In der inneren Welt (Band 2). Hero Leander
zusammen in Posid waren. Sie saßen mit Sharula auf der Wiese vor unserer Herbergsschule. Sie gehören zu dieser Klasse, zu der du sicher auch bald gehören wirst. Kannst du dich erinnern, dass dir ein Schüler helfen wollte, als du dich ins Gras gesetzt hattest. Das war Hermann.“
„Das war mein Bruder? Aber warum hat er und Herbert uns dann nicht begrüßt?“, fragte Diana enttäuscht.
„Ich habe ihnen erst hinterher gesagt, wer ihr wart. Nur so war es möglich, dass deine Mama sich nicht ausgegrenzt fühlt. Ich wollte ihr auf keinen Fall weh tun. Herbert und Hermann hatten keine Ahnung, dass du ihre Schwester bist. Aber jetzt sind sie sehr gespannt und stolz auf dich. Keiner der anderen Schüler hat Geschwister. Das gibt es bei uns nicht. Nun aber haben die Zwillinge noch eine Schwester. So etwas hat es noch nie gegeben. Die ganze Klasse ist unheimlich neugierig. Sie hatten noch nie Kontakt mit einem Kind, welches auf der äußeren Erde gelebt hat. Sie werden viele Fragen an dich haben. Vor allem die beiden Mädchen. Du hast ihnen manches voraus.“
„Ich bin kein Kind mehr!“, rief Diana etwas befremdet.
„Bei uns schon. Alle bis zum 35. Lebensjahr sind bei uns Kinder. Dafür lebt man bei uns viel länger.“
Überzeugt erwiderte Diana nun: „Na ja, von mir aus. Und die warten wirklich auf mich? Ich dachte, ich bin dort ganz fremd. So sieht die Sache ja ganz anders aus. Wann fliegen wir? Jetzt gleich?“
„Heute noch, wenn ihr wollt.“ Nach einer Pause meinte Diane zu Wolfgang: „Kannst du dich an das Orakel erinnern, welches meine Mutter während ihrer Schwangerschaft zu meinem Horoskop bekommen hat?“ Er nickte. „Einen der drei letzten Punkte haben wir inzwischen erkannt. Es war die Information, die besagte, dass ich mich mehrfach vervielfältige und damit in die Geschichte der Atlanter eingehe. Mit der Vervielfältigung sind die Zwillinge gemeint. Das gab es in der langen Geschichte der Atlanter noch nie.“
„Was für ein Orakel?“, fragte Diana und Diane erzählte ihr von den Informationen, die Arebe bekam, als sie mit ihr schwanger war.
„Und das hat man deiner Mama gesagt, als sie mit dir schwanger war? Aber das geht doch gar nicht. Sie konnten doch nicht wissen, dass du einmal Papa triffst!“, warf jetzt Diana ein.
„Und doch war es so“, erklärte Diane. „Ein Orakel kann weit in die Zukunft reichen, aber oft versteht man es erst, wenn es sich erfüllt hat.“
„Und die letzten beiden Punkte?“, fragte Wolfgang.
„Sie haben sich noch nicht offenbart. Einmal hatte Ephros den Gedanken, dass mit den Brücken zu einem weniger bekannten Volk die Zwillinge und du gemeint sein könnten, aber ihr seid ja nur drei. Also konnte das auch nicht stimmen.“
„Wie lauteten denn diese beiden Orakelsprüche noch mal genau?“, fragte Diana jetzt ganz aufgeregt. Sie hatte eine Idee, wollte aber erst sicher sein, eh sie darüber sprach.
Diane holte aus ihrem Gedächtnis die beiden noch offenen Orakelsprüche und trug sie Diana vor: „Ich werde zum ersten Mal auch eine Basisquelle ersetzen. Und dann werde ich auch mit Traditionen brechen und dabei fünf Brücken bauen, von denen eine vergänglich sein wird.
Doch alle diese Brücken werden zu einem weniger bekannten Volk führen.“
Vollkommen aufgeregt meinte Diana jetzt: „Und wenn ich die vierte Brücke bin und vielleicht Mama die Fünfte?“
Wolfgangs Stirn zog sich in Falten. „Das wäre möglich, aber Mama ist doch …“ Plötzlich riss er die Augen auf, umarmte spontan seine Tochter und rief: „Die vergängliche Brücke! Das ist Mama! Diana, du hast es gefunden!“
Die Atlanterin nickte ebenfalls euphorisch. „Damit könntet ihr recht haben. Wir werden das im Clan besprechen, aber es sieht ganz so aus, als ob ihr es gefunden habt. Sie werden sich mit uns freuen, dass wir wieder einen Orakelpunkt erkannt haben. Nur die Sache mit dem Ersetzen der Basisquelle hat sich offenbar noch nicht erfüllt.“
„Dann vielleicht später“, meinte nun Diana überzeugt. Danach fiel ihr wieder das Gespräch von vorhin ein und sie fragte wiederholt. „Wann wollen wir fliegen?“
„Wann ihr wollt, sobald es dunkel geworden ist.“
„Was, wirklich?“ Diana konnte es gar nicht fassen.
„Dann solltest du dir alles, was dir wichtig ist, zusammen suchen“, erklärte Wolfgang seiner Tochter.
„Aber geht denn das alles in das UFO rein?“
„Du brauchst nur die Erinnerungsstücke, von denen du dich nicht trennen willst. Fotoalben, deine beiden Kuscheltiere und vielleicht auch ein paar Bücher, sonst nichts.“
„Nichts weiter? Keine Sachen? Soll ich denn dort nackt herumlaufen?“
„Das bekommst du in Posid alles, wie du es brauchst. Oder willst du mit deinen modischen Sachen dort herumlaufen, so dass man schon von weitem sieht, dass du kein Atlanter bist?“, fragte sie jetzt Diane.
„Na, das nun auch gerade nicht. Aber dann brauch ich ja gar nicht so viel.“
„Stimmt!“, bestätigte ihr Vater und schon war sie in ihrem Zimmer verschwunden. Wolfgang nahm jetzt Diane an die Hand und verließ die Wohnung, ging mit ihr durch den Keller und verließ das Haus auf der Hofseite. Nun führte er sie an die Blumenrabatte, wo an einer Stelle zwei Rosen nebeneinander standen. „Es ist ein Rote und eine Weiße. Jetzt im März blühen sie aber noch nicht.“
Wortlos dreht sich Diane zu ihm und umarmte ihn ganz heftig. Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Du hast die gleichen Rosen hier noch einmal gehabt?“
Wortlos nickte Wolfgang. Doch dann sagte er: „Sie standen anfangs genau so in meinem Schlafzimmer, wie bei euch in meinem Zimmer. Als aber Marina zu mir zog, hatte ich sie dann hier her gepflanzt. Wie hätte ich ihr diese Rosen erklären sollen?“
Sie streichelte ihn ganz zärtlich. „Du hast mich die ganze Zeit nicht vergessen.“ Und wieder drückte sie ihn ganz fest an sich. „Ich dich auch nicht. Ich habe deine Rosen in deinem Zimmer die ganze Zeit gepflegt und immer gehofft, dass du zurückkommst. Nun ist der Tag da und ich kann es immer noch nicht begreifen.“ Noch einmal schlossen sich ihre Arme ganz fest um seinen Körper und sie weinte vor Glück.
Nach einer Weile fragte Wolfgang: „Wollen wir die Rosen hier lassen?“
Wieder liefen ihr Tränen übers Gesicht. All ihre Befürchtungen, Wolfgang könne sie mit der Zeit vergessen, kamen jetzt wieder in ihr hoch. Sie war überglücklich, dass er sie die ganze Zeit genau so vermisst hat, wie sie ihn. Deshalb antwortete sie: „Ja. Sollen sie hier von unserer Liebe künden und all denen Hoffnung geben, die auch auf ihr Glück lange warten müssen.“
Auf dem Rückweg in die Wohnung blieb Wolfgang im Keller plötzlich stehen. Ihm war sein Traum eingefallen, den er am zweiten Wochenende in Posid geträumt hatte. Er war im Traum auf der Tigerwiese in Posid mit Diane, zwei jungen Männern und einem jugendlichen Mädchen. „Diane!“, rief er heftig aus. „Erinnerst du dich an meinen Traum, den ich damals …“
„Ich lese ihn in deinen Gedanken. Ja, du hattest eine Zukunftsvision. Es waren Hermann, Herbert und Diana, die mit auf der Wiese waren. Welch wundersame Dinge es doch zwischen Himmel und Erde gibt.“
Eng umschlungen kamen sie wieder in der Wohnung an. Diana hatte sie schon vermisst. „Wo wart ihr denn?“
„Ich habe Diane nur unseren Hof gezeigt.“
„Ach so.“ Diana winkte ab. „Da gibt’s doch nichts Besonderes zu sehen.“
„Es wird langsam dunkel. Damit öffnet sich die innere Erde für euch“, erinnerte jetzt Diane. Zu Wolfgang gewandt sagte sie: „Es war der Wunsch von Marina, dass ich euch mitnehme.“
Er nickte. „Sie hat uns beiden viel Glück gewünscht. Was hatte ich doch für eine wundervolle Frau?“, sagte er mit Tränen in den Augen. Dann weinte er noch einmal bitterlich. Seine Tochter und auch Diane setzten sich jetzt zu ihm und versuchten ihn zu trösten.