Kirchliche Loyalitätspflichten und die Europäische Menschenrechtskonvention. Matthias Lodemann

Kirchliche Loyalitätspflichten und die Europäische Menschenrechtskonvention - Matthias Lodemann


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gebührt in erster Linie und von ganzem Herzen meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Gregor Thüsing, LL.M. (Harvard), der mein Thema zur Betreuung annahm, der mich umsichtig und vorausschauend unterstützte, der mir meinen Freiraum ließ und meinen Denkprozess doch stets begleitete. Herrn Professor Dr. Stefan Greiner danke ich für die mehr als zügige Erstellung des Zweitgutachtens mit wertvollen Hinweisen.

      Der Konrad-Adenauer-Stiftung danke ich für das mir von 2011 bis 2012 gewährte Promotionsstipendium und die damit verbundene Teilnahme im Programm der Graduiertenförderung. Die Seminare, noch mehr aber ihr Teilnehmerkreis, bleiben für immer in Erinnerung. Hier danke ich auch Herrn Professor Dr. Gerhard Igl für seine Unterstützung meiner Bewerbung.

      Dank gebührt weiterhin Herrn Malte Weismüller für die Vorablektüre und die darauffolgenden Hinweise, sowie meiner Familie, insbesondere meinen Eltern Angelika Lodemann-Paterna und Thomas Paterna, für ihre Unterstützung; nicht zuletzt auch im Rahmen des Korrekturlesens.

      Frau Fränze Wilhelm, der die umfangreichste Danksagung zusteht, übermittle ich diese persönlich.

      Hamburg, im August 2013

      So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist,

      und Gott, was Gottes ist!

      Lukas 20:25

      § 1 EINLEITUNG: GANG DER UNTERSUCHUNG UND KONTEXTUALISIERUNG DES THEMAS

      „Kündigung wegen Ehebruchs verstößt gegen Menschenrechte“, so titelten die Medien am 23.09.2010 gleichermaßen plakativ wie inhaltlich unvollständig.1 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte an jenem Tag über zwei Beschwerden zu entscheiden, die Kündigungen seitens kirchlicher Arbeitgeber in Deutschland zum Inhalt hatten.2 Am 03.02.2011 folgte der bisherige Schlusspunkt mit dem Urteil des EGMR zu einer weiteren Beschwerde bezüglich des kirchlichen Kündigungsrechts.3

      Das Recht der Kirchen in Deutschland, kündigungswesentliche Loyalitätsobliegenheiten selbst ausformulieren zu dürfen, folgt aus der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 137 III 1 WRV, der über Art. 140 GG Eingang in die Verfassung gefunden hat. „Innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ darf eine Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig regeln. Hierzu zählt nach ständiger Rechtsprechung des BAG und des BVerfG auch das Recht, spezifische Anforderungen an ihre Arbeitnehmer zu umschreiben und verbindlich zu machen.4 Dies prägt insoweit auch die Privatautonomie, derer sich die Kirchen bedienen, um Dienstverhältnisse einzugehen, und damit auch das – anwendbare – staatliche Arbeitsrecht.5

      Der kirchliche Arbeitnehmer kann demzufolge nicht vom Sendungsauftrag der Kirche differenziert werden; vielmehr gilt ein einheitliches Leitbild der kirchlichen Dienstgemeinschaft.6

      Wiewohl es also nicht zu einer „Klerikalisierung“ der Rechtsstellung des kirchlichen Arbeitnehmers kommen darf,7 kann als gesichert festgehalten werden, dass die Kirchen zur Wahrung ihrer Glaubwürdigkeit rechtswirksam entsprechende Loyalitätsrichtlinien für ihre Arbeitnehmer erlassen können. Entsprechend dieser Richtlinien, die die Grundsätze der Kirchen niederschreiben, kam es demzufolge zu Arbeitgeberkündigungen aufgrund privaten Fehlverhaltens der kirchlichen Arbeitnehmer wie etwa Kirchenaustritt,8 Wiederverheiratung Geschiedener,9 homosexuelle Beziehungen10 und außereheliche Affären.11 Zu beachten bleibt, dass selbstverständlich nur die privaten Fehltritte relevant sind, die dem kirchlich-religiösen Inhalt der Lehre zuwiderlaufen. Die Fachgerichte sind insoweit an die Vorgaben der Kirchen gebunden.

      Umstritten war – und ist – aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben in der Vergangenheit nie die grundsätzliche Rechtmäßigkeit dieser Vorgaben, sondern lediglich ihre Reichweite. Die einzige Konstante bei der Suche nach der Antwort zu dieser Fragestellung ist jedoch ihre Unbeständigkeit. Wurden also bis etwa 1980 kündigungswesentliche Loyalitätsobliegenheiten noch unproblematisch bejaht,12 differenzierte das BAG in der Folge nach der Nähe des Arbeitnehmers zum Verkündigungsauftrag und verneinte bei fehlender Nähe die Rechtmäßigkeit der Kündigung, da die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht in Gefahr gewesen sei.13 Mit seiner Grundsatzentscheidung im 70. Band machte das BVerfG dem ein Ende und rückte die kirchliche Deutungshoheit in den Mittelpunkt.14 Die Fachgerichte seien demnach an die Vorgaben der Kirchen gebunden; Ausnahmen bilden lediglich Verstöße gegen die Grundprinzipien der Rechtsordnung, namentlich die guten Sitten, das Willkürverbot sowie den ordre public.15 Das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen wurde also deutlich gestärkt.

      Nachdem diese Fragestellung also zumindest grundsätzlich eine Antwort erhalten hatte, erhielt sie jedoch im Folgenden durch Einflüsse des internationalen Rechts neue Nahrung. Aufbauend – unter anderem – auf EU-Richtlinie 2000/78/EG trat am 18.08.2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Dieses verbietet Diskriminierungen aufgrund der Religion, sieht aber für die Religionsgemeinschaften in § 9 AGG eine Ausnahme vor.16 Eine eindeutige Klärung durch das BAG oder den EuGH steht weiterhin aus.17

      Zuletzt, und gleichzeitig im Mittelpunkt dieser Arbeit, ist die oben bereits zitierte Rechtsprechung des EGMR zu nennen, der die behauptete Konventionswidrigkeit des kirchlichen Kündigungsrechts an Art. 8, 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu messen hatte. Der Gerichtshof fand dabei einzig im Fall Schüth eine Verletzung.18 Inwieweit diese Rechtsprechung Einfluss auf die innerdeutsche Rechtslage und im Übrigen auch auf das korrekte Verständnis des AGG nehmen wird, gilt es hier zu beleuchten.

      Hierzu werden vom zweiten bis zum vierten Kapitel umfangreich die nötigen Grundlagen dargestellt. Zunächst wird dabei die Position der Kirchen im tatsächlichen wie im rechtlichen Gefüge herausgearbeitet. Folgend ist auf die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte und letztlich auf die – die vorgenannte korrigierende – Reichweite der verfassungsrechtlichen Garantie einzugehen. Im fünften Kapitel wird dann untersucht, ob nicht der innergesellschaftliche Wertewandel, etwa bezüglich der Homosexualität, bereits eine Änderung der Rechtslage nach den vom BVerfG vorgegebenen Grenzen bewirkt. Dann wendet sich die Arbeit dem internationalen Recht zu und stellt im Rahmen eines kurzen Sachstandsberichtes die aktuellen Probleme rund um das AGG und die diesem zugrunde liegende Richtlinie 2000/78/EG dar, um schließlich im siebten Kapitel den Schwerpunkt aufzugreifen. Dieser liegt in der Rechtsprechung des EGMR, die zuerst materiell auf ihre Kernaussagen analysiert wird. Fraglich ist dabei, ob sich inhaltliche Unterschiede zur gefestigten deutschen Judikatur ergeben. Sollte dies der Fall sein, ist sodann zu untersuchen, ob, inwieweit, und, falls ja, auf welche Weise diese Rechtsprechung in Deutschland umgesetzt werden muss, umgesetzt werden kann und umgesetzt werden wird. Diese Fragestellung beantwortet sich aus dem Verhältnis der EMRK zum nationalen Recht, was insbesondere aufgrund der teilweise kongruenten Regelungsmaterie in Grund- bzw. Menschenrechtsfragen bei möglichen Differenzen die Frage einer Rangordnung in Konfliktfällen mit sich bringt, die es aufzulösen gilt. Nur so kann der Praxis eine Empfehlung ausgesprochen werden, welche der unterschiedlichen Wertungen es zu befolgen gilt.

      Die Frage der Bindungswirkung stellt sich zudem auch noch in einem gänzlich anderen Zusammenhang, der Ebene der Europäischen Union. Hier ist zu untersuchen, inwieweit die EMRK sowie die auf Basis dieser ergangene Rechtsprechung des EGMR das Unionsrecht als dessen Grundrechtsquelle beeinflusst. Wiederum stellen sich im Gemengelage von herkömmlicher Grundrechtsdogmatik, der kürzlich verbindlich gewordenen Charta der Grundrechte (GRC) und dem bevorstehenden EMRK-Beitritt der Union bei teilweise identischem Regelungsinhalt Spannungsfragen. Auch diese müssen aufgelöst werden, um eine verbindliche Aussage treffen zu können, inwieweit die vorgenannte Rechtsprechung des EGMR das kirchliche Arbeitsrecht über den europäischen Umweg über RL 2000/78/EG und § 9 AGG auch mittelbar national beeinflussen wird. Nach abschließender Analyse aller Lösungsalternativen werden schließlich eine Prognose erstellt und ein Vorschlag für die Praxis herausgearbeitet.

      1 Urteil: Kündigung wegen Ehebruchs verstößt gegen Menschenrechte, Spiegel Online vom 23.09.2010, erreichbar unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,719111,00.html.


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