Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
Verfahrens zu schützen. Dieses hat das BVerfG in Grundzügen vorgegeben[303] und es hat seinen Niederschlag in den §§ 1–7 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) gefunden. Besondere Bedeutung hat dabei die Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), für die eine rundfunk- und politikfreie Zusammensetzung vorgeschrieben ist[304] und deren Aufgaben und Befugnisse in § 3 RFinStV niedergelegt sind. Die Unabhängigkeit der KEF-Mitglieder ist zudem durch den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag ausgestaltet. Das Gremium besteht gem. § 4 RFinStV aus 16 unabhängigen Sachverständigen, die durch die Länder benannt werden und die bestimmten Bereichen entstammen sollen,[305] damit die funktionsgerechte Finanzierung mittels Verfahren gewährleistet wird.
92
Der RFinStV gibt ein dreistufiges Verfahren, bestehend aus Bedarfsanmeldung (§ 1 RFinStV), Bedarfsüberprüfung (§ 3 RFinStV) und Beitragsfestsetzung (§ 8 RFinStV) vor. Die Bedarfsanmeldung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beruht auf ihren Programmentscheidungen und muss sich nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit richten. Die fachliche (nicht politische) Kontrolle der Bedarfsprüfung durch die KEF bezieht sich darauf, ob sich die Anmeldung im rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrag bewegt und ob der abgeleitete Finanzbedarf vorliegt und in Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ermittelt wurde. Die Prüfung der KEF mündet in einem konkreten Beitragsvorschlag auf der Grundlage des überprüften Finanzbedarfs, der in einem KEF-Bericht an die Landesregierungen niedergelegt wird, der mindestens alle zwei Jahre erstattet werden muss. Er enthält Stellungnahmen, wann und in welcher Höhe eine Neufestsetzung der Rundfunkgebühr bzw. des heutigen Rundfunkbeitrags erfolgen soll.[306] Die Festsetzung des Beitrags erfolgt sodann im Wege des RBStV. Diesem müssen alle Landesparlamente zustimmen, wobei Abweichungen von dem Vorschlag der KEF nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig sind.[307] Eine solche Abweichung darf sich nur aus Gesichtspunkten des Informationszuganges und der Sozialverträglichkeit der Gebühr bzw. des heutigen Beitrags ergeben.[308] Wenn der Beitrag nicht wie beantragt festgesetzt wird, so ist dies im Einzelnen zu begründen.
93
In dem der Entscheidung des BVerfG von 2007 zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die Länder die Höhe der damals geltenden Gebühr gem. Vorschlag der KEF im 8. RÄStV um 0,21 EUR monatlich gekürzt. Zudem hatten sie die Erhöhung erst drei Monate später als vorgeschlagen zum 1.4.2005 in Kraft gesetzt. Aus diesem Grund hatten die ARD-Rundfunkanstalten sowie das ZDF und das Deutschlandradio[309] sowohl gegen die Festsetzung der damaligen Rundfunkgebühr für den Zeitraum 1.4.2005 bis 31.12.2008 als auch gegen die Erweiterung der Kriterien zur Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten ab 1.1.2009 Verfassungsbeschwerden eingelegt.[310] In seiner Entscheidung vom 11.9.2007 gab das BVerfG den Rundfunkanstalten im Wesentlichen Recht. Die vorgenommene Gebührenfestsetzung unterhalb der KEF-Empfehlung stellt danach eine Verletzung der Rundfunkfreiheit dar.[311] Teilweise verstößt die Abweichungsentscheidung als solche gegen die Rundfunkfreiheit. In anderen Fällen ist sie für das BVerfG nicht nachvollziehbar oder legt nach dessen Wertung offensichtlich falsche Annahmen zugrunde.[312] Das BVerfG sah eine Neufestsetzung der damaligen Gebühren bis zum 1.1.2009 als nicht erforderlich an. Gegebenenfalls steht den Rundfunkanstalten aber ein Ausgleich zu, wenn sie aufgrund des Abzuges Nachteile erlitten haben.[313] Mit dem 16. RÄStV wurde der Beitrag erstmals von vormals 17,98 EUR auf 17,50 EUR ab April 2015 gesenkt, § 8 RFinStV.[314]
94
Eine Kontrolle des Gebühren- bzw. nunmehrigen Beitragsvorschlages durch den Gesetzgeber ist indes ausdrücklich zulässig, da dieser mit der Festsetzung die demokratische Verantwortung für die Entscheidung trägt.[315] Diese Überprüfungsmöglichkeit stellt für das BVerfG keine „bloße Missbrauchskontrolle“ dar. Eine Korrektur hat die „Belange der Gebührenzahler“ (heute Beitragszahler) zu berücksichtigen.[316] Da der Weg des Beitragszahlers zur Information „durch die Höhe der Gebühr (heute Beitrag) unangemessen belastet oder versperrt“ werden kann, muss eine Kürzungsentscheidung des Gesetzgebers den „Ausgleich zwischen den Interessen der Bürger und dem Recht der Anstalten zur autonomen Entscheidung über das Rundfunkprogramm im Rahmen des gesetzlichen Funktionsauftrags und eine darauf abgestimmte Finanzierung“ leisten.[317] Jedenfalls aber ist zu verhindern, dass über die Korrektur der Gebühren- bzw. heutigen Beitragsentscheidung Medienpolitik betrieben wird.[318] Auch „außerhalb des Rundfunks liegende Faktoren wie die allgemeine wirtschaftliche Lage, die Einkommensentwicklung oder sonstige Abgabenbelastungen der Bürger darf der Gebührengesetzgeber (heute Beitragsgesetzgeber) im Rahmen der Abweichungsbefugnis berücksichtigen, soweit sie sich auf die finanzielle Belastung der Gebührenzahler (heute Beitragszahler) auswirken oder deren Zugang zur Information durch Rundfunk gefährden“.[319] Praktisch hat der Gesetzgeber freilich nur sehr geringe Kontrollmöglichkeiten,[320]weil der Umfang der vormaligen Rundfunkgebühr und des heutigen Rundfunkbeitrags vom Funktionsauftrag der Anstalten abhängt, den diese im Ergebnis selbst festlegen.[321]
95
Die KEF prüft seit 2009 auch, ob der Finanzbedarf, den die Anstalten angemeldet haben, unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Haushalte der öffentlichen Hand ermittelt wurde (Art. 6 Nr. 2, 8. RÄStV). Die ebenfalls gegen diese Ergänzung der Prüfkriterien der KEF eingelegte Verfassungsbeschwerde führte nicht zum Erfolg, weil diese Kriterien nicht als zusätzlicher Prüfungsgegenstand hinzutreten sollen, sondern im Wege der verfassungskonformen Auslegung als Hilfskriterien für dessen nähere Bestimmung zu verstehen seien.[322]
2. Sonstige Finanzierungsquellen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
96
Neben Beiträgen kann sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch aus anderen Quellen finanzieren, grundsätzlich auch über Werbung oder Sponsoring. Diese Finanzierungsformen hält das BVerfG aber für „vielfaltverengend“. Sie dürfen deshalb die vormalige Gebühren- und heutige Beitragsfinanzierung nicht in den Hintergrund drängen.[323] Inwieweit die teilweise Finanzierung über Werbung und Sponsoring „die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber dem Staat stärken“ kann, „bedarf der fortwährenden Überprüfung“.[324] Das BVerfG ist hier in der Entscheidung von 2007 zurückhaltender geworden, so dass zu erwägen ist, inwieweit „die Nutzung dieser Finanzierungsarten angesichts der mit ihr verbundenen Risiken eine Rücksichtnahme auf die Interessen der Werbewirtschaft, eine zunehmende Ausrichtung des Programms auf Massenattraktivität sowie eine Erosion der Identifizierbarkeit öffentlich-rechtlicher Programme weiterhin rechtfertigen kann“.[325] Der RStV lässt jedenfalls bislang in § 13 für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch „sonstige Einnahmen“ zu. Hierzu zählt insbesondere eine begrenzte Finanzierung durch Werbung und Sponsoring.[326] Nach § 16 RStV sind im öffentlich-rechtlichen Fernsehen an Werktagen jeweils maximal 20 Minuten Werbung vor 20:00 Uhr zulässig. Die Grenze für den öffentlich-rechtlichen Hörfunk liegt grundsätzlich bei 90 Minuten werktäglich. Die Höchstgrenzen haben insbesondere den Sinn, die Konkurrenz auf dem Werbemarkt für private Rundfunkunternehmen zu senken. Allerdings können die Länder gem. § 17 RStV Änderungen der Gesamtdauer, der tageszeitlichen Begrenzung sowie der Beschränkung der Werbung auf Werktage vereinbaren. § 15 RStV enthält Maßgaben für die Art und Weise des Einfügens von Werbung durch Produktplatzierung.[327] Sponsoring nach § 2 Abs. 2 Nr. 9 RStV ist für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch außerhalb der Werbezeiten zulässig. Teleshopping gem. § 2 Abs. 2 Nr. 10 RStV ist nach § 18 RStV mit Ausnahme von Teleshopping-Spots im öffentlich-rechtlichen Rundfunk indes grundsätzlich unzulässig. In der Diskussion stand zuletzt ein vollständiges Verbot öffentlich-rechtlicher Werbe- und Sponsoringaktivitäten.[328] Allerdings konnten sich die Ministerpräsidenten am 9.6.2010 nicht auf ein derartiges Verbot einigen. Mit dem zum 1.1.2013 in Kraft getretenen 15. RÄStV ist gem. § 16 Abs. 6 RStV zumindest das Sponsoring bei ARD und ZDF der Werbung gleichgestellt worden. Das bedeutet, dass Sponsoring an Sonn- und Feiertagen sowie nach 20 Uhr nunmehr unzulässig ist.[329] Hiervon ausgenommen ist indes das Sponsoring der Übertragung von sportlichen Großereignissen