Neue Theorien des Rechts. Группа авторов

Neue Theorien des Rechts - Группа авторов


Скачать книгу
auf ihre Veränderung hinzuwirken, benennt u.a. Bettine Menke. Wenn, mit BenjaminBenjamin, Walter gedacht, jegliche Form der Rechtsanwendung gewaltvoll ist, sei es nicht länger möglich, notwendige Unterscheidung zwischen gerechteren und weniger gerechten politischen Ordnungen zu treffen[318]. Das emanzipatorische Moment der Rechtstheorie Benjamins bleibt auf die Re-Politisierung des Rechts beschränkt, durch die die Willkür der Grenzziehung zwischen sanktionierter und nicht sanktionierter Gewalt im liberalen Recht vorgeführt wird. Sie kann damit Raum für eine neue Ordnung öffnen, aber nicht zu ihrer Begründung herangezogen werden. Die Ansätze zur Entwicklung eines neuen Rechts bei Christoph MenkeMenke, Christoph und Daniel LoickLoick, Daniel gehen hier einen Schritt weiter, indem sie die versuchen, die Anforderungen an ein post-juridisches Rechtpostjuridisches Recht darzulegen.

      II. MenkeMenke, Christoph: Das Recht der GegenrechteGegenrechte

      Menkes Programm eines post-juridischen Rechts wird von ihm auf den Begriff eines neuen Rechts der GegenrechteGegenrechte zugespitzt. Ein richtiges Recht, so MenkeMenke, Christoph, dürfe den Blick auf den Prozess der Selbstreflexion nicht verstellen, sondern müsse ihn entfalten und dadurch das Nicht-Recht der Veränderbarkeit freigeben[319]. Ähnlich wie bei BenjaminBenjamin, Walter hängt die Gerechtigkeit der Rechtsordnung auch bei |79|MenkeMenke, Christoph am Moment ihrer Politisierung. Allerdings fasst er dieses Moment nicht lediglich als eine Unterbrechung auf, die auf die Kontingenz der gegenwärtigen Ordnung verweist[320]. Vielmehr müsse es darum gehen, eine neue Form der Rechte und damit eine gänzlich anders verfasste Ordnung anzustreben: »Die Politik der Erfindung neuer Rechte wäre der Beginn einer Politik der Formveränderung: eine (rechtsform-) transformative Politik«[321].

      Eine solche transformative Politik soll durch das Institut der GegenrechteGegenrechte gewährleistet werden. MenkeMenke, Christoph entwickelt die Figur der Gegenrechte in einer Auseinandersetzung mit dem Motiv des Sklavenaufstandes bei Friedrich Nietzsche[322]. Es zeichne die Position des Herren aus, Recht setzten zu können, also zu entscheiden, was gut ist. Dem Sklaven fehle diese Urteilsfähigkeit. Er stehe für Passivität und Leiden. Der Aufstand der Sklaven ist nun das Bestreben der Unterdrückten, ihrem eigenen Recht Geltung zu verleihen. Dies könne, so MenkeMenke, Christoph, aber nicht dadurch geschehen, dass die Sklaven sich an die Stelle der Herren setzten, denn dann würden sie das Unterdrückungsverhältnis von Herren und Knecht aufrecht erhalten – ohne Sklave kein Herr. Eine Überwindung des Herrschaftsverhältnisses sei nur möglich, wenn die Position des Herren und des Sklaven zusammengebracht würden.

      Dies sei das Ziel der GegenrechteGegenrechte. Wenn die subjektiven Rechtesubjektive Rechte der Rationalität des Herren entsprechen, und diese Rationalität nur durch die Gegenüberstellung mit dem passivistischen Sklaven aufrechterhalten werden kann, so müsse dieses dialektische Verhältnis im Recht zum Ausdruck kommen. Soll heißen: Jedes Subjekt ist zugleich Sklave und Herr. Das, was in den subjektiven Rechten als Grund vorausgesetzt wird, nämlich der rationale Eigenwille, wird in den Gegenrechten zu einem affektiven Moment, der den Urteilsprozess in Gang setzt, das Urteil aber nicht rational begründen kann[323]. Das affektive Moment ist also der nicht-rechtliche Impuls, der den Urteilsprozess anstößt und der – wenn der Positivismus des bürgerlichen Rechts nicht wiederholt werden solle – nicht naturalisiert werden darf. Noch einmal mit den Worten Menkes:

      GegenrechteGegenrechte sind Ansprüche auf ein – vorübergehendes und wiederkehrendes – Moment in dem politischen Prozeß des Rechts: das Moment der sinnlichen Affektion in seiner dialektischen Vermittlung mit dem anderen Moment des begrifflichen Bestimmens[324].

      Rechte, in der Form der GegenrechteGegenrechte, sind dann nicht länger Ausgangspunkt der rechtlichen Ordnung, sondern sekundär: Sie sollen als Gegenstück zu konstitutionalisierenden Rechten das Gelingen sozialer Praxis garantieren.[325] Während |80|letztere darauf abzielen, die Teilnahme eines jeden an den politischen Prozessen zu ermöglichen, befähigen die Gegenrechte zur Nichtteilnahme am Sozialen[326]. Indem die Gegenrechte dem Nicht-Recht im Recht Wirkung verleihen, ohne es dabei zu naturalisieren, tragen sie zur Politisierung, d.h. zur Veränderbarkeit, bei.

      Zwar betont MenkeMenke, Christoph, dass diese »rechtsform-transformative Politik aus der bestehenden Ordnung heraus« entwickelt werden müsse, in der Ausarbeitung bleibt der Entwurf eines »neuen Rechts« allerdings so vage, dass die Leserin sich selber überlegen muss, wie genau dieses Recht der GegenrechteGegenrechte aussehen könnte. MenkeMenke, Christoph selbst merkt an, dass sein Programm des anderen Rechts der weiteren Präzisierung bedarf. Einige Autor*innen haben sich dieser Denkarbeit bereits angenommen und identifizieren Rechtspraktiken innerhalb der aktuellen Rechtsordnung, die als Institutionen des neuen Rechts begriffen werden könnten[327].

      III. LoickLoick, Daniel: Exodus

      Ein weiterer Konkretisierungsschritt des Menk’schen Programmes finden wir auch in Loicks Entwurf eines post-juridischen Rechts[328]. Wie oben beschrieben, betont auch LoickLoick, Daniel, dass post-juridische Politiken – also eine Politik, die die Gesellschaft nicht länger juridisch konditioniert – nicht durch die Abschaffung des Rechts, sondern nur durch seine radikale TransformationTransformation erreicht werden können[329]. Als Ankerpunkt dient ihm dabei das Marx’sche Diktum, wonach »der Mensch nicht wegen des Gesetzes, sondern das Gesetz wegen des Menschen« da sei[330]. Was aber bedeutet »menschlich« als Maßstab zur Bewertung eines guten Rechts?

      Wie oben erläutert, setzt LoickLoick, Daniel die Sozialität des Menschen voraus. Der Mensch sei ein zoon politicon. Gegen das liberale Menschenbild, wonach der Mensch der Gesellschaft voraus gehe und letztere erst durch einen Gesellschaftsvertrag zustande komme, wendet Loick ein, dass der Mensch ohne Gemeinschaft gar nicht überlebensfähig sei. Ein Recht, das Menschen-gerecht ist, muss daher garantieren, dass Menschen ihre sozialen Praktiken mitgestalten können, statt lediglich deren Gegenstand zu sein[331]. Das heißt für LoickLoick, Daniel insbesondere, dass ein gerechtes Recht sich gegen den Ausschluss von Menschen aus der politischen Gemeinschaft wenden muss.

      LoickLoick, Daniel bemüht die Figur des Exodus, also dem Auszug der jüdischen Gemeinschaft aus Ägypten, um eine Übergangsform hin zu post-juridischen |81|Gemeinschaften zu denken. Seine zentrale These lautet, dass jüdische Rechtspraktiken – in der Diaspora und ohne staatliche Dursetzungsmacht entwickelt – Aufschluss darüber geben können, wie ein post-juridisches Rechtpostjuridisches Recht aussehen könnte[332]. Denn das Jüdische Recht sei nicht nur irgendeine Quelle, sondern als das Andere des römisch-christlichen Rechts mit einer völlig anderen Rechtspraxis verbunden. Loick spielt dabei insbesondere auf zwei Aspekte des Jüdischen Rechts an, an denen sich ein post-juridisches Recht orientieren könne.

      Erstens hebt er den rechtsinterpretativen Pluralismus des Jüdischen Rechts als Vorbild für ein menschliches Recht, das Sozialität und Differenz miteinander verbindet, hervor. Denn in der gemeinsamen Textinterpretation gelte es vor allem, unterschiedliche Lesarten einer Textstelle in den Dialog zu bringen. Gemeinschaft werde damit durch Dissens hergestellt, die Differenz – und nicht die Gleichheit der Individuen – wertgeschätzt[333]. Gleichzeitig, so LoickLoick, Daniel, sichere der notwendige Textbezug den Raum derer, die nicht an der Deliberation teilnähmen. Denn er verhindere, dass alleine die Standpunkte der Beteiligten zu einem Thema in die Entscheidungsfindung zu einer Rechtsfrage einfließen.

      Das zweite Charakteristikum des jüdischen Rechts, das LoickLoick, Daniel für seinen Vorschlag eines post-juridischen fruchtbar machen möchte, ist, dass seine Exekution nicht auf einem staatlichen Durchsetzungsapparat, also auf Zwang, basiert. Nur ein solches Recht könne auf freiwillige Zustimmung, und damit auf Befolgung hoffen, das »ethisch attraktiv« sei.[334] Während das liberale Recht durch die Trennung von Recht und Moral dem Individuum eine private Moral zugestehe, dafür aber auf Zwang zur Durchsetzung der Rechtsordnung angewiesen sei, müsse ein post-juridisches Rechtpostjuridisches Recht rationale oder affektive Gründe für das Befolgen bieten[335].

      Indem LoickLoick, Daniel das neue, post-juridische Recht als Exodus aus dem Recht der Nationalstaaten denkt, will er das Problem der Frage der Hervorbringung der neuen Rechtsordnung aus der alten umgehen, mit dem die »Reform« oder »Revolution« als Formen sozialen Wandels konfrontiert sind:

      Das Potential, den Übergang


Скачать книгу