In der inneren Welt (Band 2). Hero Leander
warteten sie, aber es passierte nichts.
„Und was jetzt?“, fragte Diana forsch.
„Sieh mal nach unten“, forderte Diane sie auf.
Der Boden und die Kuppel wurden jetzt glasklar und Diana sah, wie die Lichter der Stadt immer kleiner wurden.
„Wir fliegen ja schon!“, rief Diana begeistert. „Wieso merkt man hier drinnen nichts davon?“
„Weil unsere Technik so weit fortgeschritten ist, dass sie alle Fliehkräfte absorbiert“, erklärte ihr Diane.
Durch die Kuppel, die jetzt ebenfalls durchsichtig wurde, konnte man nun uneingeschränkt nach der Seite und nach oben sehen. Dabei erkannte Diana, dass sie jetzt sehr hoch und nach Westen flogen, wo es noch hell war. Nach kurzer Zeit erklärte Diane: „Das ist Amerika unter uns. Diana, kannst du es erkennen?“
„Aber … wir sind doch höchstens zehn Minuten unterwegs! Wie …“
„Unsere Transporter würden in weniger als einer Stunde eine komplette Erdumrundung schaffen. Und von euch bis nach Nordamerika sind das eben nur einige Minuten.“
Diana starrte nach unten und erkannte die Umrisse von Nordamerika, da sie sich in großer Höhe befanden. Jetzt flog der Transporter über Mittel- und Südamerika. Alles ging furchtbar schnell. Über Brasilien stoppte das Fluggerät und Diane sagte: „Wir sind jetzt über Brasilien und direkt über dem Mato-Grosso-Plato. Darunter auf der anderen Seite der Erdschale liegt Posid. Dorthin fliegen wir jetzt.“
Nun wurde es auch der selbstsicheren Diana unheimlich. Jetzt waren sie auch schon am Südpol und tauchten in eine große Öffnung ein. Drinnen war noch heller Tag und Diane klärte ihre Fluggäste auf: „Auch hier wird es in ein paar Stunden Nacht. Wir haben also nicht all zu viel Zeit.“
Plötzlich stand der Transporter über einer fremden Welt. Unter ihnen waren merkwürdige runde Gebäude zu sehen und viel Wald, Seen und einige Flüsse.
„Das ist Posid. Glaubt ihr mir jetzt?“, fragte Diane die beiden Frauen.
„Dann … Dann stimmt alles, was Wolfgang erzählt hat?“, fragte Marina ängstlich.
„Ich glaube ja, obwohl ich nicht weiß, was er erzählt hat. Aber so wie ich ihn kenne, übertreibt er kaum. Eher lässt er mal etwas weg.“ Dabei lächelte sie ihn zum ersten Mal vor Marina an. Bisher hatte Diane das tunlichst vermieden, um sie nicht zu provozieren.
„Kann man uns nicht sehen? Hier ist es doch hell!“, fragte Diana jetzt besorgt.
„Das stört hier niemanden“, antwortete Diane. „Bei uns ist man an den Anblick der Transporter gewöhnt.“
„Können wir hier auch landen?“, fragte Diana wieder.
„Ja.“
Nun konnten sie sehen, wie der Boden unter ihnen immer näher kam. Kurz bevor der Transporter aufsetzte, erkannte Wolfgang den Wohnort von Dianes Bergkristall-Clan. Ob sie mich wiedererkennen, fragte er sich.
Da lächelte Diane und meinte zu ihm: „Wie kannst du daran zweifeln?“
„An was soll mein Papa zweifeln?“, fragte Diana schon wieder kampfbereit.
„Daran, dass meine Verwandten ihn wieder erkennen. Ich weiß, er hat es nicht gesagt, aber ich habe seine Gedanken gehört.“
„Hörst du meine Gedanken auch immer?“, fragte sie jetzt misstrauisch.
„Nein. Ich darf das nur, wenn du es mir erlaubst. Dein Papa hat mir vor zwanzig Jahren erlaubt, dass ich seinen Gedanken immer zuhören darf. Bei dir war es heute Nachmittag ungewollt. Deshalb habe ich dich auch um Verzeihung gebeten.“
„M-m!“ Diana nickte nachdenklich. „Und die können hier alle meine Gedanken lesen?“
„Sie könnten es schon, aber sie dürfen es nicht“, erklärte ihr Diane.
„Und du glaubst ernsthaft, dass sich alle daran halten. Dann bist du aber sehr naiv.“ Überlegen lächelte Diana die große Diane an.
„Nein, Diana. Du kannst eure Welt nicht mit unserer vergleichen. Hier gibt es keinen Betrug, weil jeder die Gedanken des anderen lesen kann und den Betrug sofort bemerken würde. Das Leseverbot gilt nur euch gegenüber, weil ihr sonst im Nachteil wärt.“
„Das klingt fair. Und die halten sich wirklich daran?“
„Ganz sicher. Teste es, wenn du möchtest.“
Inzwischen verließen sie den Transporter und Diana stellte fest: „Hier ist es ja richtig warm.“
„Ja. Bei uns ist immer die gleiche Temperatur. Anziehsachen als Kälteschutz brauchen wir nicht. Deshalb tragen hier alle nur eine Togadile. Doch diese Kleidung, wie ich sie jetzt im Moment trage, hatte dein Papa an, als er uns vor zwanzig Jahren besuchte. Ich habe sie gewählt, um bei euch nicht aufzufallen.“
Da kamen schon die ersten von Dianes Clan und begrüßten Wolfgang wie einen alten Bekannten. Ihm kam es plötzlich vor, als wäre er nur ein paar Wochen weggewesen. Sie begrüßten auch Marina und Diana.
Da stellte Diane ihnen Arebe vor. „Das ist die Frau, die mich geboren hat. Sie ist jetzt 146 Jahre alt. Ihr würdet sagen, sie ist meine Mutter.“
„Was? Du spinnst! So alt wird kein Mensch“, entgegnete Diana ihr entrüstet.
„Ich bin kein Mensch. Ich bin wie Diane Atlanter“, antwortete Arebe freundlich lächelnd.
„Ach so, ja. Und wie alt könnt ihr hier werden?“, fragte Diana jetzt neugierig.
„Bei uns gibt es keine bestimmte Lebenserwartung wie bei euch. Man lebt so lange, wie man will“, klärte Diane sie auf.
„Heißt das, ihr könnt mehrere hundert Jahre alt werden?“
„Ja. Oder tausend, je nach dem, wie lange man leben will.“
Überwältigt schüttelte Diana mit dem Kopf.
Da fragte Marina vorsichtig: „Könnt ihr auch Krankheiten heilen?“
„Nein. Dafür fehlt uns die Erfahrung. Bei uns wird niemand krank. Warum fragst du?“
„Nur so. Es wäre ja toll, wenn ihr es könntet.“
„Willst du deinen Gästen nicht einmal unser Zuhause zeigen?“, fragte Arebe jetzt Diane.
„Ja natürlich. Wollt ihr?“
Marina und ihre Tochter nickten und gingen neugierig Diane hinterher. Wolfgang folgte ihnen in kurzem Abstand mit Arebe.
„Du hast eine nette Familie“, meinte Dianes Mutter. „Deine Tochter ist nur etwas ungestüm. Sind bei euch alle Jugendlichen so?“
„Die meisten“, antwortete Wolfgang lächelnd.
Im Wohntrichter erklärte Diane die einzelnen Räume. Als sie vor der Tür von Wolfgangs ehemaligem Schlafraum ankamen, meinte Diane: „Und hier hat Wolfgang damals vor zwanzig Jahren geschlafen.“ Sie öffnete die Tür und er erstarrte, als er den Raum sah. Dort standen immer noch eine weiße und eine rote Rose am Kopfende des Bettes und die gelben Lilien am Fußende. Bei diesem Anblick verkrampfte sich sein Herz. Wolfgang gab sich alle Mühe, dass seine Augen tränenfrei blieben. Er versuchte mit aller Kraft zu verstecken, was ihn im Moment so sehr bewegte. Marina hingegen war angenehm überrascht, dass in dem kleinen Zimmer nur ein einzelnes Bett stand. Sie suchte Wolfgang mit ihren Augen, doch er merkte das gar nicht. Er blickte wie versteinert in das Zimmer. Das machte Marina erneut unsicher. Jetzt dachte sie auf einmal an die beiden gleichen Rosen unter ihrem Balkon, die Wolfgang so hingebungsvoll pflegte. Ob das auch etwas mit dieser Diane zu tun hat?
Verwirrt fragte er: „Ist das immer noch mein Zimmer?“
„Ja. Du gehörst immer noch zu unserem Clan“, antwortete Diane mit einem unergründlichen Lächeln im Gesicht.
„Aber wieso?“, entfuhr