Internationales Franchise-Recht. Dagmar Gesmann-Nuissl
sehr schwer möglich, sodass die vorherige Aufklärung auf der Strecke blieb. Das Loi Doubin vom 31.12.1989 war insofern als Reaktion auf eben diese Rechtsprechung zu sehen. Sein Ziel war es, alle Personen, die ihren Vertragspartnern in Verträgen, die im gemeinsamen Interesse abgeschlossen werden, unter Auflage von Exklusiv- oder Quasi-Exklusivverpflichtungen Firmennamen, Markenzeichen oder Unternehmenszeichen zur Verfügung stellen, mit genau vorgegebenen und zu offenbarenden Aufklärungspflichten zu belegen und damit das materiell und prozessual bestehende Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern zu beheben.
c) Anwendungsbereich: Arten von Franchiseverträgen
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Die vorvertragliche Informationspflicht nach Art. L 330-3 Code de Commerce gilt dabei für alle Formen von Franchiseverhältnissen (auch Master-Franchiseverträge), welche – verbunden mit einer exklusiven oder quasi-exklusiven Bindung – in Frankreich zur Ausführung gelangen, selbst wenn der Franchisevertrag im Ausland oder bei abweichender Rechtswahlklausel geschlossen wird.
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Der Anwendungsbereich des Art. L 330-3 Code de Commerce kann nach allgemeiner Meinung nicht vertraglich ausgeschlossen werden, da die Vorschrift auch öffentliche Belange berührt beziehungsweise im öffentlichen Interesse besteht.50 Ihre Geltung kann daher auch nicht dadurch umgangen werden, dass der Vertrag einem anderen als dem französischen Recht unterworfen wird.51 Der Art. L 330-3 Code de Commerce ist selbst dann anzuwenden, wenn der Vertrag im Ausland geschlossen oder eine abweichende Rechtswahlklausel getroffen wurde. Sobald der Vertrag in Frankreich zur Ausführung gelangt, d.h. eine Vertriebsaktivität auf der Grundlage des Vertrags entfaltet wird, greifen die Vorschriften des Art. L 330-3 Code de Commerce.52
d) Informations- und Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers im Einzelnen
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Der Franchise-Geber muss dem Franchise-Nehmer alle Unterlagen und Informationen wahrheitsgemäß zur Verfügung stellen, die für diesen erforderlich sind, um den Franchisevertrag in Kenntnis aller für das Franchiseverhältnis wesentlichen Umstände/Fakten abschließen zu können (Art. L 330-3 Abs. 1 Code de Commerce).
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Die Informationen sind – entsprechend Art. L 330-3 Abs. 2 Code de Commerce i.V.m. Art. R 330-1 Code de Commerce – in einem Dokument beziehungsweise einer Offenlegungsschrift („document de information“ – kurz: DDI) zusammenzuführen, welches der Franchise-Geber anzufertigen und dem Franchise-Nehmer 20 Tage vor Vertragsschluss mit dem Vertragsentwurf zu offenbaren (übergeben) hat.
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Art. L 330-3 Code de Commerce und die Ausführungsbestimmungen in Art. R 330-1 Code de Commerce sehen neben den inhaltlichen Vorgaben keine spezielle Form hinsichtlich des DDI und der Art und Weise seiner Übergabe vor. Insofern werden derzeit verschiedenste Formen in der Praxis genutzt, u.a. in Papierform, elektronischer Form (per E-Mail, CD) oder dem Öffnen von Cloud-Systemen. Gleich welcher Form sich der Franchise-Geber bedient, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass er im Streitfall den Nachweis darüber zu führen hat, dass die Information den Franchise-Nehmer rechtzeitig vor Vertragsschluss erreicht hat. Daher wird er – auch wenn dies gesetzlich nicht abgefordert wird – vernünftigerweise Empfangsbestätigungen vom Franchise-Nehmer erbitten oder Zugangsprotokolle anfertigen (lassen).
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Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Informationen für den Empfänger, d.h. den potenziellen Franchise-Nehmer, verständlich sein müssen. Auch dies ergibt sich nicht direkt aus Art. L 330-3 Code de Commerce, wird allerdings aus den generell gültigen Prinzipien des Zivil- und Handelsrechts – insbesondere aus „Treu und Glauben“ (Art. 1104, 1112 Code Civil) – abgeleitet. Ob dies auch das Abfassen des Informationsdokumentes in französischer Sprache erfordert, ist ungeklärt – in der Praxis wird dies jedoch empfohlen.
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In Frankreich existieren auch keine in der Ausführlichkeit den amerikanischen Mitteilungsbögen53 vergleichbaren und verbindlich einzusetzenden Vordrucke, allerdings stellt die „fédération représentative de la franchise (fff)“ zumindest ein Muster-Formular zur Verfügung (Modèle de Document d’information précontractuelle proposé par la Fédération française de la franchise54), welches dem Franchise-Geber in Anlehnung an die gesetzlichen Vorgaben als Hilfestellung bei Erstellung des DDI dienen soll. Hieran kann sich der Franchise-Geber orientieren.
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Die vorvertraglichen Informationspflichten erstrecken sich auf alle Bereiche, die für den Franchise-Nehmer, bezogen auf sein künftiges Engagement im Vertriebsnetz, von Bedeutung sind – von Angaben zum Franchise-Geber über die nähere Ausgestaltung des Vertriebsnetzes des Franchise-Gebers bis hin zu den zu avisierten Entwicklungen.55
Art. R 330-1 Code de Commerce
Das Dokument nach Art. L 330-3 Code de Commerce muss die folgenden Angaben enthalten:
1. Die Adresse des Firmensitzes und die Art ihrer Tätigkeit mit der Angabe ihrer Rechtsform und die Personalien des Unternehmensinhabers im Falle einer natürlichen Person oder der Geschäftsführer bei juristischen Personen sowie gegebenenfalls die Höhe des Gesellschaftskapitals.
2. Die Angaben in 1 und 2 des Art. R 123-237 Code de Commerce oder die Eintragungsnummer im Handelsregister oder in der Handwerksrolle und für den Fall, dass eine Marke infolge einer Übertragung oder Lizenzierung erworben wurde, das Datum und die Nr. der entsprechenden Eintragung der Marke bei der nationalen Registrierungsbehörde und für Lizenzverträge die Angabe der Dauer der Lizenzvergabe.
3. Die Bankverbindung(en) des Unternehmens. Diese Angabe kann auf die fünf wichtigsten Bankverbindungen beschränkt werden.
4. Das Datum der Gründung des Unternehmens mit der Darstellung der wichtigsten Phasen seiner Entwicklung, einschließlich der Entwicklung des Vertriebsnetzes, sowie sämtliche Angaben, die es erlauben, die erworbene Berufserfahrung des Unternehmers oder Geschäftsführers einzuschätzen.
Die Informationen des vorherigen Absatzes haben sich auf die letzten fünf Jahre zu erstrecken, die der Vorlage des Dokuments vorangehen. Sie sind durch eine Darstellung des Zustands des allgemeinen und lokalen Waren- oder Dienstleistungsmarktes, der Gegenstand des Vertrages werden soll, sowie durch die Entwicklungsmöglichkeiten dieses Marktes zu ergänzen.
Dem Dokument müssen ferner die Jahresabschlüsse der letzten zwei Geschäftsjahre sowie bei börsennotierten Unternehmen die die Geschäftsberichte der letzten zwei Jahre gemäß Art. L 451-1-2 des Französischen Währungs- und Finanzgesetzes (LOI nº2014-1662 du 30 décembre 2014) angehängt werden.
5. Die Systemdarstellung mit folgenden Angaben:
a) die Liste der angeschlossenen Unternehmen unter Angabe der jeweils vereinbarten Geschäftstätigkeit;
b) die Adressen der in Frankreich befindlichen Unternehmen, mit denen die den Vertrag anbietende Person durch gleichartige Verträge verbunden ist, wie jener, dessen Abschluss vorgesehen ist; das Datum der Unterzeichnung oder Erneuerung dieser Verträge ist anzugeben;
wenn das Vertriebsnetz aus mehr als 50 Unternehmen besteht, werden die im vorangehenden Abs. genannten Angaben nur für die 50 Unternehmen gefordert, die dem Ort der vorgesehenen Niederlassung am nächsten liegen.
c) die Zahl der Unternehmen, die durch Verträge derselben Art, wie sie jetzt geschlossen werden sollen, an das Vertriebsnetz gebunden waren, aber im Laufe des Jahres vor Übergabe des Dokumentes ausgeschieden sind. Im Dokument ist anzugeben, ob der Vertrag ausgelaufen ist, gekündigt oder annulliert wurde;
d) gegebenenfalls das Vorhandensein weiterer Unternehmen, die im vertraglich