Bankrott und strafrechtliche Organhaftung. Jörg Habetha
ist“.[11] Der Darlehensnehmer soll hierdurch Gelegenheit erhalten, sich nach einem neuen Darlehensgeber umzusehen.[12]
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Die ökonomische Krise des Kreditnehmers bewirkt grundsätzlich keine Einschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts. Zwar sei grundsätzlich zu berücksichtigen, dass ein wirtschaftlich angeschlagenes Unternehmen für die Folgen einer Kreditkündigung besonders „empfindlich“ ist. Allerdings bleibt das ordentliche Kündigungsrecht der Banken – sei es auch nur aus Gründen der Vorsicht – grundsätzlich unberührt, wenn Bankmitarbeiter eine negative wirtschaftliche Entwicklung bei ihrem Kunden feststellen oder eine solche auch nur vermuten. Hierfür spricht bereits, dass das Recht der Bank, ein Darlehen bei Fälligkeit zurückzuführen, auch im Falle eines befristeten Kredits durch den Eintritt einer wirtschaftlichen Krise des Darlehensnehmers nicht berührt wird.[13] Dies gilt auch in Fällen, in denen Bankmitarbeiter zuvor Gespräche über eine mögliche Prolongation des Darlehens (etwa als Sanierungsbeitrag) angeboten haben oder eine solche Verhandlung ergebnislos durchgeführt wurde.[14] Eine Anwendung der Grundsätze der „Kündigung zur Unzeit“ ist ebenfalls ungeeignet, eine Einschränkung des Kündigungsrechts der Bank zu bewirken. Rechtsfolge der „Unzeitigkeit“ ist allenfalls die Schadensersatzpflicht des Kündigenden, nicht aber die Unwirksamkeit der Kündigung.[15]
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Der Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung kann im Einzelfall der (allgemeine) Einwand missbräuchlicher Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenstehen.[16] Mitarbeiter des Kreditinstituts dürfen das Kündigungsrecht danach nicht willkürlich ausüben.[17] Dieser Hinweis ist in seiner Allgemeinheit zunächst wenig griffig. Die Ausübung eines Gestaltungsrechts durch den Rechtsinhaber ist vom Schutzbereich der Privatautonomie umfasst, d.h. der Berechtigte entscheidet über die Ausübung des Kündigungsrechts eigenverantwortlich.[18] In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass das Kündigungsrecht des Kreditinstituts, jedenfalls in „besonders gelagerten Ausnahmefällen“, zu beschränken sei.[19] Zunächst liege eine Verpflichtung der Bank vor, Bankkunden Kündigungsaufschub zu gewähren, sofern der Kredit vollständig durch nicht gefährdete Sicherheiten gesichert ist.[20] Andererseits dürfe der Kündigungsaufschub aber nicht zu einer unbefristeten Fortsetzung des Darlehensverhältnisses führen.[21] Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts wird auch in Fällen diskutiert, in denen Bankmitarbeiter den Kreditkunden in eine besonders starke wirtschaftliche Abhängigkeit zu ihrem Institut geführt haben.[22] Darüber hinaus besteht allerdings keine Veranlassung, Kunden, die in eine wirtschaftliche Krise geraten sind, eine besonders lange Kündigungs- oder Rückzahlungsfrist einzuräumen. Dies gilt ausdrücklich auch in Ansehung des Umstands, dass es Kunden in dieser Situation häufig besonders schwer fällt, neue Kreditgeber zu gewinnen. Die Länge des Kündigungsaufschubs ist aus diesen Gründen (nur) anhand des Zeitraums zu bemessen, den die Entscheidung der Bankverantwortlichen über eine Kreditvergabe für gewöhnlich, d.h. außerhalb einer Krise, beansprucht.[23]
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Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein rechtlicher Grundsatz, der das ordentliche Kündigungsrecht der Bank in der Krise des Bankkunden generell beschränkt oder ausschließt, nicht existiert.[24] Andernfalls würde das Kreditinstitut, wirtschaftlich gesehen, das unternehmerische Risiko ihres Kunden allein durch die Kreditvergabe (mit-)übernehmen. Diese Folge wird von den Beteiligten bei Abschluss des Kreditvertrags, insbesondere von den Vertretern der Bank, nicht beabsichtigt, dementsprechend auch nicht konkludent erklärt. Ein hiervon abweichender Ansatz verlagerte das wirtschaftliche (unternehmerische) Risiko zu weitgehend (auch) auf die „finanzierende“ Bank. Das als Fremdkapital gewährte Darlehen würde hierdurch faktisch haftendem Eigenkapital gleichgestellt. In der wirtschaftlichen Krise des Bankkunden besteht zudem keine Verpflichtung der Bank, mit der Rückführung einen besonders langen Zeitraum zuzuwarten.[25]
Teil 2 Bankgeschäft und Insolvenz – zivil- und insolvenzrechtliche Grundlagen, wirtschaftliche Zusammenhänge › C › II. Außerordentliche Kündigung
II. Außerordentliche Kündigung
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Das Recht zu außerordentlicher Kündigung soll den Vertragsparteien, insbesondere den beteiligten Kreditinstituten, über das ordentliche Kündigungsrecht hinaus eine kurzfristige Lösung von dem Vertragsverhältnis ermöglichen, sofern sich typische Risiken des Darlehensvertrags[26] zu realisieren drohen. Vermögenseinbußen des Kreditgebers sowie weitergehender Schaden sollen hierdurch vermieden werden.[27]
1. Gesetzliches Kündigungsrecht
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Der Darlehensgeber ist zu einer fristlosen Kündigung des Darlehensvertrags berechtigt, sofern „in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückerstattung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird“ (§ 490 Abs. 1 BGB).[28] Das außerordentliche Kündigungsrecht erfordert danach die Prognose, dass die Pflicht zur Rückerstattung des Darlehens bei Fälligkeit, auch unter Verwertung bestellter Sicherheiten, durch den Darlehensnehmer nicht oder nur teilweise erfüllt werden kann.[29] Die Gefährdung muss, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist,[30] objektiv auf einer eingetretenen oder drohenden Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers oder der Werthaltigkeit der Sicherheiten beruhen,[31] die nach Vertragsschluss eingetreten ist.[32] Es genügt, dass eine Verschlechterung „droht“, d.h. anhand objektiv verifizierbarer Indizien[33] mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.[34] Ein bloßer „Verdacht“ genügt dementsprechend nicht.[35] Zu berücksichtigen ist sämtliches, der Zwangsvollstreckung unterliegendes Vermögen des Darlehensnehmers.[36] Ob die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse auf einem Verschulden des Darlehensnehmers beruht, ist gleichgültig.[37] Die negative Entwicklung ist anhand einer Gesamtschau der maßgeblichen wirtschaftlichen Umstände konkret festzustellen.[38] Eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse liegt etwa vor, wenn Absatz- und Gewinnchancen dauerhaft ausfallen oder sich die Eigenkapitalquote bzw. Liquiditätslage nicht nur vorübergehend verschlechtern.[39] Gleiches gilt, sofern Kreditgesuche abgelehnt[40] oder eingeräumte Kreditlinien dauerhaft und erheblich „überzogen“ werden.[41] Die Parallele der letztgenannten Beispiele zu den Indizien,[42] die auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit hindeuten, liegt deutlich zu Tage.
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Eine außerordentliche Kreditkündigung allein gestützt auf die wesentliche Verschlechterung der Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten (vgl. § 490 Abs. 1 Alt. 2 BGB) ist dagegen rechtstatsächlich eine seltene Ausnahme.[43] Bei der Prüfung, ob eine Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs vorliegt, sind, wie gesehen, die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers insgesamt einzubeziehen (Gesamtschau). Die Vorschrift gewährt ein außerordentliches Kündigungsrecht nur bei „akuter Ausfallgefährdung“.[44] Im Ergebnis ist daher regelmäßig eine kumulative Prüfung der Vermögensverhältnisse sowie die Werthaltigkeit von Sicherheiten vorzunehmen.[45] Eine ausreichende „Kreditgefährdung“ fehlt insbesondere, wenn ausreichend werthaltige Sicherheiten des Darlehensnehmers (oder von dritter Seite) zur Verfügung stehen.[46] Für die Beurteilung der Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen sind in einer wirtschaftlichen Krise grundsätzlich Liquidationswerte maßgeblich.[47] Nur sofern die Bankverantwortlichen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Überwindung der Krise, etwa durch eine erfolgreiche Sanierung, prognostizieren können, sind die regelmäßig höheren Fortführungswerte („going-concern-Werte“) in Ansatz zu bringen.[48]
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Bankangestellte werden im Fall einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bankkunden nicht selten im ersten Schritt den Anspruch auf Nachbesicherung verbunden mit der Ankündigung