Konkurrenzen im öffentlichen Dienst. Helmut Schnellenbach
Bezug auf eben diesen Einstellungstermin) erfordert dann, dass der Bewerber aufgrund der allein maßgeblichen Einschätzung der Auswahlbehörde in einer (idealtypisch betrachtet) nach Eignungsgraden geordneten Liste[4] einen Platz erlangt, der innerhalb der Aufnahmekapazität (für den entsprechenden Einstellungstermin) liegt.[5]
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Dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn bleibt es überlassen, welchen sachlichen – d.h. grundsätzlich ausschließlich an Art. 33 Abs. 2 GG auszurichtenden[7] – Einzelkriterien (Auslesefaktoren) er bei der Auswahl das größere Gewicht beimisst[8] und wie er der Forderung des Verfassungsgebers, jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte zu ermöglichen, im Übrigen in Würdigung des Einstiegscharakters der Zulassung zum Vorbereitungsdienst und im Blick auf die spätere Berufsausübung prinzipientreu Rechnung trägt.[9] Soweit nicht – auch aus Wettbewerbsgründen – eine Einstellungsprüfung oder ein besonderes, die Chancengleichheit wahrendes Auswahlverfahren durchgeführt wird[10],[11], können die notwendigen Erkenntnisse für eine – bei knapper Aufnahmekapazität[12] ggf. abgestufte – Eignungsprognose (mit dem Risiko des Irrtums) grundsätzlich nur anhand von Ergebnissen der vorgeschriebenen (Vor-)Bildungsabschlüsse (vgl. dazu etwa § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 und Abs. 5 Nr. 1 BBG), unter Umständen ergänzt durch Eignungstests, erlangt werden.[13]
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Als Ausprägung von Art. 33 Abs. 2 GG sollte – ungeachtet des Fehlens einer § 122 Abs. 1 BRRG a.F. entsprechenden Vorschrift – nach wie vor außer Zweifel stehen, dass die Zulassung eines Bewerbers zum Vorbereitungsdienst einer Laufbahn nicht deswegen abgelehnt werden darf, weil er den vorgeschriebenen (Vor-)Bildungsabschluss im Bereich eines anderen Dienstherrn erlangt hat[14] – vorausgesetzt allerdings, dass der dort erworbene (Vor-)Bildungsabschluss „ein wesentliches Maß an Übereinstimmung“ mit dem (Vor-)Bildungsabschluss aufweist, wie er im Bereich des aufnehmenden Dienstherrn nach dem hier geltenden Bildungsrecht erworben und dem hier geltenden Laufbahnrecht gefordert wird.[15]
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Auch eine geeignete Vorbildung, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder in einem Drittstaat erworben wurde, dem vertraglich ein Anspruch auf Anerkennung der Berufsqualifikation entsprechend der Richtlinie 2005/35/EG eingeräumt worden ist, kann als (Vor-)Bildungsabschluss anzuerkennen sein (vgl. dazu für den Bundesbereich im Einzelnen § 18 BBG, für die Länder die zuverlässige Synopse im Werk von Schütz/Maiwald).[16]
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Am Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) oder an Art. 6 Abs. 4 GG orientierte Überlegungen dürfen nur Bedeutung erlangen,
– | wenn es um die Auswahl unter mehreren Bewerbern geht, die aus der Sicht des Dienstherrn (im Wesentlichen) gleich geeignet sind[17], oder |
– | wenn eine gesetzliche, durch einen der angeführten Verfassungsgrundsätze gestützte Regelung, wie z.B. § 25 BBG[18], ein Benachteiligungsverbot ausspricht[19], oder, wie z.B. § 164 Abs. 1 SGB IX[20] oder § 11a ArbPlSchG, die bevorzugte Einstellung bestimmter Bewerbergruppen favorisiert.[21] |
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Mit der Auswahlentscheidung zugunsten eines Bewerbers geht „zwangsläufig die Ablehnung der Mitbewerber einher“; der „Regelungsgehalt“ der anschließenden Ernennung des erfolgreichen Bewerbers – eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung zu Lasten der jeweils unterlegenen Konkurrenten – stimmt mit der Auswahlentscheidung überein, die sie „rechtsverbindlich umsetzt“.[22] In Anbetracht
– | einerseits des Grundsatzes der Ämterstabilität (bzw. der Stabilität der rechtlichen Stellung), dem zufolge eine rechtsfehlerhafte bestandskräftige Ernennung nur bei Vorliegen eines der im Gesetz aufgeführten Nichtigkeits- oder Rücknahmegründe (vgl. §§ 13 bis 15 BBG, §§ 11, 12 BeamtStG) rückgängig gemacht werden kann, sowie |
– | andererseits des grundrechtsgleichen Rechts eines jeden übergangenen Bewerbers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), welches unter anderem „Rechtsschutzverhinderungen“ seitens des Dienstherrn verbietet, |
kann der Unterlegene seinen Bewerbungsverfahrensanspruch
– | im „Vorfeld“ einer Ernennung (zunächst) mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) weiterverfolgen |
– | im Nachhinein hingegen nur dann noch durch Widerspruch (§ 126 Abs. 2 BBG, § 54 Abs. 3 BeamtStG) und Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) gegen die inzwischen vollzogene Ernennung eines ausgewählten Mitbewerbers geltend machen, wenn eine „Rechtsschutzverhinderung“ vorliegt.[23],[24] |
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Übersicht über „Rechtsschutzverhinderungen“
Sie können darin zu erblicken sein,
– | dass die erforderliche, begründungsbedürftige Mitteilung an die erfolglos gebliebenen Konkurrenten, mit der diesen die für sie negative Auswahlentscheidung eröffnet wird, unterbleibt oder dass sie mängelbehaftet ist oder |
– | dass sich die zuständige Behörde über eine gerichtliche Entscheidung hinwegsetzt, mit der ihr die Aushändigung einer Ernennungsurkunde untersagt worden war, oder |
– | dass die (insoweit) zuständige Behörde nicht zureichend auf das Ergebnis einer verwaltungs-, ggf. auch einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Auswahlentscheidung wartet, sondern verfrüht die Ernennung eines erfolgreichen Konkurrenten veranlasst (siehe dazu BVerwGE 138, 102, juris Rn. 34 f. sowie Anhang 3 Rn. 11 und Anhang 6). |
Anmerkungen
Zur Mitbestimmung bei Einstellungen (u.a. in das Beamtenverhältnis auf Widerruf) siehe Anhang 7 Rn. 2, 5 f., 11 sowie Kersten in: Richardi/Dörner/Weber, § 76 Rn. 6 und Fischer/Goeres/Gronimus GKÖD V K § 76 Rn. 6a.
Vgl. BVerwGE 11, 139 sowie BVerwG Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 4, RiA 1981, 217 (juris Rn. 19) und DÖV 1981, 632 (juris Rn. 29): Die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Eignungseinschätzung ist darauf beschränkt, ob die Verwaltung anzuwendende Begriffe verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat.