Ferien, die bleiben. Micky Molken
nehmen, sachte an meine Zimmertür klopfen und nicht durch das ganze Haus brüllen, dachte ich wütend.
»Baby?«
»Gottverdammt, ja Mom.«
Kopfschüttelnd schnellte sie zurück in die Küche.
»Und, ist Baby wach?«, fragte Dad nach.
»Unsere kleine Prinzessin ist schon wieder grundlos genervt. Vom wem hat sie das?«
»Ja, unser Baby hat sich verändert. Sie wird so schnell erwachsen.«
»Das Erwachsensein werde ich ihr noch austreiben. Da kannst du Gift drauf nehmen«, wetterte sie umher. Mom ließ das Wasser aus dem Spülbecken, drückte den Waschlappen aus und schlug ihn über den leicht tropfenden Wasserhahn.
»Unser Baby ist halt kein Kind mehr«, seufzte Dad. »Schön war die Zeit, als sie noch klein, lieb und artig war. Wie oft kam sie auf meinen Schoß, um zu kuscheln. Irgendwie vermisse ich das. Aber so ist der Lauf der Zeit. Denise wächst heran und auch wir werden älter, Anna Maria. «
Sie hört mir ja doch nicht zu, diese Person, dachte Ehrhard, sprach es aber nicht aus. Mom war schon wieder auf dem Weg zur Treppe.
Dann beruhigte ich mich und grübelte. Trotz der anstrengenden Nacht konnte es dennoch ein guter Morgen werden, wäre nicht diese eine Sache. Der bevorstehende Urlaub. Wie alle Sommerferien verbrachte ich den Urlaub mit meinen Eltern. Diesmal war es eine Woche Italien. Ich hasste es, genauso wie ...
»Baby, nun los, wir wollen frühstücken.«
Seitdem ich mich erinnern kann, nannten mich meine Eltern Baby. »Baby, räume dein Zimmer auf. Baby, mach dieses. Baby, mach jenes.« Was sollte das? Zum Kuckuck ich war kein Kind mehr. Ich war erwachsen. Hallo, immerhin bin ich siebzehn, fast achtzehn. Ich war gefangen in einem goldenen Käfig.
Viele meiner Klassenkameraden tummelten sich ständig auf Partys herum. Rauchten, tranken Alkohol, hatten vielleicht sogar schon Sex. Jedenfalls prahlten einige von ihnen damit, was für ein großartiges Wochenende sie hatten. Toll! Und ich? Dank meiner konservativen Eltern durfte ich nichts. Nicht auf Partys, keinen Alkohol, nicht rauchen, einfach gar nichts. Wer oder was bin ich eigentlich? Ich bin nur die gut erzogene Tochter eines Pfarrers und einer leitenden Oberschwester eines Krankenhauses. Mehr nicht! Natürlich hatte ich alles, was ich mir vorstellen konnte. Ein eigenes Zimmer mit einem eigenen Fernseher und schöne Klamotten. Mein Vater las mir jeden Wunsch von den Lippen ab. Doch wirklich frei in meinen Entscheidungen war ich nicht. Es gab Regeln, die es einzuhalten galt. Übernachtungen bei Freundinnen? Fehlanzeige! Ganz zu schweigen von Übernachtungen bei einem Freund. Ich war wohl die einzige Person auf dieser Welt, die als Jungfrau sterben wird.
Völlig erschöpft von der letzten Nacht, taumelte ich die Treppenstufen hinunter.
»Guten Morgen, Baby.«
Ich antwortete mit einer erhobenen Handgeste, ohne ein Wort der Höflichkeit. Es folgte ein »Hast du gut geschlafen?«, doch diese Worte prallten bereits gegen die von mir geschlossene Badezimmertür.
»Anscheinend nicht«, hörte ich nur Dad sagen.
Sailor Moon wäre in dieser Situation auch nicht besser gelaunt als ich und mein Spiegelbild. Ich betrachtete mich. Meine Haare waren zerzaust. Kein Wunder nach der Nacht, in der ich mich bestimmt tausend Mal hin und her gewälzt hatte. Eine Haarsträhne fiel mir ins Gesicht. Ich versuchte es mit wegpusten, doch ohne Erfolg. War das ein Pickel? Ich rückte näher an mein Spiegelbild und legte die Strähne hinter das Ohr. Tatsächlich, mitten auf der Stirn war etwas. Dann aber musste ich innerlich lachen, als ich den Irrtum erkannte. Ich konnte den Pickel mit dem Finger abwischen, der sich nun auf der Kuppe meines Zeigefingers befand. Ich betrachtete das Übel. Meine Vermutung bestätigte sich. Es war eine Leiche. Die Leiche einer zerquetschten Mücke. Hatte ich sie also doch erwischt. Mann, war ich gut! Sailor Moon wäre stolz auf mich. Ansonsten war ich mit meinem Spiegelbild zufrieden. Ich nahm meine Zahnbürste, hielt sie unter den Wasserhahn, benetzte sie mit ein paar Tropfen Wasser und strich die Zahnpaste darauf. Die Zahnbürste wanderte in meiner Mundhöhle umher, während ich zeitgleich meine Blase entleerte.
»Nicht doch!«, murmelte ich.
Angeekelt sprang ich auf. Igitt! Das Wasser aus der Toilettenspülung spritzte gegen meine Pobacken. Ich griff nach der Toilettenpapierrolle. Sie war leer. Typisch Dad. Och Mensch! Warum immer ich? Rasch zog ich mein Slip aus, der sich unterhalb meiner Knie befand, und wischte damit das Spülwasser von meinem Hintern ab. Leider musste dieser auch als Toilettenpapierersatz herhalten. Nur gut, dass ich nur klein musste. Nach einer sorgfältigen Begutachtung meiner gereinigten Zähne spülte ich die Zahnbürste aus und legte sie in den bereitgestellten Kosmetikbeutel, den Mom schon für die Reise vorbereitet hatte. Ernüchternd stellte ich fest, dass mein Shirt schon bessere Tage erlebt hatte. Es roch nicht besonders gut. Es müffelte nach Schweiß. Auch so eine unnötige Sache des Älterwerdens. Sowie die absolut überflüssige Menstruation, worauf ich gut und gerne verzichten könnte.
Es gab Zeiten, da konnte ich es nicht erwarten, endlich meine Tage zu bekommen. Das nächste Level zu erreichen, das vom Mädchen zur Frau. Tatsächlich war ich eine von den letzten Mädchen meiner Klasse, und es schien, als hätte mich Mutter Natur mich schlichtweg vergessen. Und das war es, was mich ärgerte. Ich wollte auch zu den Mädchen dazugehören, die schon ihre Tage hatten. Eine von ihnen sein. Nicht ganz so wie sie. Ich würde trotz meiner Periode und deren Beschwerden am Sportunterricht teilnehmen. Erst als ich bereits das sechszehnte Lebensjahr erreichte, war sie endlich da. Wie aus heiterem Himmel: Ich bekam endlich meine Tage. Aber jetzt wünschte ich mir, ich hätte sie nie bekommen. Die anfängliche Euphorie war verflogen. Ab jetzt war es nur noch lästig.
Was hatte sich die Natur dabei gedacht? Warum bekamen Jungs so etwas nicht? Was ist mit Gleichberechtigung? Verdammt! Erwachsen zu werden ist echt doof. Zusammen mit dem Slip legte ich das Shirt zu den anderen schmutzigen Sachen in den Wäschekorb. Barfüßig wartete ich leicht fröstelnd vor der geschlossenen Duschkabine darauf, dass der heiße Wasserdampf innerhalb der Dusche aufstieg, erst dann würde ich sie betreten. Ich hasste es, wenn nach dem Aufdrehen des Wasserhahns, minutenlang kaltes Wasser meine Füße benetzte. Nö, dann warte ich lieber, bis es schön heiß war. Allzu viel Zeit hatte ich allerdings nicht, da ich wusste, dass meine Eltern am Frühstückstisch auf mich warteten. Mit nassen Haaren, die nicht einmal ansatzweise abgetrocknet waren und nur mit einem großen Badehandtuch bekleidet, saß ich endlich am Küchentisch.
»Sorry«, entschuldigte ich mich für mein Zuspätkommen. Schweigend, schlecht gelaunt und müde harrte ich auf dem Küchenstuhl aus. Mit beiden Händen umklammert, starrte ich auf den Grund des Teeglases. Kleine Teeablagerungen tanzten umher, denen ich verträumt zusah.
»Also dein Gesicht spricht Bände«, stellte Dad fest. Mein Blick richtete sich auf.
»Wie meinst du das?«, wollte ich wissen.
»Dein Vater meint damit, dass du nicht glücklich aussiehst. So als würdest du den Urlaub schon jetzt hassen, bevor wir überhaupt losgefahren sind.«, antwortete Mom und sie wusste nicht, wie Recht sie damit hatte.
»Und Appetit scheinst du auch nicht zu haben. Zumindest eine Kleinigkeit solltest du zu dir nehmen.«
Ich atmete laut und schwer.
»Es ist noch so früh am Morgen, da habe ich halt keinen Hunger.«
»Aber irgendwas musst du essen, Baby. Ein Waffelbrot mit Erdbeerkonfitüre vielleicht? Ich mach es dir.« Mein Vater war schon im Begriff vom Stuhl aufzuspringen. Doch ich konnte ihn noch rechtzeitig bremsen.
»Nein, Dad, wenn ich etwas essen wollen würde, kann ich es mir auch selbst zubereiten. Ich bin keine sieben mehr.«
»Stimmt, aber wie siebzehn Jahre benimmst du dich auch nicht. Und warum sitzt du eigentlich hier halb nackt? Du hättest dir etwas Anständiges anziehen können.«
»Okay, okay!« Ich hob meine Arme, so, als würde ich mich geschlagen geben. »Dad, du hast Recht. Mein Vorschlag: Ich bereite mir Essen für unterwegs vor