Ferien, die bleiben. Micky Molken

Ferien, die bleiben - Micky Molken


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ließ ihm den glorreichen Triumph des Retters in der Not. Ronny war noch immer fix und alle. Er hatte Mühe, aufrecht zu stehen, und stützte sich mit seinen Händen auf den Knien ab. Er war ganz blass um die Nase. Erst jetzt, als ich genauer hinschaute, bemerkte ich das Übel, dann fing ich schallend an zu lachen. Ronny hatte es voll erwischt. Seine Beine waren übersät mit Kuhfladen. Mein Beschützer war wohl im vollen Lauf durch einen Fladen gerannt. Ich pinkelte mir vor Lachen fast in die Hose. Zum Glück war er über mein Verhalten nicht sauer. Er nahm es sportlich und lachte mit. Keine Frage, die Gefahr war allgegenwärtig. Doch wer sich vor Angst mehr in die Hose gemacht hatte, ließen wir unbeantwortet. In einem waren wir uns beide sicher: Nie wieder die Abkürzung über die Wiese zu nehmen.

      Ronny versuchte mit Grasbüscheln, sich von den größten Verschmutzungen zu befreien. Jetzt waren es nur noch wenige Meter bis zur Straße. Der Autoverkehr war mäßig. Die aufgeheizte Straßendecke brannte an den Fußsohlen. Wie auf heißen Kohlen überquerten wir die Straße. Das war nur ein leichter Vorgeschmack auf das, was uns auf dem Rückweg erwarten würde. Aber immer noch besser als aufdringliche Huftiere. Nur noch wenige Schritte und wir standen wie viele andere auch in einer Warteschlange an. Es war heiß und irgendwie hatten sie alle die gleiche Idee wie wir - Eisessen! Ronny stand etwas abseits der Wartenden. Es war ihm peinlich. Nicht nur das gefleckte Aussehen störte ihn. Leider verströmte er dabei auch noch einen unangenehmen Duft. Es war der Ruf von Freiheit, purer Wildnis und Kuhstall.

      Auch alle anderen Menschen nahmen diesen Duft wahr. Einige von ihnen rümpften die Nase und schauten sich ständig um, was sehr untypisch war. Sowie Wartende oft in einem Fahrstuhl sich ständig auf die Füße starren, aber keinesfalls ausschweifende Blicke innerhalb der wartenden Menge ausübten, war es in diesem Fall anders. Alle versuchten, den Mief zu orten. Jeder prüfte seinen direkt neben sich stehenden Nachbarn ab. Es war lustig sie dabei zu beobachten. Das ganze Spektakel versüßte uns die Wartezeit, leider auf Kosten von meinem Ronny. Erst zwanzig Minuten später, hielten wir unser Eis in den Händen. Bedauerlicherweise war der sonnige Nachmittag viel zu schnell vorbei, wir wussten aber, dass wir uns bald wieder treffen würden. Schade nur, dass uns nicht viel Zeit blieb, um uns besser kennenzulernen. Denn unser beider Urlaub stand an. Dennoch schafften wir es, uns zweimal nach unserem Badeabenteuer zu sehen. Allerdings musste ich mir ständig für meine Eltern eine gute Ausrede einfallen lassen, wo ich den Nachmittag verbrachte, damit sie keinen Verdacht schöpften. Bei unserem zweiten Aufeinandertreffen gab es den für mich ersten Kuss meines Lebens. Der Kuss mit den fatalen Folgen. Nach diesem Kuss verhielt sich Ronny komisch. Ich glaube, er hatte Angst, dass es bei jedem Kuss solche Auswirkungen haben könnte. Und so blieb es bei dem einen. Aber, ich hatte mich verliebt.

      Auf einmal wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ich schreckte auf und fasste mir ans Herz. Es war das nervige Hupen eines hinter uns stehenden Autos. So ein Idiot! Ich schaute aus dem Seitenfenster und erkannte, dass wir in einem Stau feststeckten. Ich beobachtete, dass einige Autofahrer ziemlich rücksichtslos waren. Sie drängelten sich an engen Passagen vorbei. Sie hupten ständig, fuhren zu dicht auf, um danach andere Fahrzeuge mit viel Risiko zu überholen. Alle waren hektisch und angespannt. Nur mein Dad nicht. Mit einer selbstlosen Gelassenheit ließ er gefühlte tausend Autos den Vorzug. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir der Grund für den Stau waren, so langsam wie Dad fuhr.

      »Du kannst doch nicht immer auf alle anderen Autos Rücksicht nehmen, so kommen wir nie ans Ziel«, regte Mom sich diesmal über die zu dicht auffahrenden Autofahrer auf.

      »Auch die lieben Leute möchten alle in den Urlaub, genauso wie wir, Anna Maria. Also muss man, ob man will oder nicht, gegenseitig Rücksicht nehmen«, versuchte er Mom zu belehren.

      Abermals winkte Dad freundlich und ließ einige Autos, die von der rechten Spur drängelten, vor uns in den Stau hinein. Erneut startete ein nerviges Hupkonzert der hinter uns stehenden Autofahrer, die das Schauspiel mit ansahen. Dad schaute in den Rückspiegel.

      »Ist ja schon gut, ich fahre ja schon.«

      Dann passierte das, was passieren musste. Bei dem Versuch, selbst wieder Fahrt aufzunehmen, würgte Dad den Wagen ab. Leider war er nicht der beste Autofahrer. Mom wurde unruhig.

      »Erhardt, fahr endlich.«

      Sie rollte übertrieben mit den Augen.

      Auf Dads Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen, als er bemerkte, dass unser Wagen nicht so wollte, wie er es gerne hätte. Aus irgendeinem Grund sprang die verfluchte Kiste nicht wieder an.

      »Irgendetwas riecht hier komisch? Erhardt!«, bemerkte Mom.

      Ich sah, dass Dad seine innere Ruhe und Gelassenheit gegen Unsicherheit und leichte Panik eintauschte. Mom kurbelte die Seitenscheibe herunter. Sie hielt ihre Nase aus dem Fenster.

      »Erhardt, riechst du das?«

      Dad hatte große Mühe, den Wagen zu starten.

      »Erhardt!«, ermahnte Mom Dad erneut, der zuvor nicht auf ihre Erkenntnisse reagierte.

      »Anna Maria, es ist die Kupplung, die ein wenig überhitzt ist. Das ist ganz normal, wenn man immerzu anhält. Dieses ständige Stoppen und Anfahren, ist nicht gut für unser Auto.«

      »Wozu in Gottes Namen brauchst du eine Kupplung, um anzuhalten? Nun gut, ich bin kein Fachmann aber, ich dachte, die brauchst du nur, wenn du Gänge schaltest. Und so, wie ich das sehe, fahren wir die letzte Stunde nur im ersten Gang.«

      Dad reagierte nicht auf Moms schlaue Bemerkung. Er war immer noch damit beschäftigt, das Auto zu starten. Immer mehr Schweißtropfen benetzten seinen fülligen Körper. Vielleicht war es auch Angstschweiß. Das Hupkonzert wurde eindringlicher.

      »Erhardt, willst du hier Wurzeln schlagen?«

      Dad schaute hilflos in den Rückspiegel. Er erklärte mit erhobenen Armen den anderen hinter uns stehenden Fahrern, dass er nichts dafür konnte. Natürlich sahen sie ihn nicht. Er versuchte abermals, das Auto zu starten. Dann war es so weit. Beim fünften Versuch sprang die Kiste endlich wieder an.

      »Was habe ich dir gesagt, Anna Maria? Immer die Ruhe bewahren, dann klappt das schon«, sagte Dad rechthaberisch.

      Erleichtert wischte Dad sich den Schweiß von der Stirn, blickte dabei in den Rückspiegel und winkte den hinter uns stehenden Autos zu. Als ob sie das sehen könnten, dass Dad ihnen zuwinkt. Na ja, typisch Dad.

      »Seht, meine Lieben, es geht schon weiter.«

      Dad legte den ersten Gang ein und nahm langsam Fahrt auf. Was eine ziemlich holprige Angelegenheit war. Das Zusammenspiel zwischen Gas und Kupplung war Dad nicht in die Wiege gelegt worden. Wie ein störrischer Esel fuhren wir ruckartig los.

      »Nur nicht stehen bleiben«, ermahnte Dad unser Auto. Er streichelte und klopfte mit einer Hand auf der Armatur des Wagens, so als säße er auf einem Pferderücken.

      Das Auto und Dad werden wohl nie beste Freunde.

      Die Autofahrt wurde immer beschwerlicher, sobald wir die Mittagsstunden erreicht hatten. Es war brütend heiß und überall war Stau. Ich machte es mir auf der Rücksitzbank gemütlich, soweit es möglich war. Platz war ausreichend vorhanden. Während der Fahrt war es einigermaßen erträglich, denn durch das geöffnete Fenster bekamen wir einen erfrischenden Luftzug. Doch sobald wir mit dem Auto stillstanden, fühlte ich mich wie in einem Gewächshaus und das mitten im Hochsommer. Genauso stellte ich mir das Schwitzen in einer Sauna vor. In der Theorie zumindest. Praktisch hatte ich noch nie eine Sauna von innen gesehen. Würde ich aber nachholen, sobald ich achtzehn war.

      Im Gegensatz zu jetzt säße ich in der Sauna nackt und nicht mit durchgeschwitzten Klamotten. Meine Kleidung klebte überall am Körper. Die Lage war beschissen. Fassen wir es kurz zusammen. Klimaanlage im Auto? Negativ! Kühle erfrischende Getränke? Negativ! Eine kalte Dusche? Negativ! Das Einzige, was bedingt half, war ausreichend zu trinken. Leider waren die Getränke eher warm als erfrischend kalt. Die ständige Flüssigkeitszunahme hatte aber auch einen Nachteil. Ich schwitzte noch mehr und meine Blase meldete sich öfter zu Wort. All das war aber nichts zu dem, was dann kam.

      Ich meine damit die katastrophalen Bedingungen der Toiletten auf den


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