Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn
dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist zum 1.1.2013 eine Neuregelung des Finanzierungssystems des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Kraft getreten. Dabei geht es im Kern um den Wechsel von der bisherigen Rundfunkgebühr zu einem geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag.[305] Bislang war für die Gebührenpflicht und -höhe entscheidend, ob überhaupt Empfangsgeräte, und wenn ja, wie viele und welche Arten von Geräten zum Empfang von Rundfunkprogrammen vorgehalten wurden. Dies führte zwangsläufig zu Abgrenzungsproblemen und Schwierigkeiten bei der Erfassung aller an sich gebührenpflichtigen Geräte. Abhilfe wurde deshalb mit einer pauschalen Haushaltsabgabe geschaffen. Anknüpfungspunkt der Zahlungspflicht ist damit nicht mehr das jeweilige Empfangsgerät, sondern die Inhaberschaft an einer Wohnung (im privaten Bereich) bzw. an einer Betriebsstätte (im nicht privaten Bereich). Gegen die Verfassungsmäßigkeit des neuen Finanzierungssystems sind indes von verschiedener Seite Bedenken geäußert worden. Neben Privatpersonen und Unternehmen, die gegen den Rundfunkbeitrag bereits klageweise vorgegangen sind oder dies konkret in Erwägung ziehen,[306] hat auch die Thüringische Landesregierung verfassungsrechtliche Bedenken gegen den damals noch im Entwurf befindlichen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag geäußert und favorisiert vor dem Hintergrund der „sozialen Gerechtigkeit“ ein steuerfinanziertes und einkommensabhängiges Modell.[307]
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Durch den 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde der Rundfunkbeitrag von vormals 17,98 EUR auf 17,50 EUR gesenkt, § 8 RFinStV.[308] Der 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag setzt die Vorgabe des BVerfG um, das in seinem Urteil vom 25.3.2014[309] mehr Staatsferne in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verlangt hatte. Der Staatsvertrag trat am 1.1.2016 in Kraft und regelt die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien.
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Wesentlich im 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sind die Beauftragung eines onlinebasierten Jugendangebots von ARD und ZDF, neue Regelungen zum Jugendmedienschutz sowie Nachbesserungen beim Rundfunkbeitragssystem. Das für die 14- bis 29-jährigen Zuschauer ausgerichtete Jugendprogramm dürfen ARD und ZDF umsetzen und neben dem klassischen Rundfunkweg auch auf Online-Drittplattformen anbieten. Eingefügt wurde § 11g RStV, der das Jugendangebot der in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten und des ZDF regelt. Ergänzt wird die Vorschrift durch eine Anlage zu § 11g Abs. 5 S. 1 RStV, die eine Negativliste für Jugendangebote enthält. Die Novellierung des am 1.10.2016 in Kraft getretenen Jugendmedienschutzstaatsvertrages dient dazu der Medienkonvergenz und dem damit einhergehenden veränderten Nutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen Rechnung zu tragen.[310] Die Altersstufen des Jugendschutzgesetzes gelten nun auch für Rundfunk und Telemedien, § 5 Abs. 1 JMStV. Hierbei soll, wiederum vor dem Hintergrund der Konvergenz, ein Gleichlauf bei der Alterskennzeichnung im Online- und Offline-Bereich geschaffen werden. Die Alterskennzeichnung kann vom Anbieter selbst oder von einer anerkannten Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle erfolgen, § 19 JMStV. Anbieter, die ihr Angebot freiwillig mit einer Alterskennzeichnung versehen, werden durch die Neuregelungen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten privilegiert, § 24 JMStV. Es erfolgt eine Verknüpfung des Systems des technischen Jugendmedienschutzes mit dem Gedanken der regulierten Selbstregulierung. Die Selbstkontrolleinrichtung übernimmt letztlich die Funktion einer Zertifizierungsstelle, die das jeweilige Angebot auf Kompatibilität mit den Vorgaben des Jugendmedienschutzstaatsvertrages überprüft. Die Aufsicht über diese Einrichtung übt die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) aus, § 19b JMStV.[311]
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Der zwanzigste Rundfunkänderungsstaatsvertrag aus dem Dezember 2016[312] betrifft den Rundfunkstaatsvertrag, den Deutschlandradio-Staatsvertrag sowie den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag. Mit Blick auf den Rundfunkstaatsvertrag wurden die vom Deutschlandradio beschlossenen Änderungen der Programm-bezeichnungen in „Deutschlandfunk Kultur“ (bisher „Deutschlandradio Kultur“) und „Deutschlandfunk Nova“ (bisher „DRadio Wissen“) aufgenommen. Zudem wurden für die Gremien des Deutschlandradio die Vorgaben des BVerfG zur Staatsferne erfüllt. Die mit dem 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag im ZDF-Staatsvertrag umgesetzten Grundsätze sollen allgemein auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Anwendung finden.[313] Weitere Anpassungen betreffen den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag mit Blick auf die durch den 20. KEF-Bericht geänderte Verteilung des Rundfunkbeitrags.
2. Weiteres Landesrecht, insbesondere Rundfunk-/Mediengesetze
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Neben den Rundfunkstaatsverträgen existieren in den Ländern Landesrundfunk- bzw. Landesmediengesetze. Diese enthalten Vorschriften zur Zulassung zu Rundfunkveranstaltungen durch die zuständige Landesanstalt,[314] Regelungen über Übertragungskapazitäten, Programmanforderungen, Vorschriften zum Schutz der Mediennutzer sowie zu lokalem Hörfunk und Bürgermedien. Zudem ist dort namentlich die Aufsicht über den privaten Rundfunk durch die Landesmedienanstalten sowie deren Organisation geregelt.[315]
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In einigen Ländern (z.B. Saarland und Rheinland-Pfalz) wurden die Landespresse- und Landesrundfunkgesetze unter neue, üblicherweise als Landesmediengesetz bezeichnete, Dächer zusammengeführt und durch übergreifende Regelungen ergänzt. Die sog. Mehrländeranstalten MDR, NDR, SWR und RBB haben ihre Rechtsgrundlage in Staatsverträgen der Länder. Letztere tragen die Anstalten jeweils gemeinsam, also im Fall des SWR Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, auf Grundlage eines Staatsvertrages. Demgegenüber beruhen die Einländeranstalten wie WDR und BR auf Landesgesetzen, z.B. dem WDR-Gesetz.[316] In NRW wurde das Landesmediengesetz Ende 2009 umfassend novelliert.[317] Insbesondere in Bezug auf das Medienkonzentrationsrecht wurden umfassende Neuerungen erarbeitet.[318] Presseunternehmen können sich nun mit bis zu 100 % am lokalen und regionalen Rundfunk beteiligen, wenn sie zur Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht vielfaltssichere Maßnahmen i.S.d. §§ 33a ff. LMG NRW ergreifen (Einrichtung eines Programmbeirats, Einräumung von Drittsendezeiten oder im Einzelfall gleich wirksame Mittel).[319]
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Zudem existiert eine Vielzahl von Landesgesetzen über die Landesrundfunkanstalten sowie Satzungen und Richtlinien der Landesmedienanstalten, die auf Grundlage der jeweiligen gesetzlichen Regelungen erlassen wurden.[320]
Anmerkungen
Dazu 5. Kap. Rn. 9 ff.
Dazu 8. Kap. Rn. 17 ff.
Dazu 6. Kap.
S. dazu unten 4. Kap. Rn. 8 ff.
Deren Mitglieder sind die Landesrundfunkanstalten der ARD sowie das ZDF.
BVerfGE 12, 205 ff.
Zur Entwicklung des Rundfunkrechts bis in die Gegenwart auch Dörr/Schwartmann Rn. 164 ff.; Gersdorf Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 1-59.