Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
12. RÄStV. Die erwähnte Definition des Funktionsauftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stellte auf Grund der Rspr. des BVerfG ein besonderes Problem dar, denn sie stand im Widerspruch zum Einstellungsbeschluss der Kommission aus dem April 2007 und den in diesem Zusammenhang eingegangen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Während das BVerfG aus Gründen der Staatsferne des Rundfunks eine abstrakte Festlegung zuließ, verlangte die Kommission eine konkrete Festlegung des Funktionsauftrages, die eine stärkere Kontrolle des Rundfunks durch den Staat implizierte. Eine Einhaltung der Kriterien aus dem Einstellungskompromiss tat besonders Not, weil das Europarecht im Kollisionsfall bis zur Überschreitung der Wesensgehaltsgrenze Vorrang gegenüber dem Verfassungsrecht genießt und sich bei Nichtbeseitigung des Dissenses durchgesetzt hätte.
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Es konnte nicht um eine ungebremste gebührenfinanzierte Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Neuen Medien, namentlich dem Internet, und nicht um die unbegrenzte Einrichtung neuer Spartenkanäle gehen. Daher musste der Rundfunkgesetzgeber den Rahmen für die Beteiligung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an den neuen Verbreitungswegen und im Hinblick auf neue Formate stecken und dabei auch die Frage nach der Kosten-Nutzen-Relation für die Betätigung in den neuen Medien stellen. Zu erwägen war weiter, wie die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach der Rspr. des BVerfG legitimierende Qualität im Internet gewahrt werden konnte.
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Vor diesem Hintergrund wurde von ARD und ZDF für die betroffenen Angebote nach dem Vorbild des britischen „Public-Value-Tests“ der sog. Drei-Stufen-Test eingeführt.[283]
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Ferner verlangte die Kommission angemessene Vorkehrungen zur Verhinderung von Überkompensation und Quersubventionierung innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.[284] Die Führung getrennter Bücher sollte es ermöglichen, zwischen den öffentlich-rechtlichen und sonstigen Tätigkeiten zu unterscheiden.[285] Kommerzielle Tätigkeiten sollten von den Aufgaben im Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag getrennt werden und der Kontrolle der Landesrechnungshöfe unterstehen. Dies entspricht den Anforderungen der auf der Grundlage von Art. 86 Abs. 3 EG (heute Art. 106 Abs. 3 AEUV) ergangenen Transparenzrichtlinie. Sie bezweckt eine angemessene und wirkungsvolle Anwendung der Beihilfenvorschriften auf öffentliche und private Unternehmen. Finanzielle Transaktionen zwischen Staaten und öffentlichen Unternehmen sollen transparent gestaltet werden (Art. 1 der Transparenzrichtlinie). Zudem legt die Richtlinie eine Pflicht zur getrennten Buchführung fest (Art. 2 Abs. 1 lit. d) Transparenzrichtlinie), um etwaige Quersubventionen offenzulegen.[286]
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Außerdem wurde die Einhaltung marktwirtschaftlicher Grundsätze bei kommerziellen Tätigkeiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angemahnt.[287] Diese Vorgaben sind in den §§ 16a–e RStV umgesetzt.[288]
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Schließlich muss erhöhte Transparenz auch bei der Vergabe von Sublizenzen für Sportrechte gewahrt werden. Solche Rechte sollen zwar im bestehenden Umfang auch mit Exklusivlizenzen erworben werden können. Um eine Weitergabe nicht genutzter Teilrechte zu sichern, sind aber Sublizenzierungsmodelle einzuführen. Der Weiterverkauf der Sublizenzen muss zu angemessenen Preisen und transparent geschehen.[289]
1.4 Finanzgewährleistungsanspruch nach nationalem Recht
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Die Veranstaltung von Rundfunk steht nicht nur unter technischen, organisatorischen und personellen Bedingungen. Die inhaltlich unabhängige Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages setzt auch eine angemessene Finanzausstattung der Rundfunkanstalten voraus.[290]Verfassungsrechtlicher Rechtfertigungsgründe hierfür sind die Wahrnehmung der für die Demokratie vor dem Hintergrund der Bedeutung von Individual- und Massenkommunikation entscheidenden Aufgaben sowie die Erfüllung des Grundversorgungsauftrages,[291] bei dem insbesondere Ausgewogenheit unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aller gesellschaftlichen Gruppen eine wichtige Rolle spielen.[292] Aus diesem Grund ist es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verwehrt, nur besondere – etwa besonders kaufkräftige Zielgruppen – im Auge zu haben. Das Programm muss alt und jung, arm und reich, intellektuell und weniger intellektuell interessierte Rezipienten gleichermaßen ansprechen. Private Rundfunkunternehmen sind demgegenüber frei, ihr Angebot auf spezielle Zielgruppen zuzuschneiden. Dieser Nachteil ist gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auszugleichen, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk im publizistischen Wettbewerb mit den privaten Veranstaltern bestehen kann.
1.4.1 Verfassungsrechtliche Vorgaben im Dualen System
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Um seine Aufgaben im dualen System funktionsgerecht wahrnehmen zu können, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Finanzgewährleistungsanspruch gegenüber dem Staat.[293] Im dualen Rundfunksystem vertraut der Gesetzgeber nämlich nur für die privaten Anbieter „im Wesentlichen auf Marktprozesse“. Der „öffentlich-rechtliche Rundfunk unterliegt demgegenüber (anders als der private) besonderen normativen Erwartungen an sein Programmangebot“. Dessen Veranstalter sind „besonderen organisatorischen Anforderungen zur Sicherung der Vielfalt und Unabhängigkeit unterworfen“. Die Erfüllung des klassischen Funktionsauftrages umfasst „neben seiner Rolle für die Meinungs- und Willensbildung, neben Unterhaltung und Information (…) kulturelle Verantwortung“. Das duale Rundfunksystem ist nur dann verfassungskonform, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese Funktion ausfüllt und „er im publizistischen Wettbewerb mit den privaten Veranstaltern bestehen kann“. Nur in diesem Fall sind nämlich die weniger strengen Anforderungen an private Veranstalter zu rechtfertigen.[294] Weil er der Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verpflichtet ist, „muss der Gesetzgeber vorsorgen, dass die dafür erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen bestehen“.[295] Insofern muss „das Programmangebot auch für neue Inhalte, Formate und Genres sowie für neue Verbreitungsformen offen bleiben“ und der Auftrag „dynamisch an die Funktion des Rundfunks gebunden“ sein.[296] Aus diesem Grund „darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand in programmlicher, finanzieller und technischer Hinsicht beschränkt werden“.[297] Vielmehr muss die Finanzierung „entwicklungsoffen und entsprechend bedarfsgerecht gestaltet werden“. Ferner muss die Mittelausstattung im Rahmen der funktionsgerechten Finanzierung „nach Art und Umfang den jeweiligen Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerecht werden“.[298]
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Diese Vorgaben sind in §§ 12 ff. RStV einfachgesetzlich verankert. Die Finanzausstattung muss den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Lage versetzen, „seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen; sie hat insbesondere den Bestand und die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gewährleisten.“
1.4.2 Sicherung durch Verfahren
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Da die Art und Weise der Finanzierung ein Instrument zur Usurpation des Rundfunks durch den Staat wäre, die es aufgrund der Staatsfreiheit des Rundfunks und der daraus resultierenden Programmautonomie von Verfassungs wegen zu verhindern gilt, hat das BVerfG in Entscheidungen aus den Jahren 1994 und 2007 genaue Vorgaben zum Verfahren der Gebührenfestsetzung (heute Beitragsfestsetzung) gemacht. Es soll insbesondere das Dilemma[299] verfahrensrechtlich absichern, dass die Rundfunkanstalten bei der Art und Weise ihrer Funktionserfüllung weitgehend frei sind.[300]
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Nach der 2007 bestätigten[301] Systematik des 8. Rundfunkurteils von 1994[302] soll sich der Betrag, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt,