Ius Publicum Europaeum. Paul Craig

Ius Publicum Europaeum - Paul  Craig


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Dezentralisierung (décentralisation territoriale), die in den der 1980er-Jahre begünstigt durch das europäische Umfeld und parallel zu einer Vertiefung der Dekonzentration (déconcentration) stattfanden, einer der wichtigsten Marksteine des Wandels der Verwaltung. Nun bereichert die „Dezentrierung der Macht (décentration du pouvoir)“ – ein Begriff, mit dem die drei Entwicklungen bezeichnet werden, die die französische Verwaltungslandschaft tiefgreifend verändert haben (Dezentralisierung – décentralisation, Dekonzentration – déconcentration und Delokalisation – délocalisation) – das Verwaltungsrecht in ganz anderer Weise. Der Inhalt des Verwaltungsrechts hat dadurch an Vielfalt gewonnen, dass seine Anpassung an lokale Anforderungen eine Erneuerung der rechtlichen Regelungen erforderlich machte. So wurde etwa das Recht des öffentlichen Dienstes in den einzelnen Territorien unabhängig vom Recht des öffentlichen Dienstes auf gesamtstaatlicher Ebene konzipiert. Ferner waren die von innerstaatlichen Gebietskörperschaften unterhaltenen Beziehungen berührt. Zwei Haupttendenzen, die miteinander im Zusammenhang stehen, sind typisch: zum einen die Verrechtlichung (judiciarisation) der Beziehungen der Körperschaften zu Dritten und hier vor allem zu den administrés, die bis dahin auf einem Dialog ohne rechtliche oder gerichtliche Dimension beruhten; zum anderen die vertragliche Ausgestaltung der Beziehungen (contractualisation), die die innerstaatlichen Gebietskörperschaften insbesondere in der Form der gemeindlichen Zusammenarbeit (mécanismes de l’intercommunalité), mit dem Staat (Planungsvertrag – contrat de plan) und mit dem privaten Sektor unterhalten.

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      Als Recht des Verwaltungshandelns, das in der Republik auch zum Recht des Schutzes der administrés wird, entwickelt sich das Verwaltungsrecht aus der Kontrollfunktion: Weil es seine wichtigste Quelle in der Tätigkeit der Verwaltungs- gerichtsbarkeit fand, ist es ursprünglich eng mit dem Studium des Verwaltungsrechtsstreits verbunden. Methodisch resultiert daraus ein besonderes Verwaltungsrechtsverständnis. Dieses beruht auf der Tatsache, dass eine Kodifikation fehlt, und der Vorstellung, dass das Verwaltungsrecht besonders schwer zu fassen ist. Diese Vorstellung, die allgemein als Charakteristikum des Verwaltungsrechts gilt, führt dazu, dass sich das Studium des Verwaltungsrechts auf die Analyse seiner später als essentiell bezeichneten Quelle stützt: der Rechtsprechung.

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      Das Verhältnis zwischen Kodifikationsidee und Verwaltungsrecht ist zumindest konfliktbeladen. Sehr früh hat sich daher die Überzeugung durchgesetzt, das Verwaltungsrecht widersetze sich jeder Kodifizierung, und noch heute wird allgemein gelehrt, eines der wichtigsten Merkmale des französischen Verwaltungsrechts sei, im Gegensatz zum Privatrecht, sein richterrechtlicher Charakter. Auch durch die Wiederbelebung der Kodifikationsidee für Teilbereiche des Verwaltungsrechts seit 1989 (u.a. Code général des collectivités locales und Code de justice administrative) hat sich die grundsätzliche Frage nach der Möglichkeit einer Kodifizierung des Verwaltungsrecht in Frankreich nicht erledigt.

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