Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden. Kurt E. Böhme
Breite der Straße das Nebeneinanderfahren von vier Fahrzeugen erlaubt.[145]
1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › V. Verhalten im Straßenverkehr › 10. Begegnungsverkehr (Überholen bei Gegenverkehr, Rn. 170)
10. Begegnungsverkehr (Überholen bei Gegenverkehr, Rn. 170)
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Beim Begegnungsverkehr ist das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO strikt zu beachten. Ein solcher Fall liegt vor, wenn zwei Fahrzeuge auf derselben Fahrbahn aus entgegenkommenden Richtungen aufeinander zukommen. Beide müssen, wenn erforderlich, die äußerste rechte Seite einhalten, notfalls auch einen gefahrlos befahrbaren Randstreifen benutzen.[146] Bei einem Unfall im Begegnungsverkehr reicht zum Nachweis der Kausalität für die Beteiligung eines anderen Fahrzeugs, mit dem keine Berührung stattgefunden hat, allein der nahe zeitliche und örtliche Zusammenhang nicht aus. Es muss immer eine Lenkreaktion als adäquater Verursachungsbeitrag bewiesen sein.[147] Eine Begegnung darf in beiderseits zügiger Fahrt nur dann durchgeführt werden, wenn zwischen den sich begegnenden Fahrzeugen ein Sicherheitsabstand von 1 m besteht.[148] Ist die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes von 1 m aufgrund enger Straße nicht möglich, so muss dies durch Geschwindigkeitsverminderung ausgeglichen, notfalls angehalten werden. Gegebenenfalls muss einer der Fahrer bis zur nächsten Ausweichstelle zurücksetzen.[149]
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Auf schmaler, unübersichtlicher Landstraße ist sowohl möglichst die Gegenfahrbahn freizuhalten, als auch auf halbe Sicht zu fahren, wenn eine Begegnung zwar möglich, aber nach Fahrzeugbreite u.U. schwierig ist. Bei der Abwägung kommt einer erheblichen unnötigen Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn größeres Gewicht zu als einem Fahren nur auf Sicht statt auf halbe Sicht.[150]
Gerät ein Fahrer ohne ersichtlichen Grund auf die Gegenfahrbahn und stößt dort mit einem entgegenkommenden Kfz zusammen, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Fahrers. Sind weitere Umstände als der Fahrbahnwechsel bekannt, müssen diese berücksichtigt werden.[151] Dies insbesondere dann, wenn seine Fahrbahnhälfte durch parkende Kfz stark verengt ist.[152]
1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › V. Verhalten im Straßenverkehr › 11. Geschwindigkeit (§§ 3, 4 StVO)
a) Anhalteweg[153]
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Der Anhalteweg bei betriebssicheren Bremsen und einwandfreien Reifen ist von der Fahrzeugart und Fahrbahnbeschaffenheit abhängig. Der Anhalteweg von Omnibussen und Lkws, insbesondere von Lastzügen, ist i.d.R. länger als von Pkws und Motorrädern. Die langen Anhaltewege bei hoher Geschwindigkeit – insbesondere bei nassen oder schneebedeckten Straßen – zeigen die erhebliche Betriebsgefahr eines schnellfahrenden Kfz auf, s. Rn. 183.
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Der Anhalteweg setzt sich zusammen aus der Reaktionszeit (0,5 sec), der Bremsschwellzeit (Ansteigen der Bremsverzögerung von Null auf den Maximalwert = 0,2 sec) und dem Bremsweg.[154] Eine längere Reaktionszeit als 0,8 sec (einschließlich der Brems-Schwell-Phase von 0,2 sec) kommt unter dem Blickpunkt der sog. Schrecksekunde nur bei plötzlichem Auftreten einer unerwarteten Gefahr in Betracht, auf die der Fahrer nicht eingestellt sein muss.[155]
Die Bremsverzögerung bei sehr guten Fahrbahnverhältnissen dürfte 8 m/sec2 betragen, bei nasser Fahrbahn 4,5 m/sec2, bei vereister oder schneebedeckter um 2 m/sec2.
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Bei einem konventionellen Bremssystem tritt bei Vollbremsung eine Blockierung der Vorderräder auf. Das Kfz wird lenkunfähig. Beim Antiblockiersystem (ABS)[156] ist das Kfz auch bei Vollbremsung lenkbar.
ABS garantiert nicht immer einen kürzeren Bremsweg.[157] Bei trockener Fahrbahn und einer Geschwindigkeit bis ca. 50 km/h erreichen diese Kfz keine, bei nasser Fahrbahn nur eine etwas höhere Bremsverzögerung (0,5 m/sec2). Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h und darüber ist die Bremsverzögerung bei trockener Fahrbahn nur um 0,5 bis 1,0 m/sec2, bei nasser Fahrbahn u.U. bis zu 3,5 m/sec2 höher als bei konventionellen Bremsen (s. untenstehende Tabelle, Rn. 183).
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Pkw-Anhalteweg (konventionelles Bremssystem) | |||||
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Geschwindigkeit: | Anhalteweg m/Fahrbahn: | ||||
km/h | m/sec | sehr gut | trocken | nass | schneebedeckt |
8 m/sec2 | 7 m/sec2 | 4,5 m/sec2 | 2 m/sec2 | ||
30 | 8,33 | 11,0 | 11,6 | 14,4 | 24,8 |
35 | 9,72 | 13,7 | 14,5 | 18,3 | 31,4 |
40 | 11,11 | 16,6 | 17,7 | 22,6 | 39,8 |
45 | 12,50 | 19,8 | 21,2 | 27,4 | 49,1 |
50 | 13,89 | 23,2 | 24,9 | 32,5 | 59,3 |
60 | 16,67 | 30,7 | 33,2 | 44,2 | 82,8 |
70 | 19,44 | 39,2 | 42,6 | 57,6 | 110,1 |
80 | 22,22 | 48,6 | 53,1 | 72,6 | 141,2 |
90 | 25,00 | 59,1 | 64,6 | 89,4 | 176,3 |
100 | 27,78 | 70,4 | 77,3 | 100,0 | 215,1 |
110 | 30,55 | 82,8 | 91,1 | 128,2 | 257,9 |
120 | 33,33 | 96,1 | 106,0 | 150,1 | 304,4 |
130 | 36,11 | 110,4 | 122,0 | 173,8 | 354,9 |
140 | 38,89 | 125,6 | 139,1 | 199,1 | 409,2 |
150 | 41,67 | 141,8 | 157,3 | 226,2 | 467,4 |
160 | 44,44 | 159,0 | 176,6 | 250,0 | 529,4 |
170 | 47,22 | 177,1 | 197,1 | 285,5 | 593,3 |
180 | 50,00 | 196,3 | 218,6 | 317,8 | 665,0 |
190 | 52,78 | 216,3 | 241,2 | 351,7 | 738,6 |
200 | 55,56 | 237,3 | 264,9 | 387,4 | 816,0 |
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Der Fahrer hat die Geschwindigkeit so einzurichten, dass der Anhalteweg nicht länger ist, als die Sichtweite reicht. Für die Sicherheit im Straßenverkehr ist Fahren auf Sicht ein besonders wesentliches Gebot.[158] Auf schmalen Straßen und Straßenverengungen ist Fahren auf halbe Sicht geboten.[159] Beim Vorbeifahren an einem Hindernis in einer Kurve oder beim Begegnungsverkehr in einer Engstelle ist eine noch langsamere Geschwindigkeit angebracht.[160] S. auch Rn. 206 – Autobahn.
b) Auffahren/Abstand
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Fährt ein Fahrer auf ein sich vor ihm befindliches Hindernis auf, so ist davon auszugehen, dass er sich schuldhaft verhalten hat. Nach der Lebenserfahrung liegt beim Auffahren