Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
den Bereichen gerechtfertigt, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk die ihm zugewiesene Aufgabe der Grundversorgung erfüllen muss. Diese Regelung war im Vorfeld des 12. RÄStV heftig umstritten. Insbesondere von Seiten der Zeitungsverleger wurde ein weites Verständnis des Begriffs gefordert, um durch einen möglichst weitgehenden Ausschluss des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem Bereich des Online-Journalismus die eigene Marktposition zu sichern.[186] Nach der nunmehr geltenden Lösung hat sich kein gänzliches Verbot presseähnlicher nichtsendungsbezogener Telemedienangebote durchgesetzt. Die Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 20 RStV bestimmt, dass ein „presseähnliches Angebot nicht nur elektronische Ausgaben von Printmedien, sondern alle journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote, die nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen oder Zeitschriften entsprechen“, umfasst. Angesichts der Medienkonvergenz kann diese Definition höchstens Anhaltspunkte für eine Abgrenzung liefern. Jedenfalls muss auf die (besonders textbezogene) Gestaltung des Gesamtbilds eines Angebots abgestellt werden, da die sonstigen Merkmale wenig trennscharf sind. Im Sommer 2010 wurde der Streit um die Online-Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch ein von der GVK in Auftrag gegebenes Gutachten zur Erstreckung des öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrags wieder aktuell, in dem der ehemalige Präsident des BVerfG Papier die weitreichende Auffassung vertritt, der öffentlich-rechtliche Grundversorgungsauftrag erstrecke sich von Verfassungs wegen auf jegliche Berichterstattung im Internet.[187] Höchstrichterlich geklärt ist inzwischen die Kontroverse diverser Zeitungsverleger mit ARD und NDR über den Umfang dieses Auftrags im Hinblick auf die Zulässigkeit der Tagesschau-App unter dem Aspekt der Presseähnlichkeit.[188]
2.2.3.3 Drei-Stufen-Test[189]
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Ebenfalls mit dem 12. RÄStV wurde in § 11f RStV der Drei-Stufen-Test für öffentlich-rechtliche Telemedienangebote eingeführt. Planen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten neue Telemedienangebote oder die Veränderung bestehender Angebote, sind sie gem. § 11f Abs. 4 S. 1 RStV verpflichtet, „gegenüber ihrem zuständigen Gremium darzulegen, dass das geplante, neue oder veränderte, Angebot vom Auftrag umfasst ist“. Anhand einer dreistufigen Prüfung muss das zuständige Gremium dann entscheiden, ob das geplante (neue oder veränderte) Telemedium den Anforderungen des RStV genügt. Nach § 11f Abs. 4 S. 2 Nr. 1 RStV wird auf der ersten Prüfungsstufe nur konkretisiert, was § 11f Abs. 4 S. 1 RStV bereits zum Ausdruck bringt. Das Angebot muss dem öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrag entsprechen, was nur der Fall ist, wenn es „den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht“, die Vorgaben des § 11d Abs. 1, Abs. 3 S. 1 RStV erfüllt und nicht gegen einen der Verbotstatbestände des § 11d Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 RStV oder der Anlage zu § 11d Abs. 5 S. 2 RStV verstößt.[190] Der Durchführung eines Drei-Stufen-Tests bedarf es gar nicht erst, wenn das zuständige Gremium feststellt, dass ein bestimmtes Angebot dem öffentlichen-rechtlichen Rundfunk nach § 11d Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 RStV bereits kraft Gesetzes zufällt. Ist das nicht der Fall, ist auf der zweiten Stufe zu klären, „in welchem Umfang durch das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beigetragen wird.“ Dafür müssen gem. § 11f Abs. 4 S. 3 RStV drei Kriterien beachtet werden. Erstens sind die Qualität und der Umfang der „frei zugänglichen“ Angebote in die Betrachtung einzubeziehen. Zweitens muss untersucht werden, welche „marktrelevanten“ Auswirkungen das neue oder veränderte Angebot haben wird, wobei dafür der gesamte Markt einzubeziehen ist, also nicht nur die frei zugänglichen, sondern wohl auch die kostenpflichtigen Angebote berücksichtigt werden müssen.[191] Drittens ist die „meinungsbildende Funktion angesichts bereits vorhandener vergleichbarer Angebote, auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ zu beurteilen. Auf dieser zweiten Stufe liegt der Schwerpunkt des Prüfungsverfahrens im Rahmen des Drei-Stufen-Tests. Schließlich beschäftigt sich auf der dritten Stufe das zuständige Gremium damit, „welcher finanzielle Aufwand für das Angebot erforderlich ist“. Dabei darf der finanzielle Aufwand nicht außer Verhältnis zum publizistischen Mehrwert des Angebots stehen.[192] Hat ein neues oder verändertes öffentlich-rechtliches Telemedienangebot den Drei-Stufen-Test erfolgreich durchlaufen, ist seine Zulässigkeit grundsätzlich geklärt. Dennoch sind umso mehr Zweifel an Sinn und Zweck sowie der Verfassungsmäßigkeit dieses Verfahren angebracht, als die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre früher gebühren- und heute beitragsfinanzierten Online-Aktivitäten beständig weiter ausbauen.[193] Mit Blick auf das oben erwähnte Gutachten und die durch die Haushaltsabgabe nunmehr konsolidierten Gebühreneinnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wird gefragt, ob mit dem Drei-Stufen-Test der erhoffte Ausgleich bewirkt werden kann.[194]
IV. Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
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Während private Rundfunkunternehmen sich gem. § 43 RStV im Wesentlichen über Werbung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV (auch Teleshopping, sonstige Einnahmen, insbesondere Entgelte der Teilnehmer, sowie eigene Mittel) finanzieren,[195] ist dies bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wegen der in § 13 RStV vorrangig vorgesehenen Beitragsfinanzierung nur in vergleichsweise engen Grenzen der Fall.[196] Die Gebühreneinnahmen (seit dem 1.1.2013 Beitragseinnahmen[197]) betrugen im Jahr 2015 insgesamt rund 8,1 Mrd. EUR.[198] Mit dem Recht der Finanzierung des privaten Rundfunks befasst sich in diesem Handbuch ein eigener Beitrag.[199]
1. Beitragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
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Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient der „„Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in der dualen Rundfunkordnung“.[200] Hierzu gehört „die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Einschluss seiner bedarfsgerechten Finanzierung.“[201] Diese wird in einem Zusammenspiel des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (RStV) mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) und dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) geregelt und soll vorwiegend aus Beiträgen erfolgen (§ 13 Abs. 1 S. 1 HS 2 RStV).[202]
1.1 Die ehemalige Rundfunkgebühr
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Nach § 2 Abs. 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) war die Rundfunkgebühr eine Leistung, die jeder Rundfunkteilnehmer erbringen musste. Das BVerfG stellte für die Pflicht zu ihrer Zahlung ausschließlich auf das Bereithalten eines Empfangsgerätes ab.[203] Es war hierbei unbeachtlich, ob das Gerät auch seinem Zweck entsprechend genutzt wurde. Die Gebühr spaltete sich nach § 2 Abs. 1 RGebStV, in eine Grund-[204] und eine Fernsehgebühr[205] auf, deren Höhe in § 8 RFinStV a.F. festgehalten war. Die Voraussetzungen, unter denen sie anfiel, regelten die §§ 3-6 RGebStV, wobei § 3 die Anzeigepflicht für das Bereithalten eines Endgerätes normierte. § 8 RGebStV enthielt einen Ordnungswidrigkeitentatbestand für Verstöße gegen die Anzeigepflicht und das Nichtzahlen der Gebühr.
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Mit dem 8. RÄStV trat für die Gebührenfinanzierung ab dem 1.1.2007 eine weitere Neuerung ein. Für „neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über das Internet wiedergeben können)“ die „im nicht ausschließlich privaten Bereich“ zum Empfang bereitgehalten wurden, war unter bestimmten Umständen eine Gebühr zu entrichten. Dies nämlich dann, wenn sie nicht „ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen“ waren und nicht „andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereit gehalten“ wurden (§ 5 Abs. 3 S. 1 RGebStV). Weil es Computer als Desktops oder als mobile Notebooks, aber auch internetfähige Handys ermöglichen, über das Internet Fernsehen zu empfangen, bestand unter den beschriebenen Voraussetzungen seit Ablauf des 31.12.2006 (§ 11 Abs. 2 RGebStV) aufgrund der bloßen Empfangsmöglichkeit[206] die Pflicht, diese Geräte anzumelden und Gebühren zu zahlen. Betroffen waren etwa Ladenlokale und Betriebsstätten. Allerdings beschränkte sich diese Pflicht nach einer