Markenrecht. Jennifer Fraser
der Rechtsangleichung des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten. Sie gelten verbindlich gegenüber den einzelnen Staaten und bedürfen der Umsetzung in innerstaatliches Recht. Der einzelne Bürger kann sich ausnahmsweise gegenüber dem Staat darauf berufen, wenn die Richtlinie entweder fehlerhaft oder nicht fristgerecht umgesetzt worden ist und wenn sie klar und genau formuliert, bedingungsunabhängig und ihrem Wesen nach geeignet ist, unmittelbare Wirkungen zu entfalten, und wenn sie zu ihrer Ausführung keiner weiteren Rechtsvorschriften bedarf. Eine unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien zwischen Privaten hat der EuGH im Urteil „Faccini Dori“ (NJW 1994, 2473) abgelehnt; allerdings ist eine „mittelbare“ Anwendung von Richtlinienvorschriften im Verhältnis zwischen Privaten dadurch möglich, dass der Staat aus einer unmittelbar anwendbaren Richtlinie gegenüber einem Privaten verpflichtet ist, Maßnahmen zu treffen, die einen anderen Privaten belasten. Klare Konturen hat die Rspr insoweit noch nicht gewonnen.
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Hinsichtlich des Markenrechts machte der Rat von der Richtlinie als Instrument zur Rechtsangleichung in der Ersten Richtlinie des Rates v 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (RL 89/104/EWG, ABlEG Nr L 40/1 v 11.2.1989) Gebrauch. Die Reform des deutschen Warenzeichenrechts durch das MarkenG diente der Umsetzung der Richtlinie. Die neue MarkenRL (EU) 2015/2436 wurde am 23.12.2015 verkündet und durch das Markenmodernisierungsgesetz (MaMoG) v 14.1.2019 in weiten Teilen in deutsches Recht umgesetzt (vgl hierzu nur Hacker GRUR 2019, 113 ff; 235 ff mN).
3. Verordnungen
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Durch die VO (EG) Nr 40/94 des Rates v 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke (GMV; ABlEG Nr L 11/1 v 14.1.1994) war ein neues europaweit geltendes Schutzrecht, die Gemeinschaftsmarke, eingeführt worden. Wie alle Verordnungen des Rates oder der Kommission galt sie rechtsverbindlich unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Ab dem 23.3.2016 ersetzt die neue Unionsmarke die Gemeinschaftsmarke (vgl hierzu Kap II Rn 1 ff; Bender MarkenR 2016, 10, jew mN). Der Terminus „Gemeinschaftsmarke“ widersprach der Begrifflichkeit des Vertrages von Lissabon, da hiernach die Europäische Gemeinschaft in der Europäischen Union aufging. Die Terminologie wurde jedoch erst durch die ÄnderungsVO (EU) 2015/2424 geändert und aus der Gemeinschaftsmarke die Unionsmarke sowie nunmehr auch die „Unionskollektivmarke“, „Unionsgewährleistungsmarke“ und „Unionsmarkengerichte“.
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Am 1.10.2017 trat die neu kodifizierte UMV in Kraft sowie auch alle Vorschriften der ÄnderungsVO (EU) 2015/2424 und die neuen Sekundärrechtsvorschriften, die an die Stelle der ehemaligen DurchführungsVO sowie der VerfahrensO der BU über die VerfahrensO vor den BU des HABM getreten sind. Hierbei handelt es sich nunmehr um die UnionsmarkendurchführungsVO (UMDV, DurchführungsVO (EU) 218/26 der Kommission v 5.3.2018 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der VO (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Unionsmarke und zur Aufhebung der DurchführungsVO (EU) 2017/1431) sowie die Delegierte VO über die Unionsmarke (DVUM, Delegierte VO (EU) 2018/625 der Kommission v 5.3.2018 zur Ergänzung der VO (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Unionsmarke und zur Aufhebung der Delegierten VO (EU) 2017/1430; vgl zur Unionsmarke die Ausführungen in Kap II Rn 1 mN).
4. EuGH
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Die von der MRL (oben Rn 17) umfassten Normen des MarkenG sind richtlinienkonform auszulegen. Bei entscheidungserheblichen Zweifeln über die Auslegung der Richtlinie sind die nationalen Gerichte zum Zwecke der einheitlichen Anwendungen des Unionsrechts unter den Voraussetzungen von Art 267 AEUV berechtigt oder verpflichtet, die entspr Frage dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen; dasselbe gilt hinsichtlich der UMV. Die Entscheidung des EuGH bindet das vorlegende Gericht. BGH und BPatG haben von dem Vorlageverfahren zur Auslegung der MRL bereits mehrfach Gebrauch gemacht.
VII. Internationales Markenrecht
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Angesichts des im Markenrecht geltenden Territorialitätsprinzips einerseits und der Globalisierung der Wirtschaft und der damit verbundenen internationalen Wirtschaftstätigkeit von Markeninhabern andererseits gewinnen internationale Abkommen zunehmend an Bedeutung. Zu unterscheiden sind mehrseitige Verträge und bilaterale Abkommen (dazu die Aufstellung bei Fezer S 2069–2078), die den mehrseitigen Abkommen vorgehen. Die Bundesrepublik Deutschland ist mehreren internationalen Abkommen beigetreten, vor allem der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ), dem Madrider Markenabkommen (MMA), dem Protokoll zum Madrider Markenabkommen (PMMA), dem Nizzaer Klassifikationsabkommen (NKA), dem Madrider Herkunftsabkommen (MHA) und dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, TRIPS). Auf dem Gebiet des Markenrechts hat – neben der PVÜ – bes Bedeutung das MMA: Durch Registrierung einer nationalen Marke beim Internationalen Büro in Genf entstehen weitere nationale Marken, dh es kann Markenschutz in den jeweiligen Verbandsstaaten in Anspruch genommen werden (sog IR-Marke); zur Durchführung in der Bundesrepublik Deutschland: §§ 107–118 MarkenG hinsichtlich des MMA und §§ 119–125 MarkenG hinsichtlich des PMMA.
VIII. Markenrecht und Internationales Privatrecht
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Das internationale (Marken-)Privatrecht entscheidet darüber, welches Recht bei Fällen mit Auslandsberührung anwendbar ist. Insb angesichts des Fehlens einer ausdrücklichen internationalprivatrechtlichen Regelung der Immaterialgüterrechte im Allgemeinen und des Markenrechts im Besonderen in Deutschland, angesichts der Globalisierung der Wirtschaft und angesichts der Möglichkeiten des Internet ist die derzeitige Rechtslage de lege lata und de lege ferenda umstr (vgl Fezer Einl Rn 154 ff). Ganz allg gilt für das Markenrecht der Territorialitätsgrundsatz, aus dem das sog Schutzlandprinzip folgt. Bestand und Schutz von Markenrechten unterfallen demnach dem Recht des Staates, für dessen Territorium der Schutz des Markenrechts in Anspruch genommen wird. Hinsichtlich der Einzelheiten muss auf die einschlägigen Kommentierungen insb zu Art 40 EGBGB verwiesen werden.
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Die VO EG/864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sog „Rom II“-Verordnung), die im Januar 2009 in Kraft getreten ist, enthält in Art 8 Regelungen über das im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse anzuwendende Recht bei Verletzungen des geistigen Eigentums. Sie hält in Art 8 Abs 1 für nationale Schutzrechte am Schutzlandprinzip fest und legt in Art 8 Abs 2 Regelungen für die Anknüpfung bei unionsweit geltenden Schutzrechten – wie etwa der Unionsmarke – fest.
Kapitel I Gesetz über den Schutz von Marken
und sonstigen Kennzeichen
(Markengesetz – MarkenG)
vom 25.10.1994 (BGBl. I S. 3082, ber. 1995 S. 156),
zuletzt geändert durch Art. 1 G vom 11.12.2018 (BGBl. I S. 2357)
Inhaltsverzeichnis
Teil 2 Voraussetzungen, Inhalt und Schranken des Schutzes von Marken und geschäftlichen Bezeichnungen; Übertragung und Lizenz