Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
wies damit die Klagen ab, in denen argumentiert worden war, dass die betreffenden Computer nicht zum Rundfunkempfang genutzt würden. Das BVerwG entschied, dass es sich bei internetfähigen PCs um Rundfunkempfangsgeräte i.S.d. Rundfunkgebührenstaatsvertrages handele, die der entsprechenden Regelung unterfielen. Da der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für das Abgabenrecht jedoch verlange, dass die Gebührenpflichtigen durch ein Gebührengesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden, könnten die Rundfunkanstalten an der Gebührenpflichtigkeit von internetfähigen PCs auf Dauer nur festhalten, wenn diese sich auch tatsächlich durchsetzen lasse. Andernfalls könne sich die gesetzliche Gebührengrundlage doch als verfassungswidrig erweisen. Insoweit werde der Gesetzgeber die weitere Entwicklung zu beobachten haben.[207] Das BVerfG nahm die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.[208] Auch wenn damit die Erstreckung der Rundfunkgebührenpflicht auf neuartige Empfangsgeräte für die rechtliche Praxis feststand, konnte diese Erkenntnis angesichts der seinerzeit bereits unmittelbar bevorstehenden Neuregelung der Rundfunkfinanzierung über einen geräteunabhängigen Haushaltsbeitrag nur noch von geringer Relevanz sein.[209]Allerdings kommt dem Nichtannahmebeschluss auch für das neue Modell des Rundfunkbeitrags insoweit Bedeutung zu, als das BVerfG die Möglichkeit einer ausschließlich nutzungsabhängigen Zahlungspflicht für rechtlich problematisch hält. Eine derartige Zugangsbeschränkung stehe dem Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegen.[210]
62
Von dem den Rundfunkanstalten zustehenden Gesamtgebührenaufkommen standen den Landesmedienanstalten gem. § 10 RFinStV knapp 2 % zur Verfügung. Hieran hat sich auch nach Einführung des Rundfunkbeitrages nichts geändert. Dies rechtfertigt sich dogmatisch daraus, dass im dualen Rundfunksystem auch private Veranstalter nicht dem freien Wettbewerb überlassen werden dürfen und deshalb unter die öffentlich-rechtliche Aufsicht der Landesmedienanstalten gestellt werden.[211] Gebührengläubiger im Hinblick auf die Grundgebühr waren dementsprechend nach § 7 Abs. 1 RGebStV die Landesrundfunkanstalt, das Deutschlandradio in dem im RFinStV bestimmten Umfang sowie die Landesmedienanstalt, in deren Bereich das Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wurde. Das Aufkommen aus der Fernsehgebühr stand gem. § 7 Abs. 2 RGebStV der Landesrundfunkanstalt und in dem im RFinStV bestimmten Umfang der Landesmedienanstalt, in deren Bereich das Fernsehempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wurde, sowie dem ZDF zu. Der Anteil des ZDF nach § 9 Abs. 2 RFinStV a.F. errechnete sich dabei aus dem Aufkommen aus der Fernsehgebühr nach Abzug der Anteile der Landesmedienanstalten.
63
Die Rundfunkgebühren wurden von der Gebühreneinzugszentrale (GEZ), einer öffentlich-rechtlichen, nicht rechtsfähigen Gemeinschaftseinrichtung der Landesrundfunkanstalten der ARD, des ZDF und des Deutschlandradio eingezogen.
1.2 Der Rundfunkbeitrag als neues Modell der Rundfunkfinanzierung
64
Bereits im Juni 2010 kamen die Ministerpräsidenten der Länder überein, dass Reformbedarf im Hinblick auf das bisherige Rundfunkfinanzierungsmodell bestehe. Einem von Paul Kirchhof im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio erstellten Gutachten[212] folgend einigte man sich darauf, die geräteabhängige Gebühr abzuschaffen und diese durch einen haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrag zu ersetzen. Nachdem der 15. RÄStV am 15.12.2010 von den Ministerpräsidenten der Länder unterzeichnet worden war, trat dieser am 1.1.2013 in Kraft.
65
Im Zuge der durchgeführten Reform der Rundfunkfinanzierung[213] sollte der Gebührenbegriff eine begriffliche Klarstellung erfahren und fortan „Beitrag“ heißen. Um einen solchen handelte es sich im verfassungsrechtlichen Sinne allerdings schon bei der vormaligen „Rundfunkgebühr“.[214] Anders als von einer konkreten Gegenleistung abhängige Gebühren werden Beiträge für die Bereitstellung einer Leistung erhoben, ohne dass es einer tatsächlichen Inanspruchnahme bedarf. Das war auch nach alter Rechtslage bereits der Fall – der Gebührentatbestand war erfüllt, sofern Geräte zum Empfang bereit gehalten wurden; auf das tatsächliche Konsumieren öffentlich-rechtlicher Sendungen kam es hingegen nicht an.
66
Der nunmehr geltende Rundfunkbeitrag sieht eine pauschale Abgabe pro Haushalt vor, ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich ein Rundfunkgerät vorhanden ist. Die frühere Unterscheidung zwischen Grund- und Fernsehgebühr ist entfallen. Im privaten Bereich ist daher für jede Wohnung von deren Inhaber gem. § 2 Abs. 1 RBStV ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Der Begriff der Wohnung wird in § 3 Abs. 1 RBStV legaldefiniert. Auch nach dem neuen Finanzierungsmodell soll sich aber der bisher zu zahlende Betrag von 17,98 EUR für Privathaushalte nicht erhöhen.[215] Für die von Betriebsstätten zu zahlenden Beiträge ist gem. § 5 Abs. 1 RBStV eine Staffelung vorgesehen, so dass die bisher zu leistenden Sätze proportional zu den Mitarbeitern steigen.[216] Anders als vom Gutachten angeregt, hielten die Ministerpräsidenten an der Möglichkeit der Befreiung bzw. Ermäßigung von Rundfunkbeiträgen für sozial Schwache und behinderte Menschen fest (§ 4 RBStV).[217] Beitragsgläubiger sind gem. § 10 Abs. 1 RBStV die Landesrundfunkanstalt, das ZDF in dem im RFinStV bestimmten Umfang[218], das Deutschlandradio sowie die Landesmedienanstalt, in deren Bereich sich die Wohnung oder die Betriebsstätte des Beitragsschuldners befindet.
67
Das Kirchhof-Gutachten sieht in einem haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrag gleich mehrere Vorteile: Zum einen werde damit die Konvergenzproblematik gelöst, zum anderen werde eine verlässliche Basis für eine zeitgemäße Rundfunkfinanzierung geschaffen. Schließlich würde dadurch auch eine Reduktion des Datenaufkommens erreicht. Die Beeinträchtigung der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger durch Rundfunkgebührenbeauftragte der GEZ werde in Zukunft unterbleiben, da die Kontrolle entfalle, ob ein Rundfunkgerät zum Empfang bereitgehalten werde.[219]
68
Datenschützer sehen die Einschätzungen zur Privatsphäre der Beitragspflichtigen teilwiese kritisch und halten das Vorhaben wegen der neuen Rolle des Beitragsservice als Nachfolger der GEZ für bedenklich.[220] Hintergrund sind die umfassenden Auskunftsansprüche im Hinblick auf die Feststellung von Wohnungsinhabern und Inhabern von Betriebsstätten, die der neue Rundfunkbeitragsstaatsvertrag[221] den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einräumt. Datenschutzrechtlich problematisch erscheinen zudem die weitreichenden Anzeigepflichten der Wohnungsinhaber.[222] ARD und ZDF haben auf die Kritik mit einem Gutachten zu "Datenschutzrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Einführung eines Rundfunkbeitrags“[223] reagiert. Es gelangt zu dem Ergebnis, die Regelungen im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, insbesondere der geplante einmalige Meldedatenabgleich, regelmäßige Meldedatenübermittlungen und Anzeige- sowie Auskunftspflichten seien ebenso wie Auskunftsrechte gegenüber öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen unter datenschutzrechtlichen Aspekten nicht zu beanstanden.
69
Nicht nur bei Datenschützern ist der neue Rundfunkbeitrag indes auf Kritik gestoßen. So kommt insbesondere Degenhart in einem ausführlichen Gutachten für den Handelsverband Deutschland (HDE)[224] zu dem Ergebnis, dass der Rundfunkbeitrag sowohl formelles als auch materielles Verfassungsrecht verletze.[225] Da es sich bei dem Beitrag nicht um eine Vorzugslast, sondern um eine Steuer handele, fehle es im Hinblick auf den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag bereits an der gesetzgeberischen Zuständigkeit der Länder.[226] Überdies begründe die unterschiedslose Beitragspflichtigkeit aller Unternehmen in materieller Hinsicht einen Verstoß gegen Art. 3 GG. In Anbetracht der degressiven Staffelung der Beiträge würden große Filialunternehmen deutlich höher belastet als Unternehmen, die bei gleicher Mitarbeiterzahl nur wenige Betriebsstätten unterhalten.[227] Eine verfassungswidrige Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte liege ferner auch deshalb vor, weil mit dem Rundfunkbeitrag auch Raumeinheiten belastet würden, für die die nunmehr unwiderlegliche gesetzliche Vermutung der Rundfunkteilnahme nicht zutreffe.[228] Weitere verfassungsrechtliche Bedenken bestehen wegen der Verbreiterung