In der inneren Welt (Band 2). Hero Leander

In der inneren Welt (Band 2) - Hero Leander


Скачать книгу
noch die nötige Eigenschwingung erreichen. Das wird aber sehr bald sein.“

      „Ach, wenn du nur recht hättest“, seufzte Marina.

      Plötzlich sah Diane sie ganz intensiv an, riss die Augen auf und starrte Marina an. Diese nickte nur unmerklich. Da setzte sich Diane direkt neben Marina und umarmte sie wortlos.

      „Was ist denn plötzlich in euch gefahren?“, fragte Wolfgang lachend.

      Diane sah ihn an und sagte: „Ich verstehe Marina.“ Dann nahm sie ihre Hand und hielt sie ganz fest.

      „Danke, Diane. Du bist eine wirkliche Freundin.“ Tränen liefen über ihr Gesicht. „Ich nehme alles zurück, was ich Schlechtes von dir gedacht habe. Du bist sehr lieb.“

      Wolfgang verstand nun gar nichts mehr. Aber da die beiden schwiegen, gab er sich damit zufrieden, dass sie sich vertrugen. Wenn auch diese Einigung etwas Merkwürdiges an sich hatte.

      Sie besprachen, dass Diane noch einen Tag blieb. Marina machte ihr die Couch im Wohnzimmer zum Schlafen fertig. Dann zogen sie sich zurück. Als er schon im Bett lag, fragte Wolfgang seine Frau: „Irgendetwas verschweigt ihr mir doch? Was ist es?“

      „Frauensache!“, war die ganze Antwort von Marina. Mehr war aus ihr nicht herauszuholen. Also gab Wolfgang auf. Dann war es sicher auch nicht so wichtig.

      Am nächsten Morgen gab es schon das erste Problem. Diana wollte ins Bad, aber dort war schon Diane. „Papa, ich will mich fertig machen. Kannst du Diane nicht sagen, dass sie das Bad räumen soll.“

      „Was macht sie?“

      „Sie steht unter der Dusche. Das kann dauern.“

      „Dann geh einfach rein. Sie stört das ganz gewiss nicht“, riet ihr Wolfgang.

      „Aber das geht doch nicht! Sie hat ja nichts an“, entgegnete Diana entrüstet.

      „Es geht! Sie ist das so gewohnt. Die Menschen in Posid schämen sich nicht. Sie kennen dieses Gefühl nicht einmal“, klärte Wolfgang seine Tochter auf.

      „Waaas? Hast du da etwa auch mit ihr zusammen … Na du weißt schon“, fragte sie erschrocken.

      „Geduscht?“ Er nickte. „Früh stand die ganze Klasse in der Herberge im Gemeinschaftsduschraum. Das waren damals drei Jungs, sieben Mädchen und ich.“

      „Was? Und das war dort normal?“, rief Wolfgangs Tochter entrüstet.

      Da kam Diane in ein Handtuch gewickelt aus dem Bad und sagte zu der jugendlichen Diana: „Ja, das ist bei uns normal. So viel ich weiß, geht ihr doch hier auch nackt baden und findet das normal.“

      „Na ich nicht!“, stellte Diana energisch fest.

      „Wenn du zu uns kommen willst, musst du das aber noch lernen.“

      „Ist das wahr, Papa?“, fragte sie jetzt erschrocken.

      Er nickte. „Dort geht man nur so ins Wasser. Aber jetzt ist das Bad frei. Beeil dich!“

      Diana verschwand im Bad.

      „Wolfgang. Denkst du inzwischen auch so, wie deine Tochter?“, fragte Diane besorgt.

      Er schüttelte den Kopf. „Sie wurde durch die Schule und die Medien so. Als Kind war sie anders. Bitte hab Verständnis für sie.“

      „Was stört dich daran, dass sie ein natürliches Schamgefühl hat?“, fragte Marina ihre Tochter verteidigend.

      „Nein, Marina. Natürlich ist dieses Gefühl nicht. Dann hätten es ja alle Menschen. Denk mal an Naturvölker oder an die Menschen, die in Asien leben. Besonders von Indien oder Japan ist bekannt, dass sie dieses Schamgefühl nicht haben. Also kann es nichts Natürliches sein. Trotzdem respektiere ich es“, erklärte Diane.

      Am Frühstück beteiligte sich Diane nicht. Sie saß nur mit am Tisch und trank einen Tee.

      „Esst ihr früh nichts?“, fragte Diana neugierig.

      „Wir essen nur Früchte, wenn wir etwas essen wollen. Wir leben von Lichtnahrung und müssen nicht ständig essen wie ihr.“

      Da verzog Wolfgangs Tochter das Gesicht und sah Diane befremdend an. „Ganz ohne Essen? Das geht?“

      Diane nickte nur und das jugendliche Mädchen schüttelte mit dem Kopf.

      Nun fragte Wolfgang: „Was willst du tun, wenn ich mit Diana unterwegs bin? Ich habe ihr versprochen, sie zu ihrem Handballspiel gegen die Parallelklasse zu begleiten.“

      „Ich werde mir mit Marina wieder eure Stadt ansehen. Das ist sehr interessant.“

      „Dann sehen wir uns heute Mittag wieder?“

      „Ja.“

      Als Wolfgang und Diana das Haus verlassen hatten, fragte Marina ihren atlantischen Gast: „Du weißt von meiner Krankheit?“

      Diane nickte. „Deine Gedanken haben es mir gestern verraten.“

      „Meine Familie weiß nichts davon. Ich möchte, dass sie es nicht erfahren. Könnt ihr mir helfen?“

      Da schüttelte Diane den Kopf. „Wir haben keine Erfahrungen mit Krankheiten. Bei uns wird niemand krank, wie du ja weißt. Ich würde dir sehr gern helfen. Wolfgang liebt dich sehr. Er wird leiden, wenn er dich verliert.“

      Marina nickte und brach in Tränen aus. Da umarmte Diane ihre Gastgeberin um sie zu trösten.

      Am Nachmittag saßen sie wieder alle zusammen und Diane erzählte vom Leben in Posid. Besonders Marina und ihre Tochter lauschten ihren Worten. Für sie war es völlig unverständlich, wie man so leben kann.

      Zu fortgeschrittener Stunde verabschiedete sich Diane.

      „Du willst zurück?“, fragte Wolfgang traurig.

      „Ja, aber ich komme wieder. Ich habe es Marina versprochen.“

      Wolfgang drehte sich ruckartig zu seiner Frau um und starrte sie an. Was für eine Frau habe ich, dachte er. Sie hat sogar für Diane Verständnis. Er umarmte sie und drückte sie ganz fest an sich. „Du bist eine wundervolle Frau, Marina.“

      Wolfgangs Familie begleiteten Diane noch zum Industriegelände und warteten, bis Dianes Transporter mit ihr in der Dunkelheit verschwand. Dann gingen sie nach Hause zurück. Wolfgang nahm jetzt seine beiden Frauen in den Arm und seufzte.

      „Liebst du sie?“, fragte jetzt seine Tochter plötzlich besorgt.

      „Ja, Diana. Etwa so wie dich.“

      „Wirst du uns jetzt verlassen?“

      Mit einem Ruck blieb Wolfgang stehen und starrte seine Tochter an. Dann beruhigte er sich wieder, schüttelte den Kopf und meinte: „Nein! Dafür gibt es keinen Grund. Vielleicht kannst du das noch nicht verstehen, aber meine Liebe zu ihr ist anders als zu Mama. Sie ist mir eher wie eine Schwester.“

      „Na, ich dachte nur“, erwiderte Diana und schmiegte sich nun an ihren Vater. Sie liebte ihn, auch wenn sie ihn nicht immer verstand.

      Drei Wochen nach Silvester stand Diane plötzlich Dienstagfrüh vor ihrer Tür. Wolfgang war genau so überrascht, wie beim ersten Mal.

      „Diane! Ich freue mich sehr, aber du kommst sehr ungünstig. Ich muss auf Arbeit.“

      „Ich weiß. Deine Frau hat mich gerufen.“

      „Ist das wahr?“ Verwundert sah er, wie Marina nickte und sagte: „Schön, dass du gekommen bist. Ich hätte nie geglaubt, dass das funktioniert. Aber jetzt bist du da.“

      „Wenn ich alles verstehe, aber das nicht“, gestand Wolfgang.

      Diana verstand noch weniger. „Mama, du hast sie wirklich angerufen? Wie denn?“

      Da lächelte Diane und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Wir brauchen keine Handys wie ihr. Das weißt du doch. Wir schicken einfach unsere Gedanken auf Reise und der


Скачать книгу