Ferien, die bleiben. Micky Molken

Ferien, die bleiben - Micky Molken


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Mann, es war viel zu früh. Ich war noch hundemüde und dieses Gezwitscher hörte einfach nicht auf. Dann griff ich zum Kissen und drückte es mir ins Gesicht.

      »Ruhe! Verflucht, ich will doch nur in Ruhe schlafen!«, schrie ich, so laut ich konnte.

      Ich verstand die Welt nicht mehr. Resigniert nahm ich das Kopfkissen vom Schädel und rollte mich auf den Bauch. Diese Nacht war ohnehin von wenig Schlaf geprägt. Es war viel zu heiß. Außerdem hatte ich große Probleme einzuschlafen. Ständig wälzte ich mich von einer Seite auf die andere, immer auf der Suche nach einer kühlen Bettstelle. Erschwerend kam dazu, dass mich ein fieses Insekt nervte. Meiner Meinung nach das niederträchtigste, bösartigste Monster, das es je gegeben hatte. Ich hasste Mücken. Immer wenn ich kurz vor dem Einschlafen war, und ich endlich eine angenehme Position gefunden hatte, kreiste das Mückenmonster um meinen Kopf herum. Nein, nicht zehn. Sondern nur eine einzige verdammte Stechmücke raubte mir den Nerv. Aus der Haut fahren würde ich, wenn ich das könnte. Verflucht! Also stand ich wieder auf, schloss das Fenster, schaltete meine kleine Nachttischlampe an und lauschte dem Geräusch, welches ständig um meinen Kopf kreiste. Doch es passierte nichts. Null. Die Mücke war wie vom Erdboden verschluckt. Außer einer gespenstigen Stille war nichts zu hören. Hatte das Vieh die Flucht ergriffen? Doch warum sollte es? Es gab keine Veranlassung für eine Flucht. Nein, sie war nicht weg, denn sie hatte bereits ihr Opfer gefunden. Das fiese Insekt lauerte in irgendeiner dunklen Ecke und wartete auf den passenden Moment, um erneut einen Luftangriff zu starten, sobald ich das Licht wieder ausschalten würde. Doch den Gefallen werde ich dir nicht tun.

      »Du blödes Mistvieh. Wo zum Teufel steckst du?«

      Wenn ich diese Nacht noch schlafen wollte, brauchte ich dringend eine gute Idee, eine Strategie. Ich verharrte wie in einer zu Stein gewordenen Haltung aus und hielt Ausschau nach dem Insekt. Leider vergebens. Minutenlang bekam ich weder etwas zu hören noch etwas zu sehen. Wo konnte die Mücke sein? Verflixt und zugenäht! Ich musste aktiv werden. Also rollte ich mich aus dem Bett, bewaffnete mich mit einem Hausschuh und begab mich auf Spurensuche.

      Okay, wie du willst. Wenn du kleines Mistvieh nicht zu mir kommen willst, dann muss ich halt zu dir. Misstrauisch durchleuchtete ich jeden Zentimeter mit meiner Taschenlampe. Schaute in jede Ecke und in jeder Spalte meines Kinderzimmers. Jeden Winkel nahm ich in Augenschein. Aber das Einzige, was ich fand, waren Spinnweben.

      »Die müsste ich auch mal entfernen«, murmelte ich. Oder besser nicht. Spinnen fressen doch Insekten, oder? Also auch Mücken, Fliegen und so Zeug. Dann wäre es schlauer, ich lasse die Netze einfach dort, wo sie sind. Die perfekte Falle für die Mücke.

      Ich suchte weiter.

      »Wo ist dieses verfluchte Biest?«

      Dann wurde mir mulmig. Tausende tänzelnde Mücken lauerten im Lichtkegel meiner Taschenlampe vor dem geschlossenen Fenster. Wie gefräßige, gierige Monster, die auf diesen einen Moment warteten, um mir das Blut aus den Adern zu saugen, sobald ich das Fenster öffnen würde. Sollten sie doch verhungern oder sich ein anderes Opfer suchen. Ich werde bestimmt nicht das Fenster öffnen. Es war frustrierend. Die Mücke hatte den Kampf gewonnen. Nach der erfolglosen Suche setzte ich mich resigniert aufs Bett, legte die Taschenlampe zur Seite und lauschte ein letztes Mal, dann löschte ich das Licht. Abermals wälzte ich mich hin und her. Zu wissen, dass die Mücke mich beobachtete, ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Außerdem fehlte mir ein leichter Luftzug, der mich in den Schlaf streicheln würde. Ich könnte wetten, dass die Mückenschwärme noch immer vor meinem Fenster lauerten.

      »Ach Menno!«

      Ich war an einem Punkt angekommen, an dem mir alles egal war. Ich war hundemüde und wollte nur eins, endlich einschlafen. Also versuchte ich, es mir so gemütlich wie möglich zu machen. Langsam, aber beständig fiel ich in den Schlaf. Doch was soll ich sagen? Nach einigen Minuten Dunkelheit summte dieses blutsaugende Monster wieder um meinen Kopf herum. Hektisch, mit unkontrollierten Luftschlägen, versuchte ich das Insekt zu treffen oder zumindest zu verjagen. Leider ohne Erfolg. Und was unternahm ich vor lauter Verzweiflung? Richtig! Ich vergrub mich unter der Bettdecke. Die Folgen waren: ein Hitzeschub, Luftnot und ein Wutanfall. Ich hätte ausrasten können. Wutentbrannt schmiss ich die Bettdecke davon und atmete hektisch. Das Schlafshirt klebte am ganzen Körper. Meine Lieblingsheldin, die in fluoreszierenden Farben auf dem Shirt leuchtete, war ebenfalls nass.

      Es war Sailor Moon, meine persönliche Zeichentrickheldin. Auf der ganzen Welt gab es keinen größeren Fan als mich. Ich kannte alle ihre Abenteuer, wenn sie als Sailor Kriegerin die Erde gegen dunkle Mächte beschützen musste. Ich wünschte, ich wäre genauso mutig, stark und wunderschön wie sie. In gewisser Weise waren wir uns ähnlich, denn eigentlich ist sie ein ganz normales Mädchen und alles andere als überdurchschnittlich begabt. Sie ist verträumt, ängstlich, ungeschickt und nicht die hellste Leuchte in der Schule. Okay, ich hatte ihr doch etwas voraus, denn ich war ziemlich gut in der Schule. Wenn jemand wie Sailor Moon sich zur stärksten Kriegerin der Galaxien entfalten kann, warum kann ich nicht auch nach den Sternen greifen? Was würde sie an meiner Stelle tun? Ängstlich unter der Bettdecke ausharren? Solange bis die Sonne aufbricht und das blutsaugende Monster wie ein Vampir in die Dunkelheit abtaucht? Ganz sicher nicht. Sie würde es besiegen.

      Und ich wusste, dass ich irgendwann meine eigene Kriegerin erschaffen würde. Genügend Fantasie hatte ich, die ich in Kurzgeschichten niederschrieb. In Gedanken über meine Heldin musste ich doch irgendwann eingeschlafen sein. Leider wurde mein Schlaf abermals unterbrochen. Diesmal waren es meine Eltern gewesen, die mitten in der Nacht durchs ganze Haus polterten. Der Grund für diese nächtliche Unruhe war schnell ausgemacht. Zu allem Übel bahnte sich auch noch ein Gewitter an und bei solch einer Naturgewalt spielten meine Eltern komplett verrückt. Sobald sich die ersten Anzeichen eines Gewitters anbahnten, zogen Sie sämtliche Stecker aus den Steckdosen heraus. Außer dem Kühlschrank trennten sie alle Geräte vom Stromnetz. Es könnte ja im Haus einschlagen. Und für diesen Fall, dass bei einer Überspannung des Stroms ein Feuer ausbrechen würde, sammelten sie die wichtigsten Papiere, Bilder und Wertsachen zusammen und verstauten die Dinge in zwei Koffern. Na ja, mir machte ein Gewitter an und für sich nichts aus. Nur wenn es lautstark donnerte oder blitzte, konnte ich nicht besonders gut schlafen. Aber im Normalfall war ich ganz entspannt, im Gegensatz zu meinen Eltern. Eine positive Sache hatte das Gewitter schließlich doch. Es kühlte sich schlagartig ab. Die Mücken vor dem geschlossenen Fenster waren auf und davon, sodass ich es nach dem Unwetter wieder öffnen konnte. Irgendwann schlief ich vor Erschöpfung ein. Bis ich zum wiederholten Male aus meinem Schlaf gerissen wurde. Womit hatte ich das nur verdient?

      »Baby, aufstehen!«

      Die schrille Stimme meiner Mom peitschte die Treppe hinauf, zerschmetterte die geschlossene Tür und schlug wie ein Donnerschlag in meinen Kopf ein.

      »Ich bin schon wach«, grummelte ich leise.

      »Hörst du, Schätzchen?«, schrie Mom erneut, da sie offenbar meine Antwort nicht gehört hatte.

      »Ja!«, antwortete ich genervt und zog mir die Bettdecke über den Kopf.

      »Das Bad ist frei, Baby«, rief jetzt auch noch Dad die Treppe hinauf, der im Gegensatz zu mir, wie immer gut gelaunt war. Dann latschte er in die Küche zu Mom.

      »Guten Morgen! Konntest du nach diesem bösen Gewitter wieder gut einschlafen?«

      Mom und Dad hatten so ein lautes Organ, das ich jedes einzelne Wort laut und deutlich hörte.

      »Sagtest du einschlafen? Hör mir bloß auf. Kein Auge habe ich zu bekommen. Gott hat wohl eine wilde Party gefeiert. Schau mich an. Meine Augenränder sprechen für sich.«

      Ohne es zu sehen, wusste ich genau, was sich zwischen Mom und Dad abspielte.

      Mit einem tropfenden Abwaschlappen in der Hand, mit dem Mom soeben die letzten Gläser abgespült hatte, rannte sie erneut zur Treppe.

      »Du siehst bezaubernd aus, wie immer«, rief Dad ihr nach.

      »Hast du gehört, Baby, dein Vater ist fertig. Das Badezimmer wäre jetzt frei.«Moms Stimme ertönte erneut und wartete dann wohl auf meine Antwort. Statt zu antworten, strampelte


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