Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente. Thomas Weck
dies der Fall ist, ergibt sich aus der Optionsprämie, denn der Berechnung dieser Prämie liegen Annahmen über die künftige Volatilität (implizite Volatilität) des Referenzwerts (Aktien) zugrunde. Der Hedgefonds muss also ermitteln, ob die vom Emittenten geforderte Optionsprämie vor dem Hintergrund der eigenen Annahmen des Hedgefonds hoch oder niedrig ist.
Zu diesem Zweck wird der Hedgefonds die Erträge aus der Anlage und die Kosten der Transaktion, die Kosten einer Isolierung der in die Wandelanleihe hineinstrukturierten Option und schließlich die implizite Volatilität der Option ermitteln. Die Kosten der Transaktion ergeben sich aus den Kosten eines Finanzierungskredits (Kreditzins), die vom erwarteten Zinsertrag der Wandelanleihe abzuziehen sind. Zu den Kosten einer Isolierung der Option zählen die Kosten einer Absicherung gegen die mit den Komponenten der Anleihe verbundenen Risiken, also Ausfall- und Zinsrisiken. Die gewünschte Absicherung lässt sich über einen CDS und einen Zinsswap erlangen.564
Weil es sich im vorliegenden Fall um ein Arbitragegeschäft handelt, muss der Hedgefonds weiter sicherstellen, dass er die Option mit Gewinn verkaufen kann. Zum Zweck einer derartigen Absicherung kann er zum einen selbst eine Calloption mit höherer impliziter Volatilität verkaufen, wenn solche Optionen am Markt (börslich/OTC) gehandelt werden. Zum anderen kann er einen höheren Verkaufspreis künstlich durch eine synthetische Strategie bewirken (sog. delta hedging)565. Dazu muss der Hedgefonds sich so stellen, als ob er eine Option mit einer Volatilität erworben hätte, bei der eine Veräußerung zum angestrebten Preis pro Anteil möglich wäre. In einem solchen Fall würde die Option jedoch ein Anrecht auf eine geringere Zahl von Aktien vermitteln. Der Hedgefonds wird deshalb ihm von seiner Bank (Primebroker566) geliehene Aktien des Emittenten leer verkaufen. Der Kaufpreis aus dem Leerverkauf wird von der Bank als Sicherheit einbehalten und in sichere, kurzlaufende Papiere (Geldmarkttitel) zinsneutral investiert. Die Provision der Bank erhöht die Kosten der Option.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Abstand zwischen Optionspreis und Aktienkurs (Delta) sich im Zeitablauf verändert. Außerdem kann der Leerverkauf den Kurs der Aktien des Emittenten beeinflussen (Gammaeffekt). Es kann also nötig werden, die Absicherung (hedge) entsprechend anzupassen, woraus sich weitere Kosten ergeben können.
Der Hedgefonds kann im zuvor beschriebenen Beispiel einen Gewinn in Höhe der Wertdifferenz zwischen gekaufter und verkaufter Volatilität generieren. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Arbitrage des Hedgefonds die Preissetzung bei der Wandelanleihe verbessert. Demgegenüber stehen andererseits die Risiken der Transaktion. Dazu zählen unter anderem Modellrisiken hinsichtlich der Bewertung der impliziten Volatilität der Option und der zu erwartenden, erforderlichen Anpassungen des hedge. Außerdem gehen die Sicherungsgeschäfte (CDS, Zinsswap) und der Leerverkauf mit jeweils eigenen Risiken einher. Im Anschluss an die weitere Untersuchung wird auf das hier beschriebene Beispiel mit Blick darauf zurückzukommen sein, ob die gegenwärtige Regulierung zur Abwehr möglicher Gefahren aufgrund solcher Transaktionen ausreicht.567
563 Marshall/Marshall, The Use of Derivatives in Financial Engineering: Hedge Fund Applications, in: Kolb/Overdahl, Financial Derivatives: Pricing and Risk Management, 1. Aufl. 2010, 525ff. 564 Dabei ist eine Absicherung gegen das Zinsrisiko grundsätzlich nur in Höhe der Differenz der (erhaltenen) Zinsen aus der Anleihe einerseits und der (an den Finanzierungsgeber zu zahlenden) Kreditzinsen andererseits erforderlich; vgl. Marshall/Marshall (Fn. 563), 525 (530). 565 Bei einer solchen Strategie nutzt der Hedgefonds die Schwankungen im Optionspreis, die durch Änderungen des Referenzwertes (Delta) ausgelöst werden; Marshall/Marshall (Fn. 563), 525 (531ff.). 566 Siehe Art. 4 Abs. 1 lit. af RL 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen 1060/2009 und 1095/2010, ABl. L 174 vom 1. Juli 2011, S. 1 zu diesem Begriff. 567 Siehe unten Kap. 7.G (S. 1020).
Q. Zusammenfassung und Ausblick auf mögliche Weiterentwicklungen
Finanzinstrumente dienen dem Handel mit erwarteten Kapitalflüssen und damit einem Handel mit Risiken. Die im nationalen Recht definierten Wertpapiere (d.h. herkömmliche Eigen- und Fremdkapitalinstrumente) mögen einen Großteil des Handelsvolumens ausmachen. Sie stellen aber nur einen Bruchteil der existierenden Finanzinstrumente dar. Dabei ist die Risikostruktur von Tranchierungsverbriefungen, strukturierten Produkten mit derivativer Komponente und reinen Derivaten wesentlich komplexer als die Risikostruktur herkömmlicher Wertpapiere. Aufsichtsrechtlich ist sie jeweils von Bedeutung, soweit Dritte durch die Transaktion Risiken ausgesetzt werden können.
Ebenso wie herkömmliche Anleihen können Tranchierungsverbriefungen (ABS) und strukturierte Produkten mit derivativer Komponente zur Refinanzierung genutzt werden (atypische Anleihen). Die Emittenten sind anstelle sonstiger Unternehmen allerdings häufig Finanzintermediäre. Gerade für Banken ist die Emission atypischer Anleihen interessant, um damit ihr Kreditgeschäft zu refinanzieren. Um die Übernahme der Kreditrisiken für die Anleger attraktiv zu machen, können die Banken die Risiken poolen und tranchieren (ABS) oder durch eine derivative Komponente anreichern, bevor sie sie verbriefen. Diese Maßnahmen lassen jedoch die Informationsasymmetrien zwischen den Emittenten (Banken) und den Anlegern wachsen. Denn Letztere müssen dann nicht nur das Kreditgeschäft bewerten, in das sie investieren, sondern auch die Modifizierung des Risikos in der von ihnen erworbenen Verbriefung.
In Derivatekontrakten werden zwei zueinander gegenläufige, künstliche Risiken vereinbart. Die Risikostruktur des Derivats kann symmetrisch (unbedingtes Termingeschäft bzw. Future-/Forwardgeschäft) oder asymmetrisch (bedingtes Termingeschäft bzw. Optionsgeschäft) sein. Im letztgenannten Fall entscheidet über die Leistung der Leistende (put) bzw. der Empfänger (call). Dadurch, dass Risiken alleiniger Vertragsgegenstand sind, können Derivate zur Risikoverschiebung eingesetzt werden. Daneben weisen sie ebenso wie Anleihen eine Hebelwirkung auf. Diese ist hier nur nicht vom Laufzeitende eines beim Anleihezeichner aufgenommenen Kredits, sondern von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig. Der Kontrakt umfasst auch nur die Differenz der Leistungen aus gegenwärtigen und zukünftigen Kassageschäften, weshalb erst bei Eintritt des vereinbarten Ereignisses überhaupt eine Leistung fällig wird (Differenzgeschäft). Diese Merkmale machen Derivate einerseits für die Transaktionspartner attraktiv, denn sie bedeuten, dass solche Kontrakte zunächst ohne Kapitaleinsatz abgeschlossen werden können. Die Hebelwirkung führt indes andererseits zu einer Risikoverkettung, die sich zum Nachteil Dritter auswirken kann. Dabei lassen die Auswirkungen auf Dritte nur in einer Gesamtschau beurteilen. Denn bei einem spekulativen Einsatz des Derivats erhöht sich das Risiko sowohl für den spekulierenden Transaktionspartner als auch für den Gesamtmarkt. Bei Absicherungsgeschäften (hedging) kann einer der Transaktionspartner ein für ihn schon bestehendes Risiko ausgleichen, wodurch auch das Risiko für den Gesamtmarkt sinkt. Im Fall der Arbitrage spekuliert ein Transaktionspartner in einer Weise, die das Risiko für den Gesamtmarkt vermindert.
Die Einteilung der Derivate in diesem Kapitel beruht im Wesentlichen darauf, dass die Derivate jeweils Risiken anderer Art abbilden, sodass auch mitbetroffene Dritte jeweils anderen Risiken ausgesetzt sind. Der Fokus lag hier insofern auf Finanzderivaten. So bilden Kreditderivate Ausfallrisiken, Kapital-/Fondsderivate (EDS/ELN/ELO bzw. FLN/CFO) Marktpreisrisiken, Volatilitätsderivate Schwankungsrisiken ab usw. Allerdings wurde zumindest kurz darauf verwiesen, dass Derivate auch alle möglichen anderen Risiken innerhalb und außerhalb der Finanzmärkte abbilden können. Die Spanne reicht hier von Rohstoff- und Warenderivaten, deren Risikostruktur unter anderem die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Waren abbildet, bis hin zu Wetterderivaten und Katastrophenanleihen (cat bonds). Die Betrachtung verkompliziert sich weiterhin dadurch, dass auch Geschäfte mit herkömmlichen Wertpapieren so strukturiert werden können, dass sie ähnliche Funktionen wie Geschäfte mit derivativen Finanzinstrumenten erfüllen (insb. zeitweilige Wertpapierüberlassungen). Dies spiegelt sich in dann vergleichbaren Risikostrukturen der relevanten Transaktionen.