Rechtsgeschichte. Susanne Hähnchen
IMPOSUI, et simul homini festucam imponebat. adversarius eadem similiter dicebat et faciebat. cum uterque vindicasset, praetor dicebat: MITTITE AMBO HOMINEM. illi mittebant. qui prior vindicaverat, sic dicebat: POSTULO, ANNE DICAS, QUA EX CAUSA VINDICAVERIS? ille respondebat: IUS FECI, SICUT VINDICTAM IMPOSUI. deinde qui prior vindicaverat, dicebat: QUANDO TU INIURIA VINDICAVISTI, D AERIS SACRAMENTO TE PROVOCO; adversarius quoque dicebat similiter: ET EGO TE; aut si res infra mille asses erat scilicet L asses sacramentum nominabant. deinde eadem sequebantur, quae cum in personam ageretur. postea praetor secundum alterum eorum vindicias dicebat, id est interim aliquem possessorem constituebat, eumque iubebat praedes adversario dare litis et vindiciarum, id est rei et fructuum; alios autem praedes ipse praetor ab utroque accipiebat sacramenti causa, quod id in publicum cedebat.
Übersetzung:
Wenn dinglich (in rem) geklagt wurde, auf bewegliche Sachen, die vor Gericht getragen oder geführt werden konnten, wurde [vor dem Prätor] auf diese Weise vindiziert: wer vindizierte, hielt eine Lanze (festuca); darauf ergriff er die Sache, etwa den Sklaven und sprach so: „Dass dieser Sklave nach dem Recht der Quiriten mir gehört, behaupte ich, gemäß seiner rechtlichen Lage habe ich, so wie ich es gesagt habe, siehe hier vor deinen Augen, den Stab angelegt.“ Und gleichzeitig legte er dem Sklaven die Lanze auf. Der Gegner sprach und handelte ähnlich. Nachdem beide vindiziert hatten, sprach der Prätor: „Lasst beide den Sklaven los.“ Jene ließen los. Wer zuerst vindiziert hatte, sprach so: „Ich fordere dich auf zu sagen, aus welchem Grunde du vindizierst?“ Jener antwortete: „Ich tue recht, wie ich die Lanze auflege.“ Darauf sprach, wer zuerst vindiziert hatte: „Da du zu Unrecht vindizierst, fordere ich dich auf zu einem Eid (sacramentum) über 500.“ Der Gegner sprach ähnlich: „Und ich dich“. Oder, wenn die Sache unter 1000 Asse [Kupferpfunde] wert war, nannten sie 50 Asse als Eid. Darauf folgte das, wie wenn persönlich geklagt wurde. Dann erteilte der Prätor einem von ihnen die Vindizien, d.h. er setzte einen zwischenzeitlich als Besitzer ein, und gebot, dem Gegner Bürgen zu stellen für den Streit und die Vindizien, d.h. für die Sache und die Früchte. Andere Bürgen aber nahm der Prätor selbst von beiden an wegen der Eidessumme (sacramentum), die an die öffentliche Kasse ging.
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Eingangs ist nur von beweglichen Sachen die Rede. Wurde um ein Grundstück geklagt, so trug man symbolisch eine Erdscholle an den Gerichtsort und berührte sie mit der Lanze. Vieles spricht dafür, dass Prozesse um bewegliche Sachen und damit auch das private Eigentum an ihnen älter ist als das (individuelle) Grundeigentum.[16] Dafür spricht auch die sog. Allmende, die es bis heute noch vereinzelt gibt.
Kläger und Beklagter behaupteten und beschworen beide, sie seien Eigentümer und setzten eine sog. Wettsumme (sacramentum) auf ihren Eid. Diese Wette bzw. der Schwur war wesentlich, auch im Namen der Klage erwähnt und zumindest ursprünglich von religiöser Bedeutung. Der Einsatz des Verlierers ging an die Staatskasse; es handelt sich somit um eine Vorform des prozessualen Kostenrisikos.
Das Auflegen der Lanze (festuca, vindicta) wurde früher oft als Scheinkampf gedeutet, also im Sinne von symbolisierter Selbsthilfe. Wahrscheinlicher ist es aber, dass damit die Herrschaftsgewalt angedeutet werden sollte. Denkbar ist auch die Erklärung als symbolische Verletzungshandlung, zu der ebenfalls nur der Herr (Eigentümer) befugt war. Jedenfalls handelt entweder der Kläger oder der Beklagte unberechtigt und der nachfolgende Prozess soll zeigen, wer von beiden es war. Die Formel, die der Kläger aufsagen musste, war übrigens diejenige, die auch bei der Übereignung wirtschaftlich wichtiger Sachen (Rn. 68) vom Erwerber aufgesagt werden musste, nur dass dort der andere schwieg.
Die Klage in klassischer Zeit auf Herausgabe einer Sache wurde nach dem alten Ritual rei vindicatio genannt und so bezeichnet man bis heute § 985 BGB, obwohl es nicht mehr um eine Klage, sondern um einen Anspruch geht.
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Zum Vollstreckungsverfahren bestimmten die XII Tafeln:
Tafel (tabula) III:
(1) Aeris confessi rebusque iure iudicatis XXX iusti dies sunto.
(2) Post deinde manus iniectio esto. In ius ducito.
(3) Ni iudicatum facit aut quis endo eo in iure vindicit, secum ducito, vincito aut nervo aut compedibus XV pondo, ne maiore, aut si volet minore[17] vincito.
(4) Si volet suo vivito. Ni suo vivit, qui eum vinctum habebit, libras farris endo dies dato. Si volet, plus dato.
(6) Tertiis nundinis partis secanto. Si plus minusve secuerunt, se (= ne) fraude esto.
Übersetzung:
(1) Bei anerkannter Geldschuld und rechtskräftig entschiedenen Sachen sollen 30 Tage [Frist] sein.
(2) Darauf soll die Handanlegung stattfinden. Er [Kläger] soll [den Schuldner] vor Gericht führen.
(3) Wenn er [Schuldner] das Urteil nicht erfüllt oder wenn niemand für ihn als Bürge eintritt, soll er [Kläger] ihn mit sich führen, gefesselt mit einem Strick oder mit Gewichten von 15 Pfund oder, wenn er will, weniger gefesselt.
(4) Wenn er [der Schuldner] will, kann er auf eigene Kosten leben. Wenn er nicht auf eigene Kosten lebt, muss ihm, wer ihn gefesselt hält, ein Pfund Spelt an jedem Tag geben. Wenn er will, kann er ihm mehr geben.
(6) Am dritten Markttag sollen sie [die Gläubiger] in Teile schneiden. Wenn sie mehr oder weniger abschneiden, soll es kein Unrecht sein.
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Für die Vollstreckung bedurfte es schon damals grundsätzlich eines vorherigen Erkenntnisverfahrens (i. S. d. XII tab. 1, 1-9, Rn. 53). Leistete der Schuldner auf das Urteil hin innerhalb von 30 Tagen nicht freiwillig, wurde die Vollstreckung eingeleitet durch eine weitere legis actio (Rn. 56), die l.a. per manus iniectionem. Dadurch erhielt der Gläubiger den Schuldner in seine Gewalt (Personalexekution). Es wurde also nicht wie heute in das Vermögen vollstreckt, sondern man haftete für seine Schulden im wahrsten Sinne des Wortes persönlich. Heute hingegen bedeutet persönliche Haftung „nur“, dass man im vollen Umfang seines Privatvermögens haftet (Gegensatz: beschränkte Haftung, insb. dinglich, d.h. auf einen bestimmten Gegenstand beschränkt).
Der Schuldner blieb 60 Tage in Haft, als Zwangsmittel und letzter Aufschub vor der endgültigen Vollstreckung. Innerhalb dieser Zeit musste er an drei Markttagen dem Prätor vorgeführt und konnte durch Zahlung oder Eintreten eines vindex (Bürgen) ausgelöst werden. Die Veranstaltung dieser letzten „Zahlungsaufforderungen“ in aller Öffentlichkeit, war mit erheblichem sozialen Druck auf den Schuldner und auch auf seine Familie verbunden. Konnte man trotzdem nicht zahlen und hatte offenkundig auch keine finanzstarken Freunde, fand das partes secare (XII tab. 3, 6) statt. Wörtlich genommen wäre das so zu verstehen, dass der Schuldner getötet werden durfte und nicht einmal ein ordentliches Begräbnis erhielt. Manche moderne Autoren halten dies für ungeheuerlich und daher unmöglich; sie meinen, dass stattdessen das Vermögen aufgeteilt worden sei.[18] Ein konkreter Fall der Tötung ist nicht überliefert. Die wenigsten Gläubiger hätten wirklich etwas davon gehabt, den Schuldner zu zerschneiden. Jedenfalls bald wurde die Haftung durch den Verkauf in die Sklaverei realisiert, aber nicht in Rom sondern „über den Tiber“ (trans tiberim), d.h. über die durch den Fluss gebildete Stadtgrenze ins Ausland. Die Personalexekution wegen Schulden ist 326 v. Chr. durch die lex Poetelia jedenfalls eingeschränkt worden. Allerdings kennen wir den Inhalt dieses Gesetzes nicht genau. Darin soll auch die Fesselung des Schuldners verboten worden sein. Jüngere nichtjuristische Quellen können dahin verstanden werden, dass Schuldner ihre Schulden (freiwillig?) abgearbeitet haben.