Klausurenkurs im Strafprozessrecht. Marco Mansdörfer
bei der Sperrwirkung der Rechtsbeugung zutreffend um einen Sonderfall der Gesetzeskonkurrenz. Der Fall der Sperrwirkung des Nichteingreifens von Tatbeständen beruht auf dem Gedanken der Konkurrenzregel von der Gesetzesspezialität. Im Gegensatz zur Ausgangsform, bei der beide Tatbestände erfüllt sein müssen, geht es bei dieser Form der Gesetzeskonkurrenz um die Sperrwirkung des partiellen Eingreifens eines Tatbestands. Sie stützt sich auf den Gedanken der abschließenden Regelung der Strafbarkeit in bestimmten Fällen, wie der exklusiven Erfassung richterlichen Fehlverhaltens bei der Entscheidung einer Rechtssache. Sie ist auch bei anderen Tatbeständen durchaus anerkannt (vgl. §§ 113 und 240 oder § 258 gegenüber § 267 StGB).[37] Eine gesonderte Begründung der Straflosigkeit des Täters mittels eines speziellen Rechtsfertigungsgrunds oder etwa über eine entsprechende Anwendung der allgemeinen Grundsätze ist daher entbehrlich.
b) Zwischenergebnis
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Eine Rechtfertigung des Verhaltens kommt mithin nicht in Betracht.
S handelte somit rechtswidrig.
4. Schuld
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Entschuldigungsgründe sowie persönliche Strafausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.
5. Sperrwirkung der Rechtsbeugung
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Da S den Tatbestand der Strafvereitelung durch Unterlassen in Ausübung der ihm amtlich eingeräumten Entscheidung über eine Rechtssache verwirklicht hat, ist § 258a, § 13 Abs. 1 StGB in seinen Rechtsfolgen aufgrund der Nichtverwirklichung der Rechtsbeugung als insoweit für die Strafbarkeit abschließende Regelung gesperrt.
6. Ergebnis
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S hat sich nicht nach § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
III. Gesamtergebnis
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S ist somit straflos.
Anmerkung:
Im umgekehrten Fall (S hält Verhalten entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung für strafbar) dürfte S nach überwiegender Ansicht Anklage erheben, obwohl das Verhalten nach ständiger Rechtsprechung straflos ist.[38] Ansonsten könnten die Gerichte mangels Anklage eine einmal etablierte Rechtsprechung nicht wieder korrigieren.[39] Im Hinblick auf § 344 StGB sollte aber eine hinreichende Begründung verlangt werden.[40]
Anmerkungen
BGHSt 14, 147 (148), NJW 1960, 253; BGHSt 5, 301 (304); MüKoStGB/Uebele § 339 StGB Rn. 19; Lackner/Kühl/Heger § 339 StGB Rn. 3.
BGHSt 41, 247 (249); BeckOK-StGB/Bange § 339 StGB Rn. 8.
BGHSt 24, 326 (328); MüKoStGB/Uebele § 339 StGB Rn. 11; LK-StGB/Uebele § 339 StGB Rn. 33.
Seebode, Das Verbrechen der Rechtsbeugung, S. 75; SK-StGB/Stein/Deiters § 339 StGB Rn. 30; Beining, ZJS 2015, 546.
Vgl. etwa RGSt 69, 213 (214); BGHSt 32, 357; BGHSt 38, 381 (382); BGHSt 40, 169 (180); NK-StGB/Kuhlen § 339 StGB Rn. 12; LK-StGB/Hilgendorf § 339 StGB Rn. 20 mwN.
BGHSt 40, 169 (180); OLG Bremen, NStZ 1986, 120 (121); MüKoStGB/Uebele § 339 StGB Rn. 12.
Statt aller OLG Bremen, NStZ 1986, 120 (121); LK-StGB/Hilgendorf § 339 StGB Rn. 20.
LK-StGB/Hilgendorf § 339 StGB Rn. 20.
So auch Wagner, ZJS 2018, 81 (86).
BGHSt 40, 169 (177); BGHSt 41, 247 (249); OLG Bremen, NStE § 336 StGB Nr. 2.
BGHSt 40, 30 (43); BGHSt 38, 381 (383); MüKoStGBB/Uebele § 339 StGB Rn. 24.
So noch Sarstedt, in: FS Heinitz, S. 429 ff., weitere Nachweise bei LK-StGB/Hilgendorf § 339 StGB Rn. 43.
Rudolphi, ZStW 82 (1970), 610 (611 ff.).
Vgl. die Übersicht bei Rössner/Safferling, S. 11 ff.
BGHSt 47, 105 (108 f.); KG NStZ 1988, 557; Fischer § 339 StGB Rn. 33; Schönke/Schröder/Heine/Hecker § 339 StGB Rn. 10; BeckOK-StGB/Bange § 339 StGB Rn. 10 f.
BGH NJW 2014, 1192 (1193); BGHSt 34, 146 (149); BGHSt 40, 272 (283); BGH NStZ-RR 2001, 243 (244); BeckOK-StGB/Bange § 339 StGB Rn. 12.
BGH, NJW 1984, 135 (135); Fischer § 258 StGB Rn. 7.
Fischer § 258 StGB Rn. 11.
NK-StGB/Altenhain § 258 StGB Rn. 43; MüKoStGB/Cramer § 258 StGB Rn. 19; Fischer § 258 StGB Rn. 11.
Engländer Rn. 17; Roxin/Schünemann § 14 Rn. 4.
Beulke/Swoboda Rn. 147.
Hellmann Rn. 66; Krey/Heinrich Rn. 239; Roxin/Schünemann § 9 Rn. 14.