Der Milliardär und der Mechaniker. Julian Guthrie

Der Milliardär und der Mechaniker - Julian Guthrie


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immer noch nichts gefangen hatten und die Miene seines Vaters sich langsam verdüsterte, sagte Norbert: »Du, Papa, ich glaube, ich habe Neuigkeiten für dich, die dir gefallen werden.«

      Sein Vater blickte in seine Richtung. Norbert hatte immer gedacht, dass Jozo – wären da nicht diese leuchtend blauen Augen – mit seiner Größe, seiner Stattlichkeit und der gekrümmten Nase aussehen würde wie der Schauspieler Robert De Niro.

      »Ich bin zum Kommodore des Golden Gate gewählt worden.«

      Jozo schüttelte seinen Kopf. »Bist du verrückt geworden?«

      »Papa, du liebst doch diesen Club«, sagte Norbert überrascht.

      »Konzentriere dich aufs Geschäft«, sagte sein Vater verärgert, schwenkte seinen Sitz und kehrte ihm den Rücken zu. Es war die gleiche abrupte Beendigung des Gesprächs, die er in seinem letzten Jahr an der Highschool im Frühjahr 1974 erlebt hatte. Er war im November 18 Jahre alt geworden. Sein Einberufungsbefehl kam wenige Monate später. Er traf einen der Musterungsoffiziere. Ihm gefiel, was das Militär zu bieten hatte. Seine Eltern erwarteten von ihm ein Studium an der Universität von San Francisco, wo er bereits angenommen worden war. Doch Norbert hatte andere Pläne. Er verpflichtete sich für drei Jahre in der Armee und informierte seine Eltern erst nach der Entscheidung. Zuerst sprach er mit seiner Mutter darüber, denn er fürchtete sich vor der Reaktion seines Vaters. Er lauschte, als die beiden darüber diskutierten, wie sie ungeschehen machen könnten, was er getan hatte. »Können wir zu unserem Priester gehen und die Sache ändern lassen«, bettelte seine Mutter bei Jozo. Aber es war zu spät. Norbert verließ sie bald darauf, um in der Garage eines Freundes zu leben. Sein Vater sprach nicht mehr mit ihm. Norbert wurde trotzdem mehrfach ausgezeichnet und geehrt.

      Nachdem sie zwei Störe gefangen und einen dritten freigelassen hatten, weil er die minimale Länge unterschritt, packten Norbert und Jozo zusammen und fuhren heim in Richtung San Francisco. Als sie aus dem geschützten Meeresarm hinausfuhren, konnte Norbert den dicken Nebel sehen, der sich über der Landzunge ergoss und wie die Finger einer Hexe nach den düsteren Stahlseilen der Golden Gate Bridge zu greifen schien. Die Nebelhörner bellten in ihrem tiefen nachhallenden Klang. Zwei von ihnen waren am Steg unter dem Südturm etwa sechs Meter über der Wasserlinie angebracht. Drei weitere hingen in der Mitte der Brücke. Norbert gefiel es, dass die moderne Technologie die Hörner bislang nicht ersetzt hatte. Sie waren seit Eröffnung der Brücke in Betrieb. Norbert wusste aufgrund der in der Bucht verbrachten Zeit, dass die Hörner am Steg einen längeren und tieferen Einzelton aussandten als die in der Mitte, die zwei Töne abgaben.

      Die Bucht der Stadt bot einen schönen Anblick. Der nahende Nebel hatte die puderige blaue Farbpalette in ein perlmuttfarbenes Grau verwandelt. CROATIA fuhr so schnell sie konnte, um dem Nebel zu entkommen. Jozo hatte kein Wort gesagt, seit Norbert den Yacht Club und seine zukünftige Rolle als Kommodore erwähnt hatte.

      Als er das Thema noch einmal anschneiden wollte, blickte sein Vater ihn kalt an: »Bleib bei dem, was du kannst«, beschied er ihm, »bleib bei den Kühlern und Klimaanlagen.«

      Woodside/Kalifornien

      Frühlingsbeginn 2000

      »Ich spreche über wahre Größe. Ich spreche darüber, der Welt eine Brechstange zu servieren und sie auch einzusetzen«, sagte Larry, während er mit seinem besten Freund Steve Jobs über das Grundstück seines neuen Anwesens in Woodside marschierte, »ich rede nicht über moralische Perfektion. Ich spreche über Menschen, die zu Lebzeiten die Welt am stärksten verändert haben.«

      Jobs, der drei Jahre zuvor zu Apple zurückgekehrt war, genoss den verbalen Schlagabtausch und setzte Leonardo da Vinci und Gandhi an die Spitze seiner Liste. Leonardo, ein großartiger Künstler und Erfinder, hatte in brutalen Zeiten gelebt.

      Er war Konstrukteur von Panzerwagen, Zinnen, Befestigungswällen und vieler weiterer militärischer Waffen und Befestigungsanlagen für Festungen. Larry scherzte: Wenn Leonardo nicht schwul gewesen wäre, dann hätte er »die perfekte Ergänzung für die Bush-Behörde« sein können. Jobs, der in Indien studiert hatte, zitierte Gandhis Lehre der gewaltlosen Revolution als ein Beispiel, wie es möglich sei, moralisch sauber zu bleiben und dennoch nach dem Wechsel zu streben. Larrys Wahl des großartigsten Menschen der Geschichte hätte im Vergleich zu Gandhi nicht unterschiedlicher ausfallen können: der auf Korsika geborene Heerführer Napoleon Bonaparte. »Napoleon stürzte Könige und Tyrannen in ganz Europa. Er kreierte ein öffentliches und kostenloses Schulsystem und schrieb mit dem Code Napoleon Gesetze, die für jeden galten. Napoleon verwirklichte liberale Ziele mit konservativen Mitteln«, begründete Larry seine Wahl.

      Larry und Steve schritten über Larrys 133 546 Qudratmeter großes Grundstück namens Sanbashi, für das allein die Bauplanung vier Jahre und die Bebauung ein weiteres Jahrzehnt in Anspruch genommen hatte. Das Anwesen lag eine Stunde von San Francisco entfernt in einer bewaldeten Umgebung mit bewachten Pferdeställen. Es verfügte über einen von Menschenhand errichteten 12 141 Quadratmeter großen See, sechs Gästehäuser und ein Haupthaus, das in zwei Bereiche unterteilt war. Einer diente der öffentlichen Unterhaltung, der andere war privat. Alles war über mehrere Wege im Freien miteinander verbunden. Der See war erdbebensicher konstruiert worden, indem man ihn aus drei verschiedenen Betonschichten gegossen hatte. Tausende Steine auf dem Grundstück waren von dem japanischen Garten- und Landschaftskarchitekten Shigeru Namba, einem gefeierten Künstler, handverlesen ausgewählt und nach Zen-Prinzipien arrangiert worden. Sie wirkten, als wären sie dort über Jahrtausende hinweg von Gott platziert worden. Die Holzhäuser waren mit japanischer Verzapfung und ohne einen einzigen Nagel konstruiert worden. Das Holz kam aus dem pazifischen Nordwesten über Japan. Weil das beste Holz Nordamerikas beinahe immer von Japanern gekauft wurde, die den Preis dafür zu zahlen bereit waren, flogen Larrys Designer nach Japan, um dieses Holz zurück nach Hause zu bringen. Die Trägerbalken im Holzhaus waren aus Douglastanne aus British Columbia, die Decken bestanden aus Zedernholz, das in Oregon und im Bundesstaat Washington angebaut wurde. Auf den Böden war helles Anegre aus Afrika verlegt. Alle Fenster waren aus Museumsglas gefertigt, das sonst für Gemälde genutzt wurde, um Reflexionen zu vermeiden. Nie zuvor hatte jemand Museumsglas auf diese Weise eingesetzt.

      Sie saßen am See unter der ausufernden alten Eiche und turmhohen Mammutbäumen. Larry wiederholte seine Argumente gegenüber Steve. »Napoleon hat das moderne öffentliche Bildungswesen erfunden, öffentliche Museen und das moderne Rechtssystem. Und er hat die staatlich geförderte religiöse Diskriminierung beendet.« Und als wäre das noch nicht genug gewesen, sagte Larry, hätte er die Ghettos geräumt und den Juden Gleichheit vor dem Gesetz gegeben. »Napoleon hat Angriffskriege geführt, um Könige und Tyrannen zu stürzen. Er hatte keine Wahl. Sie konnten nicht dazu überredet werden, von ihrem Thron zu steigen.«

      Steve hatte das alles schon einmal gehört und war doch nicht zu überzeugen. »Die Napoleonischen Kriege sind nach Napoleon benannt worden. Es ist keine wirklich gute Sache, wenn viele Kriege nach dir benannt werden«, konterte Steve und machte lange Pausen zwischen den Sätzen. Das war so seine Art. »Im Gegensatz dazu waren Gandhis Methoden moralisch und seine Erfolge erheblich. Er hat Indien zur Unabhängigkeit geführt.«

      »Ja«, sagte Larry, »Indien hat seine Unabhängigkeit bekommen. Und damit einhergehend einen völkermörderischen Bürgerkrieg zwischen Hindus und Muslimen. Auf beiden Seiten sind unzählige Menschen abgeschlachtet worden.« Jobs merkte an, dass Gandhi in den Hungerstreik getreten sei, um den Krieg zu stoppen. »Ja, und für seine selbstlosen Einsätze ist Gandhi wie Lincoln erschossen und zum Märtyrer gemacht worden«, sagte Larry, »Amerikas größter Präsident hat sich an einem Krieg beteiligt, in dem mehr als 600 000 Menschen ihr Leben verloren. Er ignorierte die Verfassung und setzte den Habeas-Corpus-Grundsatz außer Kraft. Er setzte die Einberufung in Gang, um die Reihen der Unionsarmee aufzufüllen. Nach der Schlacht von Gettysburg musste er Truppen nach New York City entsenden, um die Aufstände gegen die Einberufungen niederzuschlagen. Sogar der heilige Lincoln war bereit, Zuflucht in der Gewalt zu suchen, um die Nation von der Sklaverei reinzuwaschen und die Nordstaaten zu schützen. Er konnte dem Süden die Abspaltung und die Sklaverei nicht ausreden. Die Erkenntnis ›Gewalt hat noch nie ein Problem gelöst‹ ist Unsinn.«

      Larry


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