Internationales Franchise-Recht. Dagmar Gesmann-Nuissl
seiner finanziellen Situation – müssen wahrheitsgemäß erfolgen und dürfen keinen falschen Eindruck beim potenziellen Franchise-Nehmer hervorrufen. Ein solcher, falscher Eindruck kann beispielsweise hervorgerufen werden, wenn der Franchise-Geber behauptet, dass ein Franchisesystem existiert, dies jedoch nicht oder nicht in dem angegebenen Maße vorhanden ist (sog. „Scheinexistenz“ eines Franchisesystems).71 Unter dem Aspekt „Informationen zum Franchise-Geber“ wurde ferner über die Geschäftsbezeichnung einer Franchise-Geberin verhandelt, wobei die Franchise-Geberin durch die Bezeichnung „Laboratoires“ den Eindruck erweckt haben soll, Laboreinrichtungen vorzuhalten, jedoch lediglich Händlerin für Kontaktlinsen und Zubehör war.72 Die Klage wegen Täuschung wurde am Ende abgewiesen, da es das Gericht als erwiesen ansah, dass die vorgelegten Dokumente – und nur darauf kommt es demnach an – nicht über die Geschäftstätigkeit täuschten und auch keine aktiven Hinweise auf Forschung oder Labortätigkeit seitens der Franchise-Geberin erfolgten.
(4) Auskunft über das Franchisesystem/Franchise-Nehmer-Netz
(a) Pilotbetrieb
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Schon vor Inkrafttreten des Loi Doubin befasste sich die Rechtsprechung mit sog. Pilot- beziehungsweise Referenzbetrieben. Der Hintergrund war, dass man davon ausging, dass ein Franchise-Geber eine Geschäftsidee nur dann an potenzielle Franchise-Nehmer redlicherweise weiterempfehlen kann, wenn er das Geschäftskonzept zuvor mit Erfolg erprobt hat („erprobte Handelstechniken“) und dies dem potenziellen Franchise-Nehmer auch darlegen kann. Insofern forderte man einen solchen Pilot- oder Referenzbetrieb, anhand dessen z.B. die Existenz des Know-hows vom potenziellen Franchise-Nehmer bewertet werden konnte.73 Waren solche Pilot- oder Referenzbetriebe vorhanden und hatte der potenzielle Franchise-Nehmer Gelegenheit, sich ein Bild über die Handelstechniken zu machen, konnte der Franchisevertrag nicht aufgrund Irrtums über eben diese Handelstechniken angefochten werden.74 Nach Ansicht einzelner Gerichte hatte die Anzahl der Pilotbetriebe zudem einen direkten Einfluss auf den Bekanntheitsgrad der Marke – wenige Pilotbetriebe sprachen für eine inexistente Marke.75 Schließlich waren nach der Rechtsprechung Größe und Ausstattung des Pilotbetriebs für die Erfolgsaussichten des Franchisebetriebes ein wesentlicher Indikator.76
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Nach Inkrafttreten des Loi Doubin rückten diese Gedanken dann in die Rubrik „Adressenlisten der Franchise-Nehmer“ (Art. R 330-1 Nr. 5a, 5b Code de Commerce). Die im DDI geforderten Adressenlisten haben nämlich denselben Sinn. Sie sollen dem potenziellen Franchise-Nehmer die Möglichkeit eröffnen, sich umfassend zu informieren („Insider-Informationen“). Sind sie fehlerhaft und ist deshalb die Information nicht möglich, berechtigt dies zur Anfechtung.77 Wurden sie andererseits kommuniziert und nahm der Franchise-Nehmer die Möglichkeit der Information nicht in Anspruch, kann er sich nicht auf einen Irrtum über Umstände berufen, welchen er bei Inanspruchnahme der vorgelegten Adressen hätte ausräumen können.78
(b) Änderung der Anzahl der Unternehmen im Vertriebsnetz
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Zu unterschiedlichen Einschätzungen kamen die französischen Gerichte bei der Änderung der Anzahl der im Franchisenetz befindlichen Betriebe. Während einzelne Gerichte einer Änderung keine Bedeutung zumaßen, da es vollkommen normal sei, dass sich Franchisesysteme auch weiterentwickelten und damit auch verkleinerten,79 sahen andere Gerichte (hier sogar nur eine andere Kammer desselben Gerichts) gerade in der Verringerung der Anzahl der im Netz befindlichen Betriebe (Systemaustritte) einen unbedingt zu kommunizierenden Umstand, da dies zum Ausdruck brächte, dass das Interesse an eben diesem Geschäftsmodell nachlasse.80
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Mit Einführung des Loi Doubin sind die austretenden Handelsbetriebe nunmehr zu benennen – Streitigkeiten sind, soweit ersichtlich, diesbezüglich nicht mehr geführt worden (Art. R 330-1 Nr. 5c Code de Commerce).
(5) Verpflichtung sowie Art und Umfang der Marktstudie/-analyse
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In einer Reihe von Urteilen werden das Erfordernis sowie die Art und der Umfang der Marktstudien thematisiert. Es geht um die in Art. R 330-1 Nr. 4 Code de Commerce geforderte „Darstellung des Zustands des allgemeinen und lokalen Waren- oder Dienstleistungsmarktes, der Gegenstand des Vertrages werden soll, sowie der … Entwicklungsmöglichkeiten dieses Marktes“.
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Bezüglich des Erstellens solcher Marktstudien weist die französische Rechtsprechung konstant – vor und nach dem Loi Doubin – darauf hin, dass der Franchise-Geber nur die Leistung81 und nicht den Erfolg82 schulde. Er muss nur adäquate Mittel einsetzen, um eine solche Studie überhaupt zu erstellen beziehungsweise erstellen zu lassen, und trägt dabei allenfalls für die Grundlage der Berechnungen (z.B. das Zahlenmaterial aus dem eignen Unternehmen) die Verantwortung.83 Für Berechnungsgrundlagen, die er nicht selbst verantwortet (z.B. Mietspiegel), kann er nicht verantwortlich gemacht werden. Hat der Franchise-Geber eine Marktstudie in Auftrag gegeben und dazu sorgfältig seine eigenen Zahlen geliefert, ist es ihm nachher nicht anzulasten, d.h. er ist nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die Studie zu optimistischeren Berechnungen und Einkünften kommt, als sie sich schließlich seitens des Franchise-Nehmers erreichen ließen. Dem Franchise-Geber obliegt nämlich grundsätzlich keine Verpflichtung zur Garantie.84
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Sofern in Frankreich ein Franchise-Geber wegen der Marktstudie verurteilt wurde, so nicht wegen der nicht erreichten prognostizierten Zahlen, sondern eigentlich nur, weil sich eigene Fehler bei der Vorbereitung oder beim Erstellen der Studie eingeschlichen haben. Nur solche Fehler sind relevant. Hierbei wird differenziert zwischen den „ungenügend beziehungsweise grob fehlerhaft ausgearbeiteten“85 oder den (sogar) „wissentlich falsch ausgearbeiteten“86 Marktstudien.
(6) Auskunft zu den voraussichtlichen Investitionen/Gebühren des Franchise-Nehmers
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Nach Art. R 330-1 Nr. 6 Code de Commerce sind weiter alle „Bedingungen“, z.B. die voraussichtlichen Gebühren sowie die erforderlichen Investitionen, die vom potenziellen Franchise-Nehmer zu erbringen sind, vor Vertragsschluss bekannt zu geben. Auch diese „Bedingungen“, insbesondere die Aufklärung über anfallende „Gebühren“, waren immer wieder Anlass für Rechtsstreitigkeiten.
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Nachdem die Gerichte sehr schnell die „Einstiegsgebühr“ als eine Gebühr definiert hatten, die „einmal unwiderruflich bei Vertragsunterzeichnung zu zahlen ist, wobei sie den Aufwendungen und Arbeiten des Franchise-Gebers hinsichtlich der Errichtung des Systems und der Übermittlung des Knowhows entspricht“87 und damit insbesondere Systemeingliederungsleistungen abgegolten werden, stellte sich alsbald die Frage, ob bei der Eröffnung weiterer Betriebe erneut Einstiegsgebühren zu leisten sind. Die französischen Gerichte entschieden differenziert: Wird eine Einstiegsgebühr nur als Kostenerstattung für das übermittelte Know-how angesehen, so ist es verständlich, dass sich der Franchise-Nehmer weigert, die Gebühr bei Eröffnung einer weiteren Betriebsstätte zu leisten, da er für den Know-how-Transfer seine Leistung bereits erbracht hat. Verstecken sich allerdings hinter der Eintrittsgebühr zusätzliche Aufwendungen auf eine Betriebseröffnung, wie z.B. Kosten für eine Standortanalyse, Ladenlokalakquise etc., dann ist für die Eröffnung eines weiteren Betriebs auch eine erneute „Eintrittsgebühr“ zu entrichten.88
(7) Auskunft zu Unterstützungsleistungen
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Inwieweit der Franchise-Geber den Franchise-Nehmer über Art und Umfang von Unterstützungsleistungen zu informieren hat, ist ebenfalls Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Art. R 330-1 Code de Commerce spricht die Unterstützungsleistung zwar nicht direkt an, allerdings – so die Gerichte – sei allgemein davon auszugehen, dass der Franchise-Geber erforderliche Unterstützungsleistungen schulde.89 Was nun aber erforderlich ist und welche Aktivitäten tatsächlich abgefordert werden können (z.B. Einweisungen