Der Milliardär und der Mechaniker. Julian Guthrie
übernahm früh die Führung und verteidigte sie bis ins Ziel, schlug die britische Yacht AURORA mit acht Minuten Vorsprung im Ziel. Man erzählt sich, dass Königin Victoria gegen Ende des Rennens ihren Diener gefragt habe, wer denn bitte Zweiter geworden wäre. »Ma’am, es gibt keinen Zweiten«, war die Antwort. Dieses Statement verkörpert den America’s Cup bis heute.
Dem siegreichen amerikanischen Team wurde ein bodenloser silberner Krug überreicht, der drei Kilogramm und 798,84 Gramm wog und 68,58 Zentimeter in die Höhe ragte. Erworben Mitte des 19. Jahrhunderts für 100 Souvereigns beim königlichen Juwelier Robert Garrard und der Royal Yacht Squadron übergeben. Die Silberkanne wurde von den Amerikanern fälschlicherweise – und blieb es bis heute – als »100 Guinea Cup« betitelt – ein Umrechnungsfehler in den Währungen war Schuld. In ihren frühen Jahren wurde die Trophäe irrtümlicherweise auch »Queen’s Cup« genannt. Als der Cup nach dem Sieg 1851 nach New York kam, wurde darüber diskutiert, ihn einzuschmelzen und aus dem Silber Medaillen für alle Crew-Mitglieder zu fertigen, die sie sich um den Hals hängen könnten. Dieses Schicksal aber blieb ihm erspart. Stattdessen wurde er dem New York Yacht Club als ewige Herausforderer-Trophäe übergeben.
Die erste Verteidigung fand im August 1870 statt. Es war das Jahr, in dem die Trophäe nach dem Namen der siegreichen Yacht in America’s Cup umbenannt worden war. Mehr als ein Dutzend amerikanischer Yachten, die alle für den New York Yacht Club ins Rennen gingen, traten in der Bucht von New York gegen die britische CAMBRIA an. CAMBRIA wurde Zehnte, der Schoner MAGIC gewann, und die von der US-Navy modifizierte AMERICA erreichte Platz vier.
Von Beginn an faszinierte diese Regatta mit ihren Booten, den Rennen und dem ganzen Drumherum die Öffentlichkeit. Es ging ebenso sehr um die Innovationen wie um den Segelsport.
1895 verfolgten etwa 65 000 Menschen den zehnten America’s Cup vor New York City von Booten aus. Es waren mehr Zuschauer als beim sogenannten Temple Cup. So wurde damals die Meisterschaft der Baseball-Nationalliga in der Nachsaison genannt. Der Wettbewerb hatte sich zur größten Sportveranstaltung weltweit entwickelt. In den Tagen vor Beginn der Rennen in New York kamen Dampfschiffe aus Europa, voll beladen mit Zuschauern. Züge brachten die Enthusiasten aus ganz Amerika zum Ort der Veranstaltung. An Regattatagen strömten Zehntausende Menschen durch die Straßen rund um die Fleet Street und warteten auf die druckfrischen Zeitungen mit den neuesten Nachrichten vom Cup.
Die Begeisterung wurde auch nicht durch die Tatsache gemindert, dass die meisten Menschen außerstande waren, diese Rennen zu sehen oder auch nur zu verstehen, was da draußen auf dem Kurs geschah. Allein das Betrachten dieser spektakulären Boote und ihrer massiven, prallen Segel reichte, um Beifall hervorzurufen.
Zur Jahrhundertwende erwischte den irischen Tee- und Lebensmittelhändler Sir Thomas Lipton das »Cup-Fieber«. Er formierte zwischen 1899 und 1930 über drei Jahrzehnte fünf Herausforderungen für den Kampf um den Cup, gewann ihn aber nie. Der kampflustige Selfmade-Millionär, ein hochgewachsener eleganter und überzeugter Selfmademan, stieg im Heckwasser sympathischer und begeisterter Regattasegler wie J. P. Morgan, der 1899 und 1901 sein Rivale war, in das Cup-Geschehen ein. Liptons erste Cup-Yacht namens SHAMROCK war imposant. Ihr Rumpf war grün lackiert. Als Lipton zu seiner ersten Herausforderung in New York eintraf, wurde er als »Sir Tea« und »Jubilar Lipton« begrüßt. Die Presse feierte ihn als armen Jungen, der es zu etwas gebracht hatte. Es war die Zeit, in der die ersten Automobile auf der Bildfläche erschienen und die Vereinigten Staaten vor Optimismus überschäumten. Die Bevölkerungsdichte näherte sich 78 Millionen, und das Land war nahe daran, Großbritannien als führende Industrienation zu überholen. Als Lipton in New York ankam, ließ er die versammelten Massen wissen: »Ich bin hier, um zu gewinnen, wenn möglich.« Bei seinem Tod im Alter von 81 Jahren träumte Lipton, dessen Popularität mit jeder Cup-Herausforderung wuchs, noch immer davon, einmal die »Auld Mug«, wie er sie nannte, in Händen zu halten.
Einst als vornehmer Wettbewerb zwischen Nationen gestartet, entwickelte sich der Cup schnell zu einer Schaubühne für Talent und Technologie, um die an Land schon lange gefochten wurde. Lipton zählte zu den Ersten, die erkannten, dass die Amerikaner einen riesigen Vorteil aufgrund der Tatsache hatten, dass sie ihre Boote nur für die küstennahen Rennen bauen mussten. Die Herausforderer dagegen benötigten Boote, die stark genug für eine Atlantiküberquerung waren, bevor auch sie in die Rennen starten konnten.
Im ausgehenden 20. Jahrhundert war diese Eliteschau zur See schwerer zu gewinnen als die Olympischen Spiele. Die Geschichten über die Jäger des Heiligen Grals boten Stoff für Legenden. In einem bis zum letzten Rennen dramatisch spannenden Siegeszug entriss der australische Skipper John Bertrand dem New York Yacht Club 1983 den Cup, der ihn in den vergangenen 132 Jahren nicht aus den Händen gegeben hatte. Damit endete die längste Erfolgsserie der internationalen Sportgeschichte. Bertrand beschrieb seine Aufgabe als »Schicksalsentscheidung, ein aufwühlendes Ereignis, etwa so alt wie die Menschheit«. Bill Koch, Milliardär und Unternehmer, hat fast 70 Millionen US-Dollar investiert, um den Cup 1992 mit seiner AMERICA3 zurückzuholen, die auch »America Cube« genannt wurde. Koch nannte den America’s Cup den »skrupellosesten Wettbewerb, den ich je erlebt habe«. Als Koch gewonnen hatte, sprang er vom Bug der AMERICA3, kletterte auf den Steg des San Diego Yacht Clubs und hob die Trophäe vor den jubelnden Massen in die Höhe. »Dies ist ein Triumph für amerikanische Technologie und amerikanisches Teamwork«, erklärte er. Der Australier Frank Packer schrieb seine Besessenheit für den Cup »Alkohol und Größenwahn« zu. Andere hatten es »ein Spiel der Reichen und einen Grand Prix für Mord« genannt. Oder einen »Gentleman’s Sport, in dem gerade deshalb jedes Detail zu beachten sei«.
Larry hatte Yachtdesigns studiert. Er bewunderte und besaß Gemälde von Clippern des Marinemalers Montague Dawson. Er war erstaunt darüber, dass sich ein Rennen, das einmal mit riesigen 170 Tonnen schweren Schonern begonnen hatte, so hatte entwickeln können: Aerodynamische und hydrodynamische Designs wurden nun von NASA-Ingenieuren getestet. Telemetrie und 24-Stunden-Meteorologie bestimmten nun das Bild, dazu modernste hoch komprimierte Kohlefasern. Die unaufhaltsame Entwicklung in der Materialwissenschaft hatte die Yachten von Holz über Aluminium und Glasfaser bis hin zu Kohlefaser geführt. Einer noch moderneren Kohlefaser als jener, die für den Bau von Boeings Jetlinern verwendet wurde. Auch die Bootsklassen hatten sich dramatisch verändert. In den 1930er-Jahren waren es die J-Class-Yachten, die in Größen zwischen 119 Fuß über alles und 87 Fuß Wasserlinienlänge (36,18 m bzw. 26,5 m) bis zu 136 Fuß über alles und 75 Fuß Wasserlinienlänge gebaut wurden (41,45 m bzw. 22,8 m). Sie wurden von einigen der reichsten Männer der Erde gesegelt, darunter Lipton, Morgan und Harold »Mike« Vanderbilt. Entworfen wurden sie von dem legendären Yachtkonstrukteur Nathanael Greene Herreshoff. Während der Weltwirtschaftskrise entwickelte sich der America’s Cup zur weltweit führenden Sportveranstaltung und hob die gedrückte Stimmung.
Sogar die Boote erhielten Namen, die inspirieren sollten: ENTERPRISE (dt.: Unternehmen, Unternehmungsgeist) 1930 und RAINBOW (dt.: Regenbogen) 1934. 24 Jahre wurde der Cup dann vom Krieg unterbrochen. Erst 1958 wurden die Rennen fortgesetzt. Das Geld war nach dem Zweiten Weltkrieg knapp und der America’s Cup eine Extravaganz. Als die Regatta 1958 wieder aufgenommen wurde, trug man sie in der 12-Meter-Klasse mit den sogenannten Zwölfern aus. (Die »12 Meter« waren einer Vermessungsformel zuzuschreiben, nicht der Länge der Yachten.) Diese internationale Klasse mit den Slups und ihren 26 Meter langen Masten eignete sich auch hervorragend für Match-Race-Duelle. Etwas später, nach dem umstrittenen, aber legalen Duell zwischen Neuseeland und Dennis Conner im Jahre 1988, wurde eine neue Bootsklasse eingeführt: die Internationale America’s Cup Class (IACC). Eine Formel gab das Design der Boote vor. So sollte das Spielfeld etwas ausgeglichen werden. Diese Boote segelten erstmals 1992 vor San Diego. Dort besiegte Koch das Boot von Il Moro di Venezia, das von Paul Cayard aus San Francisco gesteuert wurde. Mit der gleichen Bootsklasse wurden die Cup-Auflagen 1995 und 2000 ausgetragen.
Mit den Veränderungen der Boote ergaben sich auch Veränderungen der Crews. Die roten Hosen und die Strohhüte der Wettbewerber von einst verschwanden. Muskelbepackte Weltklasse-Athleten, die in ihrer Schutzbekleidung und den engen Shirts wie Superhelden aussahen und Messgeräte am Körper trugen, um ihre aeroben und anaeroben Leistungsdaten zu messen, traten auf den Plan. Sie nutzten kleine elektronische Anzeigen, die Auskunft über Windgeschwindigkeit,