Der Milliardär und der Mechaniker. Julian Guthrie

Der Milliardär und der Mechaniker - Julian Guthrie


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wechseln wolle.

      »Dadurch hätten wir einen besseren Winkel zu den Wellen. Ich möchte in Lee von Flinders Island kommen«, sagte Larry in der Gewissheit, dass es die Wellen sind und nicht der Wind, die Segler töten. »Je dichter wir der Insel kommen, je mehr werden die Wellen durch sie blockiert.«

      »Ich bin nicht ganz sicher, ob es für die Regatta das Beste ist«, sagte Rüdiger, »ich werde mit Chris darüber sprechen müssen.«

      »Mark«, schoss Larry zurück, »lass es mich ganz klar formulieren: Ich möchte, dass das Boot wendet. Oder glaubst du, dass es im Sinne der Regatta ist, wenn wir sinken?«

      Erkelens stimmte zu, dass die Wende nicht optimal für das Rennen sei, weil der Kurs sie von der Ziellinie abbrächte. Es sei aber das Beste, um Boot und Leben zu retten.

      Mit der Wende veränderte sich der Kurs um 60 Grad. Die Wellen wurden nicht kleiner, doch SAYONARA empfing die Wellen nun direkt mit dem Bug und nicht mehr seitlich. Das Stampfen und der Ritt nahmen an Gewalttätigkeit ab. Während sie sich Flinders Island vor Tasmaniens nordöstlichstem Zipfel näherten, zog Larry eine erste Zwischenbilanz: Zwei Männer hatten gebrochene Knochen. Ein Feuer hatte die Navigationsecke lahmgelegt, als die Kabel nass geworden waren und es zu einem Kurzschluss mit anschließendem Kabelbrand kam. Sein Boot war übel zugerichtet und zerschlagen. Aber alle waren an Bord – und am Leben. Die Wende hatte für den entscheidenden Unterschied gesorgt.

      Am Morgen des dritten Tages ging die Sonne gerade auf, als SAYONARA in den Derwent River einsegelte, jene Flussmündung, die in die Hauptstadt Tasmaniens führte. Ein lachspinkfarbenes Licht bahnte sich den Weg durch den mauvefarbenen Morgenhimmel. Die Crew der SAYONARA, die Derwent als erste erreichte, wurde von einem kleinen Powerboot und einem Mann an Bord begrüßt, der die Sieger traditionell mit Klängen aus einem schottischen Dudelsack empfing. An diesem Tag waren es Trauermelodien: »When the Battle is Over«, »O for a Closer Walk with God«, »Amazing Grace«. Der Wind war nur noch ein Flüstern, wehte mit weniger als acht Knoten. Larry und seine Crew liefen in das Flusstal ein. Wildblumen, Farne und turmhohe Bäume zierten die Felsschluchten mit ihren roten Uferkanten. Die Wildblumen in ihren blauen, weißen, lila, kaminroten und heidefarbenen Schattierungen waren in ein weiches pinkfarbenes Licht getaucht. Larry schloss seine Augen für einen Moment, lauschte den düsteren Tönen des Dudelsacks und der Wellen, die leise gegen die Bordwand schlugen. Der Wind war zur Ruhe gekommen, die Wellen klangen wie ein beruhigender Herzschlag. Sie hatten die Herrlichkeit des Seins zurück.

      Doch es war kein glücklicher Sieg. Larry drehte sich zu Butterworth um und sagte: »Das war, als hätte Disney versucht, das Ende eines Horrorfilms neu zu schreiben.« Während die Crew in den Hafen segelte, hatten sie erfahren, dass sechs Segler gestorben, fünf Boote gesunken und etwa 55 Menschen per Helikopter in wahrhaft heldenhaften Aktionen abgeborgen worden waren. Es sah so aus, als würde nur ein Drittel der ursprünglich ins Rennen gestarteten 115 Yachten die Regatta beenden können. Schon zu diesem Zeitpunkt war es das größte Unglück in der australischen Seefahrtsgeschichte. SAYONARA hatte die Ziellinie am Donnerstag um acht Uhr morgens gekreuzt. Drei Stunden früher als das nächste Boot. BRINDABELLA hatte das Rennen im Jahr zuvor gewonnen und kam ihrerseits einige Stunden vor RAGAMUFFIN ins Ziel, die vom damals erst 18 Jahre alten Jimmy Spithill gesteuert worden war.

      Als sie das schlicht wirkende Constitution Dock erreichten, suchte SAYONARAS Crew die Zuschauerreihen ab. Eine Gruppe von Frauen, darunter auch Larrys Freundin, die Autorin Melanie Craft, hatte am Abend zuvor gemeinsam gefeiert, Margaritas getrunken und Austern genossen. Obwohl es Berichte über orkanartige Stürme entlang des Regattakurses gegeben hatte, hatten Freunde und Familien keine Ahnung, wie schlimm es ihren Lieben tatsächlich ergangen war. Sie nahmen an, es würde der Weltklasse-Crew an Bord von SAYONARA bestens gehen. Ihre Mienen veränderten sich schnell, als sie die Blicke der Segler empfingen. Nahezu drei Tage ohne Wasser und Nahrung. Immer wieder Erbrechen. Eine See, die provokant zwischen schön und grausam hin und her flackerte. Als diese härtesten Segler der Welt vom Boot stiegen, viele von ihnen an harte Arbeit gewöhnte Malocher, da fielen sie ihrer Frau oder Freundin für einen sehr langen Moment in die Arme; den meisten stiegen die Tränen in die Augen, einige weinten.

      Dickson kam an Land und umarmte seine Frau Sue. Als Skipper war Dickson erfahren genug, die Last der Verantwortung erst abzuwerfen, nachdem das Boot sicher im Hafen festgemacht hatte und der Shore-Crew übergeben worden war. Als Dickson dort mit seinen 37 Jahren stand, erinnerte er sich an seine Zeit als Teenager. Er hatte am selben Platz auf seinen Vater Roy Dickson gewartet, der als sehr erfahrener Segler von einer Regatta zurückkehrte. Andere Boote waren mit Applaus und Fanfaren empfangen worden. Doch als sein Vater mit der INCA in den Hafen einlief, einem 45-Füßer aus der Feder von Olin Stephens, war es ganz still gewesen. Einer der Segler an Bord war zur Halbzeit der Regatta infolge eines Herzanfalls verstorben. Die Emotionen an jenem Tag glichen denen an diesem Tag – ein Gemisch aus Erleichterung und Trauer. Sie hatten es geschafft, doch andere hatten weniger Glück gehabt.

      Auf dem Steg umarmten sich Larry und Melanie. Melanie machte einen Schritt zurück und schaute ihrem dünnen Freund ins Gesicht. Er sah schlimm aus.

      »Ich wusste es nicht«, sagte sie, »wir wussten es einfach nicht. Wir dachten, es geht euch gut.«

      Larry, dehydriert und knapp acht Kilo leichter als beim Start, wurde von einem Lokalsender interviewt.

      »Haben wir alles richtig gemacht?«, fragte Larry, »nicht alles, aber wir haben uns eine Chance gegeben, Glück zu haben. Mutter Natur hat nicht alles gegeben. Hätte sie es getan, dann hätte sie uns getötet. Wir hatten ein großartiges Boot, eine großartige Crew und sind sehr glücklich, heute noch am Leben zu sein. Unsere Männer wurden wieder und wieder umgeworfen. Aber sie sind immer wieder aufgestanden und an die Arbeit zurückgekehrt, um zu tun, was getan werden musste, um das Boot in einem Stück und uns am Leben zu halten. Ich habe da draußen Helden gesehen.«

      Danach gefragt, ob er jemals wieder an diesem Rennen teilnehmen würde, sagte Larry, der wütend auf die Offiziellen war, weil ihre wenig akkuraten Wetterprognosen die Grausamkeit des Sturms nicht hatten erahnen lassen: »Und wenn ich noch 1000 Jahre leben würde, ich werde nie wieder an diesem Rennen teilnehmen.« Als er danach seinen Sinn für Humor wiederfand, bot er den Umstehenden ein schwaches Lächeln und sagte: »Nein, wenn ich heute in 1000 Jahren noch da bin, also im Jahre 2998, dann werde ich zurückkommen und es noch einmal machen.«

      Zurück im Hotelzimmer von Melanie Craft, zerrte sich Larry das übel riechende Ölzeug vom Leib. Craft wollte alles wegwerfen oder verbrennen, was er trug. Doch bevor er unter die Dusche sprang und später noch ein heißes Bad nahm, bestand Larry darauf, dass sie seine SAYONARA-Jacke aufbewahren sollte. Sie war etwas, das er behalten wollte.

      Angekleidet und mit dem Gefühl, wieder ein halber Mensch zu sein, ging Larry mit Melanie lauter einzelne Kugeln Vanilleeis essen. Danach bestiegen sie Larrys Gulfstream-Jet mit Ziel Antigua, wo seine Familie auf ihn wartete. Larry schlief 18 Stunden am Stück und wachte nicht einmal beim Betanken der Maschine in Hawaii auf.

      In Antigua entspannte sich Larry im Kreis seiner Familie an Bord der Megayacht KATANA, die nach einem Samuraischwert benannt worden war, und dachte über seinen Pyrrhussieg nach. Larry erzählte seinem Neffen Jimmy Linn, seiner Tochter Megan und seinem Sohn David, dass er das Sydney-to-Hobart-Rennen nicht als Sieg betrachtete. »Da war nicht der geringste Funke des Triumphes, zumindest nicht für mich«, sagte Larry und erinnerte daran, dass Ted Turner nach einem schlimmen Sturm im Fastnet Race vor der englischen Küste einmal gescherzt habe: »Was für ein Sturm?«. Das war nicht Larrys Art der Reaktion. »Wirklich großartige Segler sind da draußen gestorben. Schöne Boote, gute Boote sind gesunken. Ich habe mit angesehen, wie Menschen sich in Situationen auf Leben oder Tod verhalten haben. Und ich habe gesehen, wie wahrhaft heldenmütig manche Menschen sein können.«

      Linn, der Sohn von Larrys Halbschwester Doris, hob seine Hand und bemerkte, dass ein so gefährliches Rennen doch eine verrückte Art sei, seine Ferien zu verbringen. »Was hast du gedacht?« Larrys Gesicht war ohne jeden Ausdruck: »Was meinst du? Es ist eine höllische Art, Gewicht zu verlieren. George Mallory hat einmal auf die Frage, warum er den Mount Everest besteigen wolle, geantwortet: ›Weil er da ist.‹ Wir machen es, weil es


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