Konkurrenzen im öffentlichen Dienst. Helmut Schnellenbach
1. Vorbemerkung
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Die Klage eines Bewerbers mit dem Begehren, den potentiellen Dienstherrn zur Begründung eines Widerrufsbeamtenverhältnisses oder zumindest zu einer Neubescheidung des Einstellungsantrags zu verpflichten (vgl. § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), steht einer Klage „aus dem Beamtenverhältnis“ i.S.d. § 126 Abs. 1 BBG bzw. i.S.d. § 54 Abs. 1 BeamtStG gleich.[1] Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 52 Nr. 4 VwGO. Für den Erlass einer einstweiligen (Sicherungs- oder Regelungs-)Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) ist das Gericht der Hauptsache zuständig (§ 123 Abs. 2 VwGO).
a) Antrag des übergangenen Bewerbers auf Erlass einer Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO)
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Das Verwaltungsgericht kann die Ernennung eines Mitbewerbers oder (wenn sich der Antragsteller gegen eine Auswahl innerhalb eines größeren Bewerberkreises insgesamt wehrt) auch diejenige mehrerer oder aller Konkurrenten[2] auf Antrag vorläufig untersagen, um durch die zeitweilige „Stellenbesetzungsblockade“ (möglichst) zu verhüten, dass ein Einstellungskontingent anderweit erschöpft ist, bevor es zu einer Klärung im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren kommt. Es kann nur so die Schaffung „vollendeter Tatsachen“ verhindern.[3]
aa) Anordnungsgrund
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Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass angesichts des Grundsatzes der Ämterstabilität (bzw. der Stabilität der rechtlichen Stellung) nur auf dem Wege über den Erlass einer einstweiligen Sicherungsanordnung des vorbeschriebenen Inhalts ein effektiver verwaltungsgerichtlicher – ggf. auch verfassungsgerichtlicher (siehe insoweit §§ 32, 90 BVerfGG) – Rechtsschutz zu gewährleisten ist.[4]
bb) Anordnungsanspruch
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Der Antragsteller, dessen Bewerbung erfolglos war, muss glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO),
– | dass die Auslese unter den in die Auswahlerwägungen Einzubeziehenden in verfahrens- oder in materiellrechtlicher Hinsicht nicht fehlerfrei getroffen worden sei und |
– | dass er bei ordnungsgemäßem Vorgehen und Zugrundelegung rechtlich bedenkenfreier Maßstäbe einen besseren Rang hätte erreichen müssen und dass er damit statt des einen oder anderen erfolgreichen Mitbewerbers zumindest möglicherweise zum Zuge gekommen wäre.[5] |
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Übersicht über gängige Verfahrensrügen (Checkliste)
Der Antragsteller meint, seine Bewerbung sei zu Unrecht wegen Fristversäumnis unbeachtet geblieben:
Die Bewerbungsfrist ist keine Ausschlussfrist*1, sodass es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn liegt, ob er eine verspätete Bewerbung (bei Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und in Würdigung etwaiger in seiner Sphäre liegender Gründe für die Fristversäumnis*2) noch berücksichtigt oder sie zurückweist. Weil es im Allgemeinen und gerade hier im öffentlichen Interesse liegt, dass der Bewerberkreis zum Stichtag möglichst feststeht*3, wird sich gewöhnlich die (begründungsbedürftige*4) Zurückweisung einer verspätet eingegangenen Bewerbung (unter Absehen von einer Sachprüfung) je nach Lage der Dinge damit rechtfertigen lassen, dass das Besetzungsverfahren schon nennenswert fortgeschritten sei oder dass es schon Entscheidungsreife dergestalt erreicht habe, dass die Auswahlentscheidung unmittelbar bevorstehe oder gar getroffen sei.*5
Der Antragsteller beanstandet, dass er aus dem Bewerberkreis vorab ausgeschlossen worden sei, weil die zuständige Behörde der unzutreffenden Ansicht gewesen sei, dass er eine notwendige (Vor-)Bildung nicht besitze: Hierzu ist auf Rn. 8 f. zu verweisen.
Der Antragsteller, der im Zeitpunkt seiner Bewerbung eine normativ vorgeschriebene Höchstaltersgrenze überschritten hatte, hält diese Grenze für mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und beruft sich außerdem auf einen (durch Rechtsverordnung geregelten) Ausnahmetatbestand:
Die normative Festsetzung von Höchstaltersgrenzen, deren Überschreiten eine Einstellung ausschließt, widerspricht vom Ansatz her weder Art. 33 Abs. 2 GG noch dem einschlägigen Europarecht. Die jeweilige Höchstaltersgrenze für den Zugang zum Beamtendienst ist unter der Voraussetzung rechtswirksam, „dass ihrer Festlegung ein angemessener Ausgleich zwischen der durch Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Zugangschance nach unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien und dem in Art. 33 Abs. 5 GG angelegten Interesse des Dienstherrn an einer langen Lebensarbeitszeit zu Grunde liegt“.*6 Das Bundesverwaltungsgericht*7 hat eine Höchstaltersgrenze von unter 25 Jahren für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst des mittleren Polizeivollzugsdienstes des Landes Berlin für mit höherrangigem Recht vereinbar erklärt; der Europäische Gerichtshof*8 ist der Ansicht, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG*9 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen sei, dass er einer innerstaatlichen Regelung, die das Höchstalter für die Einstellung in die Laufbahn des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes auf 30 Jahre festlege, nicht entgegenstehe.*10 Ob ein Ausnahmetatbestand vorliegt, der die Einstellung lebensälterer Bewerber etwa mit Rücksicht auf eine für die Verwendung in der Laufbahn förderliche abgeschlossene Berufsausbildung zulässt, ist naturgemäß eine Frage des Einzelfalles.
Der Antragsteller bemängelt die Einstiegsprüfung oder die Abwicklung eines vorgeschalteten Auswahlverfahrens:*11
Bei Einstiegsprüfungen treten innere Zusammenhänge zwischen Prüfungs- und Beamtenrecht in Erscheinung.*12 Besondere Beachtung gebührt hier wie auch bei Auswahlverfahren im Übrigen, etwa bei Auswahlinterviews oder strukturierten Auswahlgesprächen, vor allem dem Topos der Chancengleichheit („Fairness“).*13 Insbesondere ist es unverzichtbar, dass die äußeren Bedingungen für sämtliche in das jeweilige (Prüfungs- oder Präsentations-)Verfahren einbezogenen Bewerber vergleichbar sind und dass der Einschätzung sämtlicher Bewerber vergleichbare Bewertungskriterien und -maßstäbe zugrunde gelegt werden. Soweit Assessment Center-Verfahren als Erkenntnismittel herangezogen werden*14, muss namentlich Sorge dafür getragen werden, dass die (auf der Grundlage einer laufbahnbezogenen Anforderungsanalyse zu entwickelnden) Regeln für die Auswertung, Interpretation und Entscheidung vorab festgelegt und in ausführlichen Verfahrenshinweisen (Manualen) verlautbart werden, damit verschiedene, unabhängige Beurteiler in gleicher Weise vorgehen und zu vergleichbaren, intersubjektiv nachprüfbaren Ergebnissen und Urteilen kommen können.*15
Anmerkungen:
*1 | BVerwGE 145, 185 (juris Rn. 30); vgl. ferner NRW OVG NVwZ-RR 2011, 700 (juris Rn. 6 f.) m.w.N. |
*2 | Siehe auch NRW OVG v. 24.6.2004 – 6 B 1114/04 – juris Rn. 9 ff. m.w.N. |
*3 | Vgl. BVerwG 30.1.2014 – 5 B 44.13 – juris Rn. 9 (zur Berücksichtigung einer nach Ablauf der Bewerbungsfrist angezeigten Schwerbehinderung). |
*4 |
BVerwGE 145, 185 (juris Rn. 31) mit |