Handbuch des Aktienrechts. Hans-Peter Schwintowski
nach deutschem Recht eine einfach zu handhabende Möglichkeit, einmal ausgegebene Spartenaktien wieder abzuschaffen.[119]
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Zudem wird die Spartenbindung einer Tracking-Stock-Aktie durch § 58 AktG begrenzt. Es ist also auch bei entsprechendem Erfolg der Sparte, an der die jeweilige Aktiengattung wirtschaftlich beteiligt sein soll, nicht möglich, mehr Gewinn auszuschütten, als die gesamte AG erwirtschaftet hat – selbst wenn die jeweilige Sparte im Gegensatz zu den übrigen Sparten einen höheren Gewinn erwirtschaftet. Soweit eine solche Beteiligung an einer einzelnen Sparte wirtschaftlich gewünscht wird, sollte erwogen werden, die betreffende Sparte zur Neugründung auszugliedern (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG). Nach der Ausgliederung könnten dann Teile der Aktien an der neuen Gesellschaft, ggf. auch nur Vorzugsaktien, gesondert veräußert werden.
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Neben der durchaus verbreiteten Gattung der Vorzugsaktien ohne Stimmrecht i.S.d. §§ 139 ff. AktG finden sich in der Praxis namentlich Gattungen von Aktien, deren Inhaber bei der Verteilung des Liquidationserlöses bevorzugt oder benachteiligt werden (§ 271 Abs. 2 AktG) oder deren Inhaber bei der Gewinnverteilung bevorzugt behandelt werden, ohne dass ihr Stimmrecht ausgeschlossen wäre. Weniger verbreitet, aber gleichwohl rechtlich zulässig, sind diejenigen Aktiengattungen, die ihre Inhaber zur Erbringung bestimmter Zusatzleistungen verpflichten (§ 55 AktG).
4.3 Schaffung verschiedener Aktiengattungen bei der Gründung
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Rechtlich unproblematisch ist die Schaffung verschiedener Aktiengattungen bei der Gesellschaftsgründung. Da die Gattung gem. § 23 Abs. 2 Nr. 2 AktG in der Satzung festgelegt werden muss und die Gründung nur mit Zustimmung aller Gründer erfolgen kann,[120] stellt sich in diesem Rahmen nicht die Frage, welche Zustimmungserfordernisse für die Einführung verschiedener Gattungen erforderlich sind.[121]
4.4 Nachträgliche Schaffung von Aktiengattungen
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Nach Gründung der Gesellschaft können weitere Aktiengattungen geschaffen werden. Dies ist einmal in der Weise möglich, dass bei Kapitalerhöhungen junge Aktien eine neue, eigene Gattung begründen, oder aber in der Weise, dass bestehende Aktien derart umgestaltet werden, dass diese nunmehr einer anderen Aktiengattung zugeordnet werden.
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Werden im Zuge von Kapitalerhöhungen neue Aktiengattungen geschaffen, ist danach zu differenzieren, ob diese neuen Aktien mehr oder weniger Rechte als die bereits ausgegebenen Aktien gewähren. Werden Aktien minderen Rechts geschaffen, bedarf es lediglich eines gewöhnlichen Kapitalerhöhungsbeschlusses.[122] Denn das Bezugsrecht des Aktionärs ist gerade nicht auf die von ihm gehaltene Aktiengattung beschränkt.[123] Problematischer ist die Konstellation, in der die neuen Aktien mehr Rechte gewähren als die bereits ausgegebenen Aktien. Durch die Ausgabe dieser neuen Aktien werden reflexartig die Rechte der bereits ausgegebenen Aktien eingeschränkt.[124] Da es aber – vorbehaltlich des Bezugsrechtsausschlusses – die Altaktionäre durch Zeichnung der jungen Aktien in der Hand haben, die Schmälerung ihrer Rechte durch Bezug der jungen Aktien auszugleichen, spricht einiges dafür, die Kapitalerhöhung wie jede andere Kapitalerhöhung zu behandeln. Dogmatisch ließe sich dies durch analoge Anwendung von § 179 Abs. 3 S. 2 AktG begründen,[125] wobei der „Sonderbeschluss“ – da sämtliche Altaktionäre benachteiligt werden – mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss identisch wäre. Gleichwohl geht die überwiegende Ansicht davon aus, dass es für die Kapitalerhöhung einer Zustimmung sämtlicher der durch die Ausgabe der neuen (bevorzugten) Aktien benachteiligten Altaktionäre bedarf,[126] denn bei § 179 Abs. 3 AktG handele es sich um eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift. Diese die Gesellschaft stark einschränkende Rechtsfolge lässt sich nach h.M. nur durch eine Satzungsbestimmung verhindern, in der die Schaffung von bevorrechtigten jungen Aktien durch Mehrheitsbeschluss ausdrücklich zugelassen wird.[127] Entsprechendes gilt für den Fall, dass die neuen Aktien sowohl Vor- als auch Nachteile gegenüber den alten Aktien aufweisen.[128]
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Ebenfalls der Zustimmung sämtlicher betroffener Aktionäre bedarf eine Satzungsänderung, durch die einzelne Aktien einer Gattung zu einer neuen Gattung umgewandelt werden. In einem solchen Fall müssen immer diejenigen Aktionäre zustimmen, die durch die Schaffung der neuen Aktiengattung benachteiligt werden. Werden also einzelne Aktien einer Gattung mit mehr Rechten versehen, müssen die Aktionäre zustimmen, deren Aktien nicht mit neuen Rechten versehen werden, da die Gewährung von Rechten an andere immer mit dem Verlust eigener Rechte einhergeht.[129]
4.5 Insbesondere: Vorzugsaktien ohne Stimmrecht
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Von praktischer Bedeutung ist die Aktiengattung der Vorzugsaktien ohne Stimmrecht. Alleine an deutschen Börsen werden von mehr als 30 AG Vorzugsaktien gehandelt.[130]
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Dieser Aktiengattung widmet das AktG einen eigenen Unterabschnitt (§§ 139 ff. AktG). Hintergrund dieses Regelungsbedürfnisses ist der Umstand, dass es nach allgemeinen Grundsätzen nicht zulässig ist, das aus der Aktie resultierende Stimmrecht zu beschränken.[131] Soll dies dennoch erfolgen, muss gleichsam als Ausgleich für den Verlust des Stimmrechts gem. § 139 Abs. 1 AktG ein Vorzug bei der Verteilung des Gewinns gewährt werden.[132] Umgekehrt lebt das Stimmrecht gem. § 140 Abs. 2 AktG wieder auf, wenn der Vorzugsbetrag nicht oder nicht vollständig gezahlt wurde.
4.5.1 Motive für die Schaffung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht
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Durch die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht wird der AG eine weitere Finanzierungsmöglichkeit[133] zur Verfügung gestellt,[134] die – anders als beispielsweise die Zinsen für ein klassisches Darlehn – nicht das Jahresergebnis der AG schmälern, auf der anderen Seite auf Ebene der Gesellschaft aber auch nicht steuerlich berücksichtigt werden können. Die Gewinnvorzüge werden gem. § 57 Abs. 3 AktG vielmehr nur aus den festgestellten Bilanzgewinnen bedient.[135] Daneben ermöglicht die Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien – freilich nur im Rahmen des § 139 Abs. 2 AktG – die Einwerbung von Eigenkapital, ohne zugleich Leitungsmacht der stimmberechtigten Aktionäre abzugeben. Gerade dieser Umstand macht Vorzugsaktien für sog. Familien-AG[136] besonders interessant.[137] Auf der anderen Seite werden Vorzugsaktien ohne Stimmrecht regelmäßig mit einem Preisabschlag im Vergleich zu Stammaktien gehandelt,[138] so dass die AG durch die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht weniger Kapital einwerben kann, als durch die Ausgabe von Stammaktien. Überspitzt könnte man formulieren, dass Vorzugsaktien ohne Stimmrecht im Regelfall[139] teureres Eigenkapital darstellen als Stammaktien.
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Zugleich trägt diese Aktiengattung dem Umstand Rechnung, dass ein beachtlicher Teil derjenigen Aktionäre, die nur zu einem geringen Maße am Grundkapital beteiligt sind, mehr an Rendite als am Mitentscheidungsrecht auf der Hauptversammlung interessiert sind, zumal sich letzteres bei geringer Beteiligungsquote ohnehin nur in Ausnahmekonstellationen auswirkt.[140] Auf der anderen Seite bewirkt die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, dass auf diejenigen Aktien, die nicht mit einem Gewinnvorzug ausgestattet sind, nur der verbleibende Bilanzgewinn zu verteilen ist. Trotz dieses Gewinnvorzugs werden die stimmrechtslosen Vorzugsaktien einer Gesellschaft im Vergleich zu den stimmberechtigten