeldackel, der bei uns auf der Hutablage des Autos seinen Platz gefunden hatte. Bis es ihm doch zu viel wurde.
»Jetzt ist aber mal Schluss. Ich kann es nicht mehr ertragen. Wenn du nicht umgehend damit aufhörst, Anna Maria, fahre ich auf der Stelle wieder zurück. Mir reicht’s. Ich habe Urlaub und möchte mich ein wenig erholen.«
Mom schaute Dad verdutzt an und bekam den Mund nicht zu. Sie konnte es nicht glauben, Dad hatte sie tatsächlich in die Schranken gewiesen. Selbst ich war überrascht. Ob das allerdings eine gute Idee gewesen war, bezweifelte ich. Vom Donnerwetter überwältigt, guckte Mom ab jetzt starr nach vorne und schwieg. Aber mal ehrlich, sie konnte einen mit ihrem vorlauten Mundwerk wirklich bis zur Weißglut bringen. Und, bis Dad etwas sagte, musste schon viel, sehr viel passieren. Mom war glatt die Spucke weggeblieben und hielt endlich die Klappe. Schweigend fuhren wir weiter in Richtung Urlaub. Und ich verlor mich in meinen Gedanken.
Wie jedes Jahr freuten wir uns auf den Urlaub innerhalb der Sommerferien. Sorry, meine Eltern freuten sich darauf. Urlaub in Italien. Okay, ich musste zugeben, als ich noch kleiner war, fand ich es auch großartig, mit meinen Eltern zu verreisen. Bis auf die ellenlangen Fahrten mit dem Auto, die megalangweilig waren. Ansonsten fand ich den gemeinsamen Urlaub schön. Allerdings war es in diesem Jahr anders. Ich hatte mich verliebt. Nicht etwa in eine Boygroup. Nein, es war ein Junge aus meiner Schule. Sein Name klang wie Musik. Ich hatte mich in Ronny verschossen. Er war der heißeste Typ der ganzen Schule.
Und das Dumme dabei war, dass ich Ronny für eine ganze Weile nicht sehen würde. Drei Wochen ohne ihn, das würde die grausamste Zeit meines Lebens werden. Wenn wir nach acht Tagen wieder zu Hause fuhren, wäre Ronny mit seiner Familie schon einen Tag unterwegs für seinen Urlaub in Bulgarien. Für genau zwölf Tage. Wie sollte ich das bloß ohne ihn aushalten? Ich musste ständig an ihn denken und mein Herz freute sich schon