Markenrecht. Jennifer Fraser
dass er bei der gegenüberstehenden Marke zwanglos an die zuvor eingeprägte denkt. Es ist daher verstärkt auf den Einzelfall abzustellen, um beurteilen zu können, ob die Anforderungen an die Verwechslungsfähigkeit von einem deutschen Begriff mit einem fremdsprachigen (insb englischen) Begriff verstärkt oder gar herabgesenkt werden.
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Für die Annahme der Verwechslungsfähigkeit ist jedoch in jedem Einzelfall zu überprüfen, welche Ausdrücke dem relevanten Publikum gängig sind. Hier kommt es zunächst auf die verwendete Sprache an (englische Begriffe dürften eher verwechslungsfähig sein als französische, spanische oder lateinische). Sodann wird es darauf ankommen, in welchem Umfang davon ausgegangen werden kann, dass das relevante Publikum den verwendeten Begriff ohne Weiteres ins Deutsche übersetzen kann. Für eine Verwechslungsfähigkeit kann dabei insb die Verwendung von fremdsprachigen Begriffen – vor allem durch jugendliche in der deutschen Umgangssprache („cool“) – sprechen. Diese Grundsätze dürften letztendlich auch dann gelten, wenn nicht ein fremdsprachiger Begriff einem deutschen Wort gegenübersteht, sondern wenn zwei fremdsprachige Zeichen auf eine Verwechselbarkeit zu untersuchen sind. Entsprechend nahm das BPatG zutr eine Verwechslungsgefahr zwischen den englischen Begriffen „quick“ und „fast“ an (BPatG PAVIS PROMA 28 W (pat) 109/97 – Slimquick/SLIM-FAST), lehnte sie jedoch – ebenso zutr bei der unterschiedlichen Verwendung von englischen Adelstiteln – ab (BPatG Mitt 1973, 214, 215 DLW duke/LORD).
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Nach Ansicht des OLG Hamburg kann darüber hinausgehend eine Verwechslungsgefahr sogar nicht nur dann vorliegen, wenn der Name eines Indianerhäuptlings einer Kennzeichnung „Indianer“ oder „Häuptling“ gegenübersteht, sondern – wegen der in Filmen oder Büchern verwandten Bezeichnung „Rote“ für Indianer – der Wortbestandteil „Red“ in Verbindung mit einem Teil des Häuptlingsnamens („Bull“) einem vollständigen Häuptlingsnamen gegenübersteht (OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 42 – Red Bull/Sitting Bull). Diese Entscheidung dürfte jedoch zu weit gehen.
(4) Unterschiedliche Bedeutung der Zeichen
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Eine begriffliche Unähnlichkeit kann hingegen einer Verwechslungsgefahr entgegenstehen (BGH MarkenR 2011, 364 Rn 28 – Kappa; MarkenR 2010, 104 Rn 19 AIDA/AIDU; MarkenR 2008, 331 Rn 38 – idw; GRUR 2008, 714 Rn 38 – idw; GRUR 2003, 1044, 1046 – Kelly; GRUR 2002, 1083, 1085 – 1, 2, 3 im Sauseschritt; GRUR 2000, 605, 607 – comtes/ComTel; OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 408, 412 – MÖBELIX/OBELIX, der Verkehr verbinde OBELIX mit der Comicfigur, bei MÖBELIX denke er an Möbel, Mobilität; EuGH GRUR-RR 2006, 316, 319 – VITAKRAFT/VITACOAT; Ingerl/Rohnke § 14 Rn 928). Dies ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Bildbestandteil so weit in den Vordergrund rückt, dass das Publikum die Zuordnung zu einem Unternehmen nur noch von diesem Bildbestandteil abhängig macht; der BGH sieht dies nur dann als gegeben an, wenn das Publikum die Waren ausschließlich „auf Sicht“ kauft (BGH MarkenR 2011, 364 Rn 31 – Kappa/KAPPA).
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Gegen eine Verwechslungsgefahr kann deshalb trotz gleichen Schriftbildes oder Klanges eine unterschiedliche Bedeutung der gegenüberstehenden Zeichen sprechen, die die Gemeinsamkeiten der Zeichen „neutralisiert“ (Kochendörfer GRUR 2012, 765 ff). Die europäische Rspr prüft die Frage der Neutralisierung iRd Gesamteindruckes (EuGH GRUR 2010, 933 Rn 33 – Barbara Becker/BECKER ONLINE PRO/BECKER; GRUR 2007, 700 Rn 35 – Limoncello/LIMONCHELO; MarkenR 2006, 160, 163 – ZIRH/SIR; MarkenR 2006, 67, 69 – PICASSO; EuG GRURInt 2005, 489 – HOOLIGAN/OLLY GAN; GRURInt 2005, 597 – CALPICO/CALYPSO), während die deutsche Rspr von einer Ausnahme-Fallgruppe bei einem eindeutigen Bedeutungsgehalt ausgeht (BGH MarkenR 2017, 412,414 Rn 27 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; GRUR 2010, 235 Rn 19 – AIDA/AIDU; MarkenR 2004, 253, 255 – d-c-fix/CD-FIX; BPatG GRUR-RR 2013, 291, 292 – RACE/RABE); Das BPAtG (GRUR 2010, 78, 79 – Xxero/Zero) lehnt die Neutralisierungstheorie des EuGH deshalb jedenfalls als Grundsatz bei der Bestimmung einer Zeichenähnlichkeit ab. Felchner (MarkenR 2006, 253; MarkenR 2005, 377) sieht in dieser „Neutralisierungslehre“ dagegen eine „markenrechtliche Bestrafung“ berühmter Begriffe und Namen, da diese iE nur gegenüber identischen Marken geschützt würden.
(5) Anlehnung an eine beschreibende Angabe
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Obwohl beschreibende Angaben grundsätzlich nicht geschützt sind, versuchen Markeninhaber aus verständlichen Gründen, sich möglichst nah an eine beschreibende Angabe anzulehnen. Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass sie die Angabe leicht modifizieren, einen Buchstaben anhängen, oder – insbesondere bei fremdsprachigen beschreibenden Angaben – eine phonetisch ähnliche Schreibweise verwenden. In diesen Fällen erstreckt sich der Schutz der Marke nicht auf die beschreibende Angabe selbst (BGH MarkenR 2013, 185, 191 – AMARULA/Marulablu; MarkenR 2012, 384 – pjur/pure; BPatG GRUR 2012, 67, 68 – Panprazol/PANTOZOL; abgelehnt deshalb zurecht in BPatG 3.11.2009 – 24 W (pat) 73/08 – aromell/aromair; Beschl v 23.6.2009 – 24 W (pat) 71/08 – systech/systec, die ältere Marke schöpfte ihre Unterscheidungskraft aus dem ergänzenden Bildbestandteil, die jüngere hingegen aus der Abwandlung von „tech“ in „tec“; vgl aber BPatG GRUR 2010, 441 – pn printnet/PRINECT, unten Rn 185), wohl aber auf die konkrete Modifikation. So nahm der BGH eine Zeichenähnlichkeit zwischen den Begriffen HEITEC und HAITEC an, obwohl sich beide an der schutzunfähigen Angabe High Tech anlehnen (BGH MarkenR 2008, 393 – HEITEC/HAITEC, unter Bezugnahme auf BGH MarkenR 2003, 388 – AntiVir/AntiVirus). In der Entscheidung Ezymax/Enzymix stellte der BGH darauf ab, dass der Verkehr bei beiden Marken den Buchstaben M sowohl dem (beschreibenden) Bestandteil Enzym als auch dem weiteren (ebenfalls für sich genommen schutzunfähigen Bestandteil) Max bzw Mix zuordnet (BGH MarkenR 2011, 407 – Enzymax/Enzymix). Gleiches soll nach einer Entscheidung des OLG Hamburg für die Begriffe Creditolo und kredito gelten, die den Begriff Kredit in ähnlicher Weise abwandeln (OLG Hamburg MMR 2013, 101 – creditolo/kredito); dieser Entscheidung ist mE nicht zu folgen, da die Abwandlung bei der Marke Creditolo sowohl den Anfangsbuchstaben als auch das Anhängen von zwei Silben statt nur einer Silbe betrifft. Entscheidend ist dabei, dass die konkrete Abwandlung des beschreibenden Begriffes einander ähnelt. Deshalb nahm der BGH auch eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken GOURMET BIO und BIO GOURMET an, da beide eine ähnliche grafische Ausgestaltung aufwiesen, die die Marken erst die Schwelle zur Unterscheidungskraft habe übersteigen lassen. Beide Marken waren in Grüntönen gehalten und in ein grün umrandetes Oval eingebettet (BGH MarkenR 2016, 157 – Biogourmet). Entsprechend lehnte das EuG eine Verwechslungsgefahr zweier Marken Bon Apetit bzw Bon Appetit ab, da sich die Bildbestandteile, die für ihre Unterscheidungskraft erforderlich waren, erheblich voneinander unterschieden (EuG 2.2.2016 – T-485/14 – Bon Apeti/Bon Appetit; s auch EuG 14.7.2017 – T 55/15 – CERTIFIED AUSTRALIAN ANGUS BEEF/SINCE 1978 CERTIFIED ANGUS BEEF BRAND; 16.3.2017 – T-495/15 – MOUNTAIN CUTRUS SPAIN/monteCitrus). Das BPatG lehhnte eine Ähnlichkeit von INJEKT und INJEX für Spritzen wegen ihrer unterschiedlichen Anlehnung an Injektion ab, INJEKT beziehe sich auf eine Abwandlung des englischen Begriffs inject durch Austausch eines Buchstabens bzw sei eine schlichte Verkürzung des deutschen Begriffs Injektion, während bei INJEX die Endung von Injektion durch ein X ersetzt werde (BPatG MarkenR 2019, 225 Rn 66 – INJEKT/INJEX,- juris).
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Der Inhaber der Marke pjur konnte eine Verwechslungsgefahr mit den Marken pure und pure massageoil trotz klanglicher und begrifflicher Zeichenidentität nicht darstellen, da er die Schutzfähigkeit seiner Marke nur aus dem Umstand ziehen konnte, dass wegen der abgewandelten Schreibweise eine Unterscheidungskraft iSd § 8 Abs 2 anzunehmen war (BGH MarkenR 2012, 384 – pjur/pure).
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Die europäische Rechtsprechung verweist hingegen auf den Grundsatz, dass die Gültigkeit eingetragener Marken im Widerspruchsverfahren