Ius Publicum Europaeum. Paul Craig

Ius Publicum Europaeum - Paul  Craig


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und führt vor allem bei der Kontrolle der tatsächlichen und rechtlichen Entscheidungsgrundlagen zu Unterschieden. Während der Richter beim contrôle normal die Tatsachenfeststellung und -würdigung in ihrer ganzen Breite prüft (u.a. Genauigkeit der Tatsachengrundlage sowie deren rechtliche Würdigung), beschränkt er sich beim contrôle restraint auf die Prüfung der Genauigkeit der zugrunde gelegten Tatsachen und des eventuellen Vorliegens offensichtlicher Beurteilungsfehler (erreur manifeste d’appreciatión).[172] Die Kontrolle offensichtlicher Beurteilungsfehler erlaubt es etwa, in einem Disziplinarverfahren die Angemessenheit einer Sanktion im Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens zu prüfen. Der contrôle restraint scheint gegenwärtig gegenüber dem contrôle normal an Boden zu verlieren, und dies selbst dort, wo die Verwaltung über Ermessen verfügt. Zudem nehmen die Richter unter bestimmten Voraussetzungen, die ebenfalls immer weitere Bereiche des Verwaltungshandelns erschließen, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, die es ihnen erlaubt, die Angemessenheit eines Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck zu thematisieren. So wurde etwa die Erklärung der Verwaltung, eine Enteignung diene dem Wohl der Allgemeinheit, auf Grundlage einer „Kosten/Nutzen-Rechnung“ überprüft.[173] Die Tätigkeit des Verwaltungsrichters gewinnt dadurch an Komplexität, dass er die Grenze zwischen Rechtsprechung und aktiver Verwaltung wahren muss. Dieses Spannungsverhältnis scheint aber dadurch ausgeglichen zu werden, dass der Richter einen Platz innerhalb der Verwaltung einnimmt: Entstehung und Entwicklung des recours pour excès de pouvoir gehen auf eine Zeit zurück, in der der Verwaltungsrichter als einfacher Berater des Staatsoberhaupts durchaus einige Anleihen bei den verwaltungsinternen Kontrollmechanismen nehmen konnte. Genau aus diesem Grund zögerte der Conseil d’État auch nach Zuerkennung einer unabhängigen Stellung[174] hinsichtlich der Beibehaltung seiner älteren Rechtsprechung. Nach kurzer Zeit waren die Verwaltungsgerichte aber bestrebt, gerichtliche Rechtsbehelfe zu entwickeln und ihren Anwendungsbereich unter Berücksichtigung der Freiheit der Verwaltung und des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit auszudehnen.[175]

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      Der référé-provision (Art. L 521–1 CJA) ist der Nachfolger des sursis à exécution (Anordnung der aufschiebenden Wirkung). Er erlaubt es, den Vollzug einer Verwaltungsentscheidung ganz oder teilweise auszusetzen, auch wenn die Entscheidung ablehnenden Charakter hat. Die Anordnung der Aussetzung setzt zum einen Dringlichkeit voraus, die angegriffene Entscheidung muss also „auf hinreichend schwerwiegende und unmittelbare Weise das öffentliche Interesse, die Lage des Rechtsbehelfsführers oder die Interessen, die er zu verteidigen sucht, beeinträchtigen“. Zum anderen bedarf es eines Grundes, „der geeignet ist, im Aussetzungsverfahren einen ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung aufkommen zu lassen“. Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts muss mit anderen Worten brüchig und unsicher sein, um seine Aussetzung zu rechtfertigen. Mit der Einführung des référé-liberté (Art. L 521–2 CJA) etabliert das Gesetz zudem einen der einstweiligen Verfügung im Zivilrecht vergleichbaren Rechtsbehelf. Dieser völlig neuartige Rechtsbehelf findet Anwendung, wenn das Verwaltungshandeln Grundrechte verletzt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass keine Verwaltungsentscheidung vorliegen und kein Hauptsacheverfahren anhängig sein muss. Wie beim référé-provision muss Dringlichkeit vorliegen. Ferner darf die Verletzung einer Fundamentalfreiheit (liberté fondamentale) jedenfalls nicht ausgeschlossen sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, verfügt der Richter über weitreichende Befugnisse. Er kann „alle notwendigen Maßnahmen anordnen“, also sämtliche Maßnahmen sichernden und vorläufigen Charakters.

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      Die Einlegung von Rechtsbehelfen und die Schwierigkeiten bei der Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen können die Nichtvollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen nicht rechtfertigen. Respektiert die Verwaltungsbehörde eine rechtskräftig entschiedene Sache nicht, begeht sie zwar eine faute und verhält sich rechtswidrig, was einer Gesetzesverletzung gleichsteht. Selbst dies garantiert dem Bürger aber nicht die Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung, weil es angesichts fehlender Vollstreckungsmöglichkeiten schwierig erscheint, die Verwaltung zur Umsetzung zu zwingen.

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