Markenrecht. Jennifer Fraser

Markenrecht - Jennifer Fraser


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von Gareis zeigt sich darin, dass ein großer Teil der Privatrechtswissenschaft ab etwa 1880 die Persönlichkeitsrechte als bes Kategorie der subjektiven Rechte anerkannte. Freilich waren darunter sehr heterogene Rechte versammelt; ein Teil davon war, wie Gareis erkannte, selbst „beschränkt oder unbeschränkt negociabel, in commercio“. Für diese übertragbaren Rechte erwies sich auf lange Sicht die Kategorie der Immaterialgüterrechte als geeigneter, die Josef Kohler etwa zur gleichen Zeit in zahlreichen Schriften entwickelte. Unter Hinweis auf die Behandlung immaterieller wirtschaftlicher Güter in der zeitgenössischen Wirtschaftstheorie leitete er die Notwendigkeit des rechtlichen Schutzes aus der schöpferischen Arbeit des Berechtigten ab; Einwände aus dem Eigentumsbegriff waren aus dieser Perspektive gegenstandslos. Die Theorie der Immaterialgüterrechte diente also schon terminologisch dazu, den Begriff des „geistigen Eigentums“ zu vermeiden und gleichzeitig zu einem eigentumsähnlichen Schutz zu gelangen.

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      Auch die Theorie der Immaterialgüterrechte fand ab etwa 1880 zunehmend Eingang in die Lit, und zwar entspr der Absicht von Kohler zur rechtlichen Erfassung desselben Kreises von Rechten, die andere Autoren als Persönlichkeitsrechte einordneten. Das erklärt sich daraus, dass es zunächst um die dogmatische Anerkennung und Einordnung dieser Rechte überhaupt ging. Allmählich aber trat die Erkenntnis der wirtschaftlichen und rechtlichen Unterschiede etwa zwischen Namens- und Patentrecht in den Vordergrund. Wiederum Kohler sah nunmehr Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrechte als unterschiedliche Arten von subjektiven Ausschließlichkeitsrechten an; folglich waren alle damit gemeinten Rechte entweder der einen oder der anderen Kategorie zuzuordnen, und zwar je nach dem Ausmaß der wirtschaftlichen Verwertbarkeit durch die rechtliche Veräußerungsmöglichkeit. Die Folge davon bestand in einem zT bis heute noch nicht überwundenen Streit um die zutr rechtliche Einordnung der einzelnen Rechte, so ua des Warenzeichen- und Firmenrechts: Speziell das Warenzeichenrecht ordneten Rspr und Lit auch im 20. Jahrhundert noch lange als Persönlichkeitsrecht ein (Nachweise bei Klippel Namensschutz, S 542 f), ebenso wie das Firmenrecht (Klippel Namensschutz, S 535 f).

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      Es liegt auf der Hand, dass eine zeitgemäße wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Kennzeichenrechten heute zwar diese historisch bedingten terminologischen und argumentativen Zwänge zur Kenntnis nehmen sollte, aber über sie ohne Weiteres hinwegsehen und sich unbelastet davon ua der Frage des geistigen Eigentums als Zivilrechtsbegriff, der wirtschaftlichen Bedeutung und den Veräußerungsmöglichkeiten von Kennzeichenrechten zuwenden kann.

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      Zahlreiche Bestimmungen des MSchG wurden in den Jahren nach dem Inkrafttreten zunehmend als unbefriedigend empfunden; daneben sorgte die restriktive Auslegung durch die Rspr für Kritik. Ua stieß die Verknüpfung von eingetragenen Warenzeichen, Handelsregister und Kaufmannseigenschaft auf Ablehnung, ferner die Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf wissentliches Handeln, die Einschränkung des Schutzes auf bestimmte Tathandlungen und der Ausschluss bestimmter Bezeichnungen, ua von reinen Wortzeichen.

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      Die Rspr interpretierte das MSchG zudem äußerst restriktiv; so gewährte sie zB keinen Schutz gegen die Anbringung von Warenbezeichnungen auf Rechnungen und sah sog Etablissementsnamen nicht als geschützt an. Streit bestand auch darüber, ob nur die im Handelsregister und im Zeichenregister eingetragene Firma nach § 13 MSchG geschützt war. Vor allem aber sah das RG in stRspr entgegen weiten Teilen der Lit und entgegen einigen Instanzgerichten den Firmenschutz des ADHGB und die Bestimmungen des MSchG als abschließend an (zB RGZ 6, 76; zu den Gründen dafür HK-WettbR/Klippel E I Rn 13). Damit verhinderte es die subsidiäre Anwendung des (jeweiligen) allg Zivilrechts, insb die Übernahme von Grundsätzen des rheinisch-französischen Rechts über unlauteren Wettbewerb. Vor allem Kohler bemühte sich vergebens um eine Ausweitung des Schutzes von Warenbezeichnungen aus dem Gedanken des unlauteren Wettbewerbs. Die Betonung der Herkunftsfunktion, die mangelnde Berücksichtigung der Wettbewerbsfunktion von Warenbezeichnungen und deren theoretische Verbindung mit der Persönlichkeit standen einer Ausweitung im Wege, zumal durch das Abschneiden der Berufung auf – die im Deutschen Reich sehr unterschiedlichen – allg zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen die Rechtseinheit bewahrt werden sollte.

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      Das Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen v 12.5.1894 (WbzG, RGBl 441) berücksichtigte einen Teil dieser Kritik. Zahlreiche Änderungen dienten der Präzisierung und Ausdehnung des Schutzes von Warenbezeichnungen nicht zuletzt durch die Berücksichtigung von deren Funktion im wirtschaftlichen Wettbewerb. Ein Schadensersatzanspruch wurde nunmehr auch bei grober Fahrlässigkeit eingeräumt (§ 14 Abs 1 WbzG). Ebenso erweiterten die §§ 12 ff WbzG den Kreis der ausdrücklich genannten Tathandlungen, gegen die das Gesetz Schutz gewährte. Die Eintragung reiner Wortzeichen wurde gestattet, und jedermann, also nicht nur im Firmenregister eingetragene Kaufleute, konnte Warenzeichen zur Eintragung in die nunmehr vom Reichspatentamt zentral geführte Zeichenrolle anmelden. Insgesamt betonte das WbzG die wirtschaftliche Bedeutung von Warenbezeichnungen; Voraussetzung für eine Übertragung von Warenzeichen war jedoch, dass auch der Geschäftsbetrieb überging (§ 7 Abs 1 S 2 WbzG).

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      Darüber hinaus berücksichtigte das WbzG die Eigenarten des wirtschaftlichen Wettbewerbs und den Zusammenhang mit der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. Das zeigt sich ua daran, dass § 20 WbzG „die Gefahr einer Verwechslung im Verkehr“ als Voraussetzung einführte, also den Begriff der Verwechslungsgefahr, der bis heute im Kennzeichenrecht eine entscheidende Rolle spielt. Vor allem aber wollte der Reichstag in zweiter Lesung eine allg strafrechtliche Bestimmung gegen unlauteren Wettbewerb in das Gesetz aufnehmen. Diese Initiative fand zwar keinen Eingang in das WbzG; führte aber iE zur Verabschiedung des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes v 27.5.1896 (RGBl 145). § 8 dieses Gesetzes enthielt eine Bestimmung zum Schutz von Name, Firma und bes Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts im geschäftlichen Verkehr, die freilich voraussetzte, dass die Benutzung durch den anderen darauf berechnet und geeignet war, Verwechslungen hervorzurufen. Diese Einschränkung führte zur Regelung des Kennzeichenschutzes in § 16 UWG v 7.6.1909 (RGBl 499), also der Vorläufervorschrift der heutigen §§ 5, 15 MarkenG.

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      Weitere in dieser Zeit entstandene Vorschriften des Kennzeichenschutzes sind § 37 des HGB v 10.5.1897 (RGBl 219, 437) und § 12 BGB, die bis heute unverändert gelten und im Kennzeichenrecht etliche Konkurrenzprobleme aufwerfen. Insb § 12 BGB erfuhr durch Rspr und Lit eine erhebliche Ausweitung (ua auf Firma, Firmenbestandteile, -schlagworte und -abkürzungen sowie andere Bezeichnungen im Geschäftsverkehr), die weder dem ursprünglichen Sinn und Zweck von § 12 BGB noch dem ursprünglichen System des Kennzeichenschutzes, insb dem Verhältnis von § 12 BGB und § 16 UWG (heute also §§ 5, 15 MarkenG) entsprach.

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      Das WbzG von 1894 erfuhr ua aufgrund internationaler Übereinkünfte zahlreiche Änderungen. Zudem zielte ein Gesetzgebungsvorhaben im Jahre 1913 auf eine Gesamtrevision des WbzG; der Entwurf (Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger Nr 162v 11.7.1913, 3. und 4. Beil) wurde jedoch wohl wegen des 1. Weltkrieges nicht weiterverfolgt.


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