Klausurenkurs im Arbeitsrecht II. Matthias Jacobs
somit nicht eingetreten [Schluss].“
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Bei sehr einfachen Subsumtionsvorgängen, zu denen auch das vorstehende Beispiel gehört, bietet es sich an, auf einen vollständigen, dreistufigen Syllogismus zu verzichten und den Obersatz (bspw. „A muss arglistig gehandelt haben.“) auszulassen. Man spricht dann vom sog. Feststellungsstil: Anders als bei der häufig (zu Unrecht[7]) als Urteilsstil bezeichneten Darstellungsweise wird hierbei nicht das Ergebnis konstatiert („A täuschte B arglistig.“), sondern der Untersatz in Form einer kurzen Begründung (häufig in Form einer Definition) dem daraus gezogenen Schluss vorangestellt, wobei die Verbindung durch Konjunktionen wie „mithin“; „also“; „und folglich“; „so dass“; „und damit“ erfolgt.
Beispiele:
„A hat innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erhoben [Tatbestand/Untersatz], so dass die Wirksamkeit der Kündigung nicht nach §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG fingiert wird [Schlussfolgerung].“ „A handelte vorsätzlich [Definition/Untersatz], mithin arglistig i.S.d. § 123 I Alt. 1 BGB [Schlussfolgerung].“ „Durch Verneinen der Frage nach Vorstrafen im Einstellungsbogen hat A bei G einen Irrtum bezüglich ihrer Vorstrafen erregt [Definition/Untersatz], diesen also getäuscht [Schlussfolgerung].“
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Für den Einstieg in die Beantwortung der Gutachtenfrage ist allerdings stets ein kompletter Obersatz erforderlich, der nicht im Sinne des Feststellungsstils verkürzt werden sollte (erst Recht genügt keine bloße Überschrift ohne Text). Das gilt insbesondere (aber nicht nur) bei der Prüfung eines Anspruchs; hier muss der Obersatz die bekannte Frage „Wer will was von wem woraus?“ beantworten.
5. Schwerpunktsetzung, Argumentationstiefe und Lösungsskizze
Ausführlich bzw. vertiefend hierzu: Kerbein, JuS 2002, 353 ff.; Lemke, JA 2002, 509 ff.
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Was Darstellungsweise und Schwerpunktsetzung einer Klausur anbelangt, muss eine ausführliche, tief gehende Argumentation in sauberer Gutachtentechnik somit nur an Stellen erfolgen, die problematisch sind und zu denen der Sachverhalt auch die notwendigen Angaben enthält. Dass Bearbeiter die Bedeutung eines Punktes für die Fall-Lösung falsch einordnen, lässt sich häufig daran festmachen, dass für die Subsumtion eine Reihe von Annahmen und Unterstellungen erforderlich ist, weil der Sachverhalt die notwendigen Angaben gar nicht enthält; das ist ein Indiz dafür, dass der geprüfte Punkt unproblematisch ist. Zu diskutieren sind außerdem nur solche Streitstände, die für den weiteren Gang des Gutachtens auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (im Gutachten ist schließlich immer der konkrete Fall, nicht ein für dessen Ausgang irrelevanter Meinungsstreit zu entscheiden).
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In Abhängigkeit davon, wie viele Probleme ein Klausursachverhalt aufwirft, kann darüber hinaus ein ganz unterschiedliches Maß an argumentativem Tiefgang erwartet werden. Schon aus diesem Grund bietet es sich an, eine kurze, stichpunktartige (!) Lösungsskizze anzufertigen und dabei die durch den Fall aufgeworfenen Probleme kurz zu gewichten, um so zu einer überzeugenden Schwerpunktsetzung zu gelangen (d.h. Unproblematisches – wenn überhaupt – nur knapp festhalten, typischerweise im Feststellungsstil; problematische Punkte dagegen mit ausführlicher Argumentation in sauberer Gutachtentechnik darstellen). Es bringt dem Bearbeiter wenige Punkte ein, wenn er in perfekter Gutachtentechnik an den eigentlichen Problemen der Klausur vorbeischreibt; gleiches gilt für eine „unstrukturierte“ (wennauch sachlich weitgehend richtige) Fall-Lösung. Wer eine hohe Punktzahl erreichen will, braucht beides: Schwerpunktsetzung und saubere Darstellung.
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Für die Lösungsskizze bietet es sich darüber hinaus an, bereits stichpunktartig Argumente für die aufgefundenen Probleme zu sammeln und kurz zu ordnen. Dadurch werden Wiederholungen vermieden (z.B. wird dasselbe Argument einmal bei der Darstellung einer bestimmten Auffassung, dann versehentlich nochmals im Rahmen der Streitentscheidung gebracht). Zum anderen sollte der Bearbeiter vorher überlegen, wie ein Problem zu entscheiden ist, und die für die Entscheidung maßgebliche Begründung an den Schluss seiner Argumentation stellen.
6. Umgang mit unbekannten Problemen
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Ist eine Problematik im Sachverhalt zwar angelegt (insbesondere durch Ausführungen der beteiligten Parteien), dem Bearbeiter aber nicht bekannt, sollte der einschlägige Rechtssatz nach den klassischen Auslegungskanones Wortlaut, Historie/Genese, Systematik und ratio ausgelegt werden (weitere Kriterien daneben sind z.B. der Vorrang des allein verfassungs- oder richtlinienkonformen Auslegungsergebnisses, Praktikabilität und Bedürfnisse des Rechtsverkehrs, Prozessökonomie und ökonomische Folgen einer bestimmten Rechtsanwendung).
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Wie dargelegt, wird eine ausführlichere Argumentation idealerweise nicht nur logisch, sondern auch optisch durch Absätze gegliedert. Allein durch eine solche Gliederung der Argumentation zeigt ein Klausurbearbeiter, dass er seine Gedanken zu systematisieren vermag – was deutlich überzeugender wirkt als eine „freie“ Aneinanderreihung verschiedener Wertungen, die dann auch häufig nicht mehr ans Gesetz oder einen bestimmten Rechtssatz anknüpft.
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Was „freie“ Wertungen anbelangt, ist im Arbeitsrecht insbesondere darauf hinzuweisen, dass der pauschale Verweis auf den „Arbeitnehmerschutzgedanken“ niemals genügt.[8] Arbeitsrecht ist stets ein gerechter Ausgleich verschiedener, auch arbeitgeberseitiger Interessen. Wenn also mit der Schutzbedürftigkeit einer Seite argumentiert wird, so ist diese möglicht präzise und konkret herauszuarbeiten.
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Die übermäßige Zuweisung verschiedener Auffassungen zur Rechtsprechung (z.B. „Das BAG vertritt die Ansicht, dass…“) oder Literatur (z.B. „Die Literatur will hingegen…“) sollte bei der Darstellung von Streitständen ebenfalls vermieden werden. Zum einen sind solche Gruppierungen selten trennscharf (auch unterschiedliche Senate desselben Gerichts argumentieren bisweilen verschieden). Zum anderen erweckt eine solche Darstellung den Eindruck, die Berufung auf eine externe Autorität solle die fehlende Überzeugungskraft des Gutachtens wettmachen, insbesondere wenn ohne weitere Argumente eine (angeblich) „herrschende Meinung“ bemüht wird. Die Berufung auf die „h.M.“ ersetzt aber niemals die eigene Argumentation. Wenn es nicht um besonders wichtige Entscheidungen oder sehr bekannte Minderheitenauffassungen geht, sollte sich eine Klausurbearbeitung darauf beschränken, die jeweils entscheidenden Argumente darzustellen.
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Für die erforderliche Breite der Ausführungen gilt die Faustformel: Je mehr von der vorherrschenden Auffassung abgewichen wird, desto ausführlicher muss auch die Argumentation ausfallen. Umgekehrt macht der bloße Verweis auf eine (angeblich) herrschende Meinung eine Argumentation aber keinesfalls entbehrlich (nicht etwa: „Nach h.M. genügt das für den Zugang der Kündigungserklärung.“).
7. Zitiergenauigkeit
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Ein weit verbreitetes Manko vieler Klausurbearbeitungen besteht darin, dass die angewandten Normen entweder gar nicht oder zu pauschal zitiert werden. Allein das exakte Zitat verdeutlicht aber dem Korrektor, welcher Teil eines Rechtssatzes überhaupt angewandt oder ausgelegt wird. Gleichzeitig ist der Bearbeiter durch ein exaktes Zitat – schon routinemäßig – dazu gezwungen, die einschlägige Norm nochmals ins Auge zu fassen und vermeidet damit die Gefahr, Einschränkungen oder Ausnahmen zu übersehen, die er nicht auswendig parat hat. Nicht zuletzt ist das Auffinden des einschlägigen Rechtssatzes auch Teil der Klausurleistung und fließt somit in die Benotung