Neue Theorien des Rechts. Группа авторов

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transversaler Sozialitäten, die keine nationalen Grenzen kennen. Es sind plurale diasporische Gemeinschaften, die sich durch den Auszug aus den konventionellen Nationalstaaten mit ihren exkludierenden Gewaltapparaten konstituiert haben, welche eine aterritoriale Kohabitation auf dem geteilten Planeten antizipieren und auf diese Weise das fundamentale Recht der Sozialität ins Werk setzen[336].

      Wird dieser Vorschlag so verstanden, dass ein Wandel durch die Errichtung paralleler, transnationaler Netzwerke hervorgerufen werden soll, stellt sich die Frage ob ein solches post-juridisches Rechtpostjuridisches Recht auf den Nationalstaat als sein konstitutives |82|Anderes angewiesen ist, oder ob sie diesen langfristig ersetzen sollen. Sofern es um die Eröffnung von Räumen neuer Formen der Sozialität geht, könnten schon existierende Praktiken, z.B. Kooperativen und Kollektive, die mit eigenen Regeln der Entscheidungsfindung versuchen der juridisierden Wirkung der Rechtsform entgegen zu wirken, als Beispiele einer post-juridischen Rechtspraxis gedacht werden. Soll das bürgerliche Recht langfristig vom post-juridischen Rechtpostjuridisches Recht abgelöst werden, so tauchen allerdings die Fragen wieder auf, die sich auch schon bei MenkeMenke, Christoph gestellt haben: Wie kann das von LoickLoick, Daniel anvisierte Recht eine Rechtspraxis informieren, die nicht nur parallel zum nationalen, bürgerlichen Recht existiert, sondern dieses langfristig transformiert?

      D. Fazit

      Die hier vorgestellten Theorien hinterfragen den Anspruch des liberalen Rechtsstaates, als rechtlich-politische Ordnung die Freiheit und Gleichheit aller Menschen zu verwirklichen[337]. Mit der Suche nach einem post-juridischen Rechtpostjuridisches Recht schreiben die Autoren gegen die träge Kraft des Bestehenden sowie gegen die Begrenzung unseres Vorstellungsvermögens an. Jeder Versuch, eine neue, gerechtere Rechtsordnung zu denken, wird von Leser*innen leicht mit Skepsis begegnet: Können wir es uns leisten, wichtige Institutionen des demokratischen Rechtsstaats aufzugeben? Wäre die anvisierte Ordnung funktionsfähig? Inwiefern kann ein neues Recht, das sich wesentlich vom bürgerlichen Recht unterscheidet, überhaupt noch Recht genannt werden?

      Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern die hier vorgestellten Theorien eine rechtspolitische Strategie anleiten können. Insbesondere die an BenjaminBenjamin, Walter anschließende rechtstheoretische Debatte kann zwar für sich beanspruchen, eine wichtige Analyseperspektive auf das Verhältnis von Staat, Recht und GewaltRecht und Gewalt in modernen Gesellschaften zu eröffnen. Sie muss sich aber im Hinblick auf gesellschaftspolitische Kämpfe die Frage gefallen lassen, ob es ausreicht, Gerechtigkeit auf das Moment der Unterbrechung einer Ordnung zu reduzieren. Sie kann keine normative Orientierung bezüglich einer gerechten politischen Ordnung bieten, sondern lediglich Raum für gesellschaftspolitische Kämpfe öffnen.

      Die Rechtstheorien von MenkeMenke, Christoph und LoickLoick, Daniel gehen hier einen Schritt weiter, und benennen die Konturen eines neuen Rechts, das beansprucht ein menschengerechteres Recht zu sein. Als philosophische Perspektive auf das Verhältnis von Recht und Gesellschaft, wird die Frage des Übergangs zu einem neuen Recht |83|jedoch losgelöst von den gegebenen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen diskutiert[338]. Die Übersetzung der theoretischen Einsichten in erfolgsversprechende politische und rechtliche Strategien ist erst noch zu leisten. Eine Möglichkeit aus den bestehenden Kritiken des JuridismusJuridismus des bürgerlichen Rechts Inspiration für rechtspolitische Strategien zu ziehen, ohne sich dabei von der Aufgabe der TransformationTransformation einer gesamten Gesellschaftsordnung entmutigen zu lassen, wäre stärker auf solche post-juridische Ansätze zurück zu greifen, die nicht an der politischen Ordnung sondern am Subjekt ansetzen. Ansatzpunkt könnten hier zum Beispiel die Arbeiten von Gilles Deleuze sein, der zu Überwindung der negativen Auswirkungen der kapitalistischen Rechtsordnung auf Strategien der Mikropolitik setzt[339].

      E. Literaturhinweise

      Agamben, Giorgio, Der Messias und der Souverän, in: Die Macht des Denkens: Gesammelte Essays, Frankfurt am Main 2013, 287–310.

      Braidotti, Rosi/Colebrook, Claire/Hanafin, Patrick (Hrsg.), Deleuze and Law, Houndmills, Basingstoke, Hampshire/New York 2009.

      Benjamin, Walter, Zur Kritik der Gewalt, in: Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze, Frankfurt am Main 1921, 29–66.

      ders., Theologisch-politisches Fragment, in: Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze. Frankfurt am Main 1978, 95–96.

      ders., Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze, Frankfurt am Main 1978.

      ders., Kapitalismus als Religion, in: Gesammelte Schriften: Fragmente; Autobiographische Schriften, Frankfurt am Main 1991, 100–103.

      ders, Gesammelte Schriften: Fragmente; Autobiographische Schriften, Frankfurt am Main 1991.

      ders., Über den Begriff der Geschichte, in: Raulet, Gérard (Hrsg.), Über den Begriff der Geschichte: Werke und Nachlaß, Berlin 2010, 6–29.

      Borsò, Vittoria/Morgenroth, Claas/Solibakke, Karl/Witte, Bernd (Hrsg.), Benjamin – Agamben, Würzburg 2010.

      Deleuze, Gilles, Kritik und Klinik, Frankfurt am Main 2000.

      ders., Schluss mit dem Gericht, in: Kritik und Klinik. Frankfurt am Main 2000, 171–183.

      Derrida, Jacques, Gesetzeskraft, Frankfurt am Main 2014.

      Fischer-Lescano, Andreas/Franzki, Hannah/Horst, Johan (Hrsg.), Gegenrechte: Recht jenseits des Subjekts, Tübingen 2018.

      Hamacher, Werner, Afformativ, Streik, in: Hart Nibbrig, Christian L. (Hrsg.), Was heißt »Darstellen«?, Frankfurt am Main 1994, 340–374.

      ders., Schuldgeschichte: Benjamin’s Skizze »Kapitalismus als Religion«, in: Baecker, Dirk (Hrsg.), Kapitalismus als Religion, Berlin 2003, 77–120.

      |84|Haverkamp, Anselm (Hrsg.), Gewalt und Gerechtigkeit, Frankfurt am Main 1994.

      Khatib, Sami R., »Teleologie ohne Endzweck«, Marburg 2013.

      Loick, Daniel, Kritik der Souveränität, Frankfurt am Main 2012.

      ders., Juridismus: Konturen einer kritischen Theorie des Rechts, Berlin 2017.

      McGee, Kyle/Sutter, Laurent de (Hrsg.), Deleuze and Law, Edinburgh 2012.

      Menke, Bettine, Benjamin vor dem Gesetz: Die Kritik der Gewalt in der Lektüre Derridas, in: Haverkamp, Anselm (Hrsg.), Gewalt und Gerechtigkeit: Derrida-Benjamin, Frankfurt am Main 1994, 217–277.

      Menke, Christoph, Recht und Gewalt, Berlin 2012.

      ders., Kritik der Rechte, Berlin 2015.

      ders., Genealogie, Paradoxie, Transformation, in: Fischer-Lescano, Andreas/Franzki, Hannah/Horst, Johan (Hrsg.), Gegenrechte: Recht jenseits des Subjekts, Tübingen 2018, 13–31.

      Žižek, Slavoj, Gewalt, Hamburg 2011.

       [Zum Inhalt]

      |85|Zweiter Teil: Rechtsverständnisse

      |87|SprachphilosophieSprachphilosophie: Davidson und Brandom

      Jochen Bung und Markus Abraham

      Theorien des Rechts sind kaum möglich ohne SprachphilosophieSprachphilosophie. Denn was Recht ist, lässt sich schwerlich bestimmen, ohne auf Sprache Bezug zu nehmen, und was Sprache ist schwerlich unabhängig von einer Bezugnahme auf die Bedeutung jener Ausdrücke, deren Gesamtheit wir unter den Begriff einer Sprache fassen[340]. Sprachphilosophie ist allerdings ein weites Feld, das hier nur fragmentarisch dargestellt werden kann. Wir haben uns für eine Darstellung der Theorien Donald DavidsonsDavidson, Donald und Robert Brandoms entschieden, nicht nur, weil sie zu den einflussreichsten Theorien der Sprachphilosophie gehören, sondern auch, weil sie über die Grenzen des fachphilosophischen Diskurses hinaus Beachtung gefunden haben.

      A.


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