Neue Theorien des Rechts. Группа авторов

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kann sich daraus ergeben, dass diese Theorie selbst schon Rechtstheorie ist oder daraus, dass sie für die Rechtstheorie fruchtbar gemacht werden kann. Donald DavidsonDavidson, Donalds Theorie der InterpretationInterpretation ist von der zweiten Art. Niemand hat die Frage nach dem Wesen sprachlicher Bedeutung so radikal gestellt wie Davidson, und niemand hat sie so voraussetzungslos entfaltet. Dabei hat er kein bündiges Werk vorgelegt, sondern eine Reihe von Aufsätzen geschrieben, die unter dem Titel »Inquiries into Truth and Interpretation« 1984 in Buchform erschienen sind; die deutsche Übersetzung folgte 1986 unter dem Titel »Wahrheit und Interpretation«[341]. Die Lektüre der Texte lohnt sich schon deswegen, weil es sich um sehr gut geschriebene Philosophie handelt. Das ist nicht nebensächlich, weil es in der Philosophie nicht darum geht, Probleme zu lösen, sondern sie im Lichte neuer Darstellungen verändert aufscheinen zu lassen. Die Rezeption von Philosophie in der Rechtswissenschaft wird nicht selten von dem Missverständnis begleitet, hier sei ein Zugriff auf besonders sicheres Wissen möglich, das einem bei der juristischen Arbeit hilft. Das ist nicht der Fall. In der Philosophie gibt es nur unsicheres Wissen und der Sinn einer Beschäftigung mit Philosophie liegt gerade in der Verunsicherung.

      Ein wichtiges stilistisches Mittel in diesem Zusammenhang ist das, was man mit Bertolt Brecht als Verfremdungseffekt bezeichnen kann. Dieser Effekt besteht, |88|Brecht zufolge, darin, dass das Ding, das zum Verständnis gebracht, auf welches das Augenmerk gelenkt werden soll, aus einem gewöhnlichen, bekannten, unmittelbar vorliegenden Ding zu einem besonderen, auffälligen, unerwarteten Ding gemacht wird. »Das Selbstverständliche wird in gewisser Weise unverständlich gemacht, das geschieht aber nur, um es dann umso verständlicher zu machen«[342]. Das beschreibt sehr gut die philosophische Methode DavidsonDavidson, Donalds. Auch Davidson möchte das Vertraute verfremden, das Selbstverständliche unverständlich machen, um es gerade dadurch besser oder gar überhaupt erst zu verstehen. Dabei ist sein Gegenstand nichts Geringeres als das Verstehen selbst: die Frage nach der sprachlichen Bedeutung – in DavidsonDavidson, Donalds Worten: »Was heißt es, dass Wörter bedeuten, was sie nun einmal bedeuten?«[343]

      I. Verfremdung des Verstehens

      Es ist ganz natürlich, wenn man Schwierigkeiten damit hat, in dieser Frage gleich das Problem zu erkennen. Die Frage der Bedeutung kommt im Allgemeinen gar nicht erst auf, weil wir permanent schon verstehen und uns darüber gar nicht wundern. Wir hören jemanden sagen »es regnet« und wissen normalerweise ohne weiteres, dass damit zu verstehen gegeben wurde, dass es regnet. Und zu verstehen geben, dass es regnet, heißt ohne weiteres: bedeuten, dass es regnet. Eine Theorie der Bedeutung können wir uns demzufolge so denken, dass man ihr für alle sinnvollen Sätze einer bestimmten Sprache Interpretationen der Form »s bedeutet, dass p« entnehmen kann, womit der Gedanke nahe liegt, dass sich alle Fragen der Bedeutung schließlich durch eine Art Übersetzungsmanual lösen lassen. Aber schon auf den zweiten Blick erscheint die Idee einer solchen Theorie fragwürdig, wenn man ihren Anspruch beim Wort nimmt, wirklich eine Theorie der Bedeutung zu sein, denn sie erklärt den Begriff der Bedeutung keineswegs. Nach DavidsonDavidson, Donald ist es daher »zu verhindern, dass in die Grundlagen der Theorie Begriffe eingeschmuggelt werden, die zu eng mit dem Begriff der Bedeutung verbunden sind«[344].

      Dass wir ständig ohne weiteres verstehen, ist darüber hinaus auch nur die halbe Wahrheit. »Du verstehst mich nicht« ist ein häufig erhobener und nicht selten berechtigter Vorwurf im Rahmen typischer zwischenmenschlicher Konflikte, der zuweilen auch in der dramatischen Fassung vorkommt, dass einen niemand verstehen kann. Wörtlich genommen ist die dramatisierende Behauptung freilich falsch, wie WittgensteinWittgenstein, Ludwig gezeigt hat, denn wenn nur ich mich verstehen kann, dann geht der Unterschied verloren zwischen dem, was Bedeutung und dem, was |89|nur vermeintlich Bedeutung hat[345]. Was auch immer mir etwas bedeutet, es muss etwas sein, zu dem auch andere Zugang haben; und das ist der Grund, warum eine Theorie der Bedeutung als Theorie der InterpretationInterpretation konzipiert werden muss.

      In der Jurisprudenz ist üblicherweise nicht von InterpretationInterpretation, sondern von AuslegungAuslegung die Rede, möglicherweise, weil es hier zumeist um die Interpretation von verschriftlichten Sprachäußerungen geht. Im klassischen Quartett der Canones der Auslegung kommt eine bemerkenswerte Vollständigkeit des Bewusstseins darüber zum Ausdruck, inwiefern Bedeutung zum Problem werden kann. Initiale oder Prima-facie-Bedeutungen (»Wortlaut«) verändern sich, wenn man ihre sprachlichen Kontexte einbezieht (»Systematik«) und sie auf außersprachliche Gesichtspunkte (»historische legislative Intentionen«, »Teleologie«) bezieht. Bereits das Verhältnis von Wortlaut und Kontext wirft ganz erhebliche Probleme auf. So richtig und so sehr Binsenweisheit es ist, dass sich Bedeutungen »aus dem Zusammenhang ergeben«, so gefährlich und verführerisch ist das Argument, weil es Theorien vortäuscht, die es gar nicht liefert. Zu sagen, dass es auf den Kontext ankommt, bringt nur dann etwas, wenn man sagen kann, was den Kontext ausmacht. In der juristischen Methodenlehre ist das übrigens anerkannt, wenn das Kontextargument auf den Gedanken der systematischen Auslegung gebracht wird. Nur wenn Kontexte systematisierungsfähig sind, können sie als Gegenstände triftiger Theoriebildung begriffen werden[346].

      Die Frage der Systematisierungsfähigkeit von Kontexten hängt eng zusammen mit sog. »sprachpragmatischen« Ansätzen, die häufig auf dem Gedanken beruhen, dass Bedeutungen etwas Konventionelles sind[347]. Der zugrunde liegende Gedanke ist, dass die erforderliche Systematisierung von Kontexten im Sinne einer Typologie generalisierter Verwendungssituationen zu bewerkstelligen ist. Man unterscheidet etwa die Sprechakte des Versprechens und des Behauptens und stützt diese Unterscheidung mit dem Argument, dass die betreffenden Akte aufgrund von Konventionen als diejenigen Sprechhandlungen aufgefasst werden, als welche sie schließlich auch fungieren. Aber diese Idee ist zweifelhaft. Mit der Äußerung von »es regnet« kann – wenn der Kontext passt – jemand zu verstehen geben, dass die Sonne scheint. Es spricht daher vieles dafür, den Begriff der Konvention nicht zum bedeutungstheoretischen Grundbegriff zu machen[348], was im Übrigen auch den Vorteil hat, dass abweichende Sprechweisen genauso behandelt werden wie der herrschende Sprachgebrauch.

      Dass das Abstellen auf Intentionen keine bedeutungstheoretische Alternative darstellt, bedarf keiner langen Erläuterung, denn der Begriff der Konvention |90|sollte ja gerade dem Umstand abhelfen, dass Sprecherabsichten im Hinblick auf Bedeutungen nicht systematisierungsfähig sind. Ich kann mit »es regnet« zu verstehen geben, dass du das Fenster schließen sollst oder dass Onkel Dagobert heute Nachmittag zum Tee vorbeikommt. Intentionen tragen sicherlich zur Bedeutung sprachlicher Äußerungen bei, aber über ihren Beitrag wird sich keine auch nur halbwegs verallgemeinerungsfähige Auskunft geben lassen. Daher vermutet DavidsonDavidson, Donald, dass wir nur »mit einer völlig neu ansetzenden InterpretationInterpretation […] – mit der radikalen Interpretation« zu einer Theorie der Bedeutung kommen.

      »Radikale InterpretationInterpretation« ist das, was man als DavidsonDavidson, Donalds Verfremdungseffekt bezeichnen kann: Verstehen wird verfremdet, um es besser verstehen zu können. Der Begriff geht zurück auf ein berühmtes Gedankenexperiment von DavidsonsDavidson, Donald philosophischem Lehrer W.V.O. Quine, der eine hypothetische linguistische Feldforscherin mit der Aufgabe »radikaler Übersetzung« betraut hatte, nämlich der Übersetzung einer bislang völlig unbekannten Sprache, ohne Möglichkeit, auf Dolmetscher oder ähnliche Hilfsmittel zurückzugreifen[349]. DavidsonDavidson, Donald hat die Rekonstruktion dieses Experiments um die Entwicklung der Vorstellung darüber bereichert, welche Rolle hierbei der Begriff der Wahrheit spielt:

      »Anstelle der Äußerungen von Ausdrücken möchte ich eine bestimmte Einstellung zu Ausdrücken betrachten, eine Einstellung, die bei tatsächlichen Äußerungen vielleicht […] zum Ausdruck gebracht wird. Dabei handelt es sich um die auf Zeitpunkte relativierte Einstellung des Führwahrhaltens. […] Ein typisches Beispiel für die verfügbare Art von Belegmaterial wäre demnach das folgende: Ein Sprecher hält ›It is snowing‹ dann und nur dann für wahr, wenn es schneit«[350].

      II. HolismusHolismus, Unbestimmtheit und charity

      Die Annäherung an das Phänomen »Bedeutung« über Sätze, die zum Ausdruck bringen, was der Sprecher für wahr hält – das ist das wesentliche Ergebnis von


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